Wir sind in einer Welt, die nie mehr langsamer wird als heute.
Sandra-Stella Triebl
Aber müssen wir deswegen kapitulieren vor dem Chaos, das sich unweigerlich ergibt? Lässt sich die Dynamik der Ereignisse nicht mehr kontrollieren? Um das zu diskutieren, luden wir zum Bargespräch Vol. 53 nach Bern in den USM Showroom bei Inneneinrichter teo jakob ein. Hat da jemand „Bern ist langweilig“ gesagt? Es wurde eines der lustigsten Bargespräche ever!
Nach einer Begrüssung durch Katrin Eckert, Head of Planning bei USM Möbelbausysteme, im vor einem Jahr eröffneten Play Lab des Münsingener Unternehmens, bereitete die Gründerin der Bargespräche, Sandra-Stella Triebl, die Gäste eloquent auf das kommende Wechselbad der Gefühle vor. Übrigens waren 60 Teilnehmende prognostiziert, 90 kamen. Macht nix, ein Möbelhaus hat ja genügend Stühle!
Als Erstes setzte Andrea Jenny zum Start an, als Kaospilotin (nein, kein Verschreiber, das heisst so, eine alternative Business- und Designschulidee aus Dänemark) ist sie Turbulenzen gewohnt. Sie hat nach einem bunten Lebenslauf, der kurz gefasst die Stationen Kinderkrankenschwester, Sozialarbeiterin, palliative Sterbebegleitung und eine Radtour ans Schwarze Meer umfasst, die Ausbildung zu eben jener Kaospilotin begonnen und noch nicht abgeschlossen. Sie lernt an dieser holistisch-nachhaltigen Schule, wie man bewusst ins Chaos navigiert und sich nicht darin verliert.
Als Ansporn zum Wettbewerb sieht Sylvie Meyer Chaos im Allgemeinen und im Besonderen. Sie, die als Kind schon immer Chef werden wollte, hat als nahe der Racing-Hochburg Le Mans aufgewachsene Französin ihre Liebe zu und später dann in Norddeutschland entdeckt, war Sprachassistentin in einem Gymnasium und kam vor über 20 Jahren in die Schweiz. Nach einer Station bei Swisscom ist sie heute Retail Director bei PostFinance, das Chaos in ihrem Bereich wurde durch die rasante Digitalisierung ausgelöst. Ihr Rezept, um das Chaos zu bewältigen, ist ein nicht hierarchischer Führungsstil, in dem man den Mitarbeitern gewisse Rahmenbedingungen gibt, in denen sie sich bewegen und Probleme selbst lösen lassen muss. Loslassen müsse man können, sagt sie, und gefragt, was sie jetzt sofort ändern könnte, wenn sie wollte, eröffnete Sylvie Meyer den staunenden Gästen, sie habe just gekündigt. Und würde jetzt erst Mal Kitesurfen gehen, bevor etwas Neues kommt. Lustig, wie solche mutigen Entscheidungen, einen Geschäftsleitungsjob auf der Ebene einfach aufzugeben, Bewunderung, aber zugegebenermassen auch Neid hervorrufen. Wenn die das kann, kann ich das auch? Trau ich mich?
Oder sich trauen wie Claudia Giorgetti Del Monte, der nächsten Gesprächspartnerin auf dem Podium von Sandra-Stella Triebl. Sie hat kurzerhand den CEO ihrer Firma, also ihren eigenen Boss, vor die Tür, vor seine Bürotür gesetzt, um der Situation Frau zu werden. Als Leiterin Organisations- und Kulturentwicklung beim Versicherer Die Mobiliar hatte sie die Aufgabe, für eine neue Unternehmenskultur zu sorgen, und die sah sie vor allem darin, nicht hinter verschlossenen Türen zu agieren. Also sitzt der CEO nicht mehr in seinem Office mit Aussicht, sondern kommunikativ mit anderen Mitarbeitern in einem Raum. Aus seinem ehemaligen Panoramabüro wird derzeit eine offene Meeting- und Begegnungszone. Die einzige Konstante sei die Veränderung, konstatiert Sylvie Meyer, die nach eigenen Aussagen schon immer gegen den Strom geschwommen ist, man dürfe sich nicht zu fest an etwas klammern.
Nichts mehr wollen und alles loslassen, das ist auch der Plan von Gilles Tschudi, letzter Gast an diesem erstaunlichen Abend voller Offenbarungen. Der Regisseur und Schauspieler hat mit Chaos nur ein zeitliches Problem, denn wenn er anfangen würde zu denken: Mein Gott, was sei denn jetzt gerade passiert ist, sei er ja schon zu spät, es sei ja schon passiert. Verstanden? Er findet, man müsse das Unfassbare kontrollieren, aber grundsätzlich habe ganz speziell er keine Ahnung von gar nichts. Text? Pah! Kommt mal, mal nicht – er gab zu, es sei nicht einfach, mit ihm zu arbeiten.
Angesichts so vieler von aussen betrachtet chaotischer Lebensläufe und doch geordneten Verhältnissen fand Sandra-Stella Triebl, Gründerin und CEO von Swiss Ladies Drive, am Ende, dass es im Auge des Sturms immer ganz ruhig ist. So wie sie sich mit den Unzulänglichkeiten des Lebens versöhnt habe, funktioniere es prima: Wir sind nicht Superwoman, zumindest nicht immer, und das ist gut so.
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