Einer der wenigen Preise, die ausschliesslich Frauen in der Wissenschaft berücksichtigen, ist der L’Oréal-UNESCO For Women in Science International Award. Er wurde dieses Jahr zum 27. Mal in Paris vergeben. Wir hatten die Möglichkeit, eine der fünf Preisträgerinnen, Prof. Dr. Claudia Felser, zu treffen.
Wir haben nur wenig Zeit – zehn Minuten sieht das Protokoll vor, Location ist das imposante UNESCO-Gebäude in Paris. Alle Preisträgerinnen müssen/dürfen einen Marathon an Interviews über sich ergehen lassen, Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt surren wie Bienen durch die Korridore zu den einzelnen zur Verfügung gestellten Räumen. Claudia Felser ist die Ruhe selbst. Entspannt und fröhlich lächelnd harrt sie der Fragen. So offen und unkompliziert, wie sie sich gibt, wünscht man sich, man hätte Stunden Zeit für ein ausführliches Gespräch. Humor hat sie auch. Auf die Frage, was ihr Hobby sei, antwortet die gebürtige Deutsche: „Vizepräsidentin“. Nein, man hat sich nicht verhört. „Ich habe viele Hobbys, die nicht so typisch sind“, fährt sie amüsiert fort – und meint damit ihre Forschungstätigkeiten. „Vizepräsidentin mache ich im Nebenamt, also quasi wie ein Hobby.“ De facto ist sie hauptberuflich Direktorin am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden – und „so nebenbei“ seit 2023 Vizepräsidentin der Max-Planck-Gesellschaft: „Es ist natürlich viel mehr als ein Nebenjob oder ein Hobby. In erster Linie aber macht es Spass! Ich lerne gerade sehr viel für mich, vor allem über Technologietransfer.“ Wenn man dann noch ein bisschen bohrt, erfährt man, dass Claudia Felser morgens um sechs Uhr in Dresden im Schwimmbad anzutreffen ist – und ausserdem noch Enkelkinder hat. Da bleibt aber wirklich nicht mehr viel Zeit für irgendwas.
BAHNBRECHENDE FORSCHUNG
Begründung der Jury für die Wahl von Prof. Dr. Claudia Felser als Preisträgerin: „Die Auszeichnung For Women in Science erhält Claudia Felser für ihre bahnbrechende Forschung, die die drei Disziplinen Physik, Mathematik und Chemie miteinander verbindet. Sie hat neue magnetische Materialien entdeckt und entwickelt, die das Potenzial haben, die Zukunft grüner Energietechnologien zu revolutionieren. Ihre Arbeit hat ein neues wissenschaftliches Feld – die topologische Quantenchemie – begründet und das Verständnis von relativistischer Materie grundlegend verändert.“
KEINE GERADE KARRIERE
Eine Trailblazerin also – und keine Wissenschaftlerin, wie man sie sich vorstellt, mit so ganz geradem, vorbestimmtem, akademischem Weg. Sie sieht sich deswegen auch als Role Model. „Ich war ursprünglich nicht im Gymnasium“, überrascht Claudia Felser. „Ich war zunächst auf der Realschule und bin dann dank eines Mathelehrers, der bei meinen Eltern für den Wechsel geworben hat, in der achten Klasse aufs Gymnasium gekommen.“ Sie studierte erst Sonderpädagogik, nicht Naturwissenschaften, obwohl sie Mathe- und Chemieleistungskurs belegt hatte – man habe Frauen damals noch auf Lehramt trimmen wollen. Sie studierte in Köln, bekam ein Kind während der Promotion – und eigentlich wäre damit eine wissenschaftliche Karriere undenkbar gewesen. Aber: „Ich hatte einen sehr verständnisvollen Doktorvater, der hat mich grossartig unterstützt.“ Ihr Vorbild macht Schule: Ihre eigene Tochter promoviert derzeit am Fraunhofer-Institut – und hat gleich zwei Kinder in dieser Zeit bekommen.
MENTORIN FÜR NACHWUCHS
Claudia Felser gibt ihre Erfahrungen gerne an junge Frauen weiter: „Wenn ich auf wissenschaftlichen Nachwuchs treffe, erzähle ich von meinem Weg in die Wissenschaft. Ich mache persönliches Mentoring für Frauen in meinem Feld – dort, wo ich etwas bewegen kann –, das ist mir sehr wichtig.“ Kernpunkt ihrer Erfahrung: Du musst nicht immer die Beste vorne am Start sein. Man muss auch andere Wege gehen dürfen. Sie hat ihre Meinung auch dem Bundespräsidenten von Deutschland, Frank-Walter Steinmeier, am Nachwuchsanlass „Jugend forscht“ unverblümt mitgeteilt: „Es ist wichtig, dass die Schulen durchlässig sind – dass wir inklusiv den Talenten auch später noch Möglichkeiten geben.“
WORLD PEACE
Wie wichtig ist so ein Award für sie, wie der, den sie von L’Oréal verliehen bekommen hat? „Es ist eine in der Wissenschaft sehr renommierte Auszeichnung – zudem ein internationaler Award.“ Sie habe sich mit ihren Preisträgerkolleginnen von Kontinenten wie Afrika oder aus Ländern wie China darauf geeinigt, dass das Zauberwort der Stunde World Peace sein muss. „Was mir zudem sehr gefällt, ist die Verknüpfung von Beauty mit L’Oréal, Inklusion mit UNESCO sowie Science – das ist weltweit einzigartig.“ „Frauen in den Wissenschaften sind keine vermeintlichen Nerds – auch sind wir sehr vielfältig, und ja, durchaus auch geschminkt“, lautet ihre offene Meinung. „Ich hatte diese Diskussion am Anfang in meinem Schülerlabor – frei nach dem Motto: Sind lackierte Fingernägel im Labor okay? Da kann ich nur sagen: absolut … und gerne mehr davon. Wissenschaft und Beauty schliessen sich nicht aus – im Gegenteil!“

Das Schweizer Programm des L’Oréal-UNESCO For Women in Science
Förderpreises wurde in der Schweiz am 3. Februar 2025 lanciert. Auch hier winken Förderpreise für vier Nachwuchswissenschaftlerinnen, die an Universitäten oder Forschungsinstituten in der Schweiz in den Naturwissenschaften tätig sind. Bewerbungen waren bis zum 31. März 2025 möglich. Die Vergabe dieser ersten Förderpreise des lokalen Schweizer Programms in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften (SATW) wird Ende Oktober dieses Jahres stattfinden.


 














