Finanztrends: Frauen Investieren Anders. und Nun?

Text: Sandra-Stella Triebl
Mitarbeit: Linda Roniger
Fotos: Lilly Toriola

Vor zwei Jahren belegte eine quantitative Studie der Berner Fachhochschule einmal mehr: Frauen investieren anders als Männer.

Doch was ist seither in der Finanzbranche passiert? Und: Ist dies eigentlich ein Schweizer, ein europäisches Phänomen oder sind Frauen generell beispielsweise weniger risiko-affin als Männer in puncto Investments? Wir haben bei der Autorin der Studie, Christiane Koncilja, nachgefragt und staunten, wie wenig die Finanzbranche aus den vorliegenden Studienergebnissen bisher gemacht hat.

Vor zwei Jahren sorgte ihre Studie für Schlagzeilen. Die wichtigsten Erkenntnisse daraus: Frauen berücksichtigen andere Entscheidungskriterien als Männer, sie nutzen andere Informationskanäle (Männer das Internet, Frauen das persönliche Gespräch). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Frauen mit finanziellen Risiken vorsichtiger umgehen als Männer, dass sie weniger in Aktien investieren und bei ihren Entscheidungen eher soziale Kriterien ins Kalkül ziehen. Mittlerweile arbeitet Christiane Koncilja an der Berner Fachhochschule an einem qualitativen Ansatz: „Nach den Resultaten fragte ich mich: Was muss nun geschehen, dass sich Dinge, sprich die Produkte in der Finanzindustrie, ändern? Was erwarten Frauen von einer Beratung? Oder wie muss die Finanzindustrie in zehn Jahren aussehen? Also haben wir ein neues Projekt lanciert, welches Frauen aus verschiedenen Generationen befragt. Doch das Ganze ist nicht nur ein wissenschaftliches Projekt“, erzählt Christiane Koncilja, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Wirtschaft an der Berner Fachhochschule, und ergänzt: „Frauen hatten ja in der Schweiz nicht immer Zugang zu allen Finanzinstrumenten. Es ist noch nicht so lange her, dass eine Frau in der Schweiz die Unterschrift des Ehemannes beibringen musste, um ein Konto zu eröffnen.“

Erstaunlich ist gemäss Christiane Koncilja indes nicht nur, dass man diese Geschichte den jungen Frauen wieder erzählen muss – sondern auch, dass sie bislang von niemandem aus der Bankenbranche für eine Diskussion ihrer Forschungsergebnisse eingeladen wurde. Dies obwohl Frauen doch einen regelrechten emerging market darstellen. Weltweit sind (Stand 2012) ca. ein Drittel der Dollarmillionäre Frauen – Tendenz steigend! Und Michael Silverstein von BCG liess sich bei der Süddeutschen 2010 wie folgt zitieren: „Bis ins Jahr 2015 verfügen die Frauen über ein weltweites Einkommen von 18 Billionen Dollar.“

Ebenso erstaunlich ist übrigens der Fakt, dass Frauen offenbar weltweit in Finanzdingen risikoavers agieren – die Schweizer Studie zeigt also kein typisch schweizerisches oder europäisches Verhalten auf. „Es gibt weltweit Studien hierzu, welche dies als globales Phänomen identifizieren. Dass die Finanzindustrie einen Wertewandel vollziehen wird in den kommenden Jahren, steht ausser Frage: „Für Frauen hat beispielsweise social responsibility einen deutlich höheren Stellenwert. Es ist vorstellbar, dass diese Investitionen auch mehr finanzielle Probleme auf dieser Welt lösen können – und Reichtum viel fairer und nachhaltiger kreiert wird“, erwartet Ana Fernandes. Christiane Koncilja nickt zustimmend und ergänzt: „Dies bedeutet gleichzeitig, dass sich die Banken überlegen müssen, wie sie ihre Berater künftig für diese Fragen und diese weibliche Zielgruppe schulen.“

Eigenartig, dass das noch immer ein Thema ist, das man kommunizieren muss. „Gibt es eigentlich Studien dazu, wie viel Geld verloren geht für das Bankinstitut, weil der Berater nicht ausreichend ausgebildet ist? – So wie man weiss, wie viel dem Schweizer Detailhandel verloren geht, weil die Läden immer schon übereifrig um 18:25 Uhr schliessen, statt um 18:30 Uhr …?“, möchte ich wissen. Die beiden werfen sich vielsagende Blicke zu. „Sie geben uns viele Ideen für neue Projekte“, antwortet schliesslich Ana Fernandes.

Dass Handlungsbedarf besteht, wissen wir ja eigentlich nicht erst seit der Boston Consulting Group-Studie, die besagt, dass global gesehen die Finanzindustrie jener Sektor ist, in welchem die Bedürfnisse der Frauen am schlechtesten befriedigt werden. Leider war bei dieser Studie ausgerechnet die Schweiz nicht unter den untersuchten Ländern.

 

Weiterführende Informationen:
www.wirtschaft.bfh.ch (Download-Link zur englischsprachigen Studie von 2012)

 

Veröffentlicht am Juli 17, 2015

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