Es Ist der Moment

Text & Fotos: Sandra-Stella Triebl

Just in dem Moment, in dem ich diese Zeilen notiere, sitze ich auf der stolzen Insel Sri Lanka, dem ehemaligen Ceylon.

Genauer gesagt liegt ein blitzblauer Pool zu meinen Füssen, dahinter ein mattgrüner, nach Wasser dürstender Rasen mit turmhohen Palmen, die sich im Wind wiegen, und zart duftenden Frangipani-Bäumen, eine zahme Steinmauer, hinter der gelbgoldener Sand in der brütenden Hitze schmilzt. An den Strand schlagen die donnernden Wellen mit einer überbordenden Inbrunst – als hätte Goethe gerade seinen Faust vollendet. Der Himmel minzblau und wolkenlos.

 

Ach, ich möchte Ihnen so viel über Sri Lanka erzählen, dieses über weite Strecken unberührte und vom Massentourismus verschonte Land, doch gerade fehlen mir die Worte. So komme ich mir vor wie ein dreijähriges Kind, welches im Traum einen Drachen gesehen hat und schlaftrunken voller Aufregung ins Elternschlafzimmer stolpert und hyperventilierend und stotternd nach Worten sucht, die das eben Gesehene auch nur im Ansatz adäquat beschreiben würden. „Ich … da … im … habe … gross! Gesehen … Zimmer … Drache!“ Ja, so ähnlich ergeht es mir gerade. Denn manchmal kann man das Gefühl des Moments und dessen Magie, die einen so verzaubert, kaum in etwas so Banales wie Worte fassen, denn keines dieser von Menschenhand kreierten Worte scheint den Zauber des Moments erfassen zu können, ihn in seiner Essenz zu begreifen, vielmehr ist jeder nur denkbare Ausdruck reduzierend, nur im Ansatz so etwas wie richtig, meist jedoch gar: beleidigend.

 

IST MAN EINS MIT DER SCHÖPFUNG,

 

der Natur, dem Rauschen des Meeres, den Salzstangen, die in der Luft liegen, dem Flattern der Palmblätter, die wie der Flügelschlag einer Libelle klingen – wäre dieser Klang für das menschliche Ohr überhaupt wahrnehmbar –, und dieser unbeschreiblichen Stille, die gleichwohl in einen einkehrt, so weiss man, dass man der Essenz des Lebens ganz nahegekommen ist. Weil diese Essenz eigentlich keiner Beschreibung bedarf, sondern nur eines Gefühls. Und dieses Gefühl ist Stille. Sie bedeutet Verbundenheit mit allem. Es bedeutet eben nicht: Ich sitze als Krönung der Schöpfung mit meinem MacBook Air auf dem Sofa einer Villa am Strand von Induruwa, und um mich herum geschehen nette Dinge. Denn damit würde ich mich von all dieser grazilen Schönheit trennen – nicht nur in und mit Worten, sondern auch im Gefühl. Sind es nicht jene Momente, die einem so viel Kraft geben, in denen man verbunden ist mit all der Grazie, die einen gerade umgibt? Vielleicht weil man in genau diesem Augenblick ein Stückchen Ewigkeit einatmet, ein kleines bisschen Wahrhaftigkeit erspäht. Das dumme daran ist nur, dass man meist in derselben Sekunde versteht, dass nichts von Dauer ist, dass man diesen Moment wieder ziehen lassen muss. Genau das verspricht uns das Leben – nicht mehr, nicht weniger. Und das ist wundervoll so.

 

Also geniesse ich es, diese Augenblicke mit Ihnen zu teilen, so gut es mein Wortschatz eben erlaubt. Die Sri Villas, in denen wir uns gerade befinden, sind drei weiss getünchte, doppelstöckige Häuser, die von aussen betrachtet eher unspektakulär erscheinen, aber hat man erst einen Fuss hineingesetzt, weiss das Auge nicht, was es zuerst erspähen soll. Denn das Interieur ist in einem schlichten, aber bezaubernden Kolonialstil gehalten: matte Hölzer, weisse Stühle, graubeige Kissen, dazwischen Blumen, Schalen, Kerzen und ein sandfarbener Steinboden. Die Zimmer, die man hier buchen kann, sind individuell gestaltete Schmuckstücke mit viel Weiss, fliessenden Stoffen und glänzend gewienerten, beige-grauen Tadelakt-Böden. Die Dusche im Freien und mit Blick auf den zu dieser Jahreszeit meist blauen Himmel – oder die Sterne am Firmament. Jeder der drei Villen-Teile hat einen eigenen „Butler“, der einem von früh bis spät jeden Wunsch von den Augen abzulesen gewillt ist, was viel Freiraum für individuelle Wünsche lässt. Und von morgens bis abends fühlen wir uns wie „Gott in Frankreich“ zwischen frischen French Toasts mit Ananas-Papaya-Melonen-Kompott und dem berühmten Sri Lankan-Curry, welches einem in den ganzen Tisch bedecken- den kleinen Schälchen mit knusprigem Papadam oder Naan gereicht wird und welches Sie am besten mit den Händen essen: So können sie die einzelnen Currys perfekt mit dem braunen Reis vermengen und verschlingen!

 

WIR REISTEN DIESMAL ZUM ENDE DER TROCKENZEIT – sprich Mitte April – an die srilankische Westküste und waren von einer weiteren ganz banalen Tatsache begeistert: Es gab keine Mücken, keine Fliegen! Bei unserem letzten Sri-Lanka-Urlaub, Ende Oktober, gab es zwar kein einziges Gewitter und deutlich weniger drückendheisses Wetter, aber auch jede Menge Stechgetier, sodass wir keinen noch so schönen Sonnenuntergang geniessen konnten, denn kaum legte sich die Dämmerung auf die wilde, grün bewaldete Insel, waren die Moskitos wahrlich in ihrem Element. Zum Ende der Trockenzeit war es dieses Mal komplett anders – keine Panik beim Verlassen des Moskitozelts, kein wildes Um-sich-Schlagen, sondern jede Menge Entspannung – wir werden künftig keine einzige Reise mehr planen, die NICHT am Ende der Trockenzeit stattfindet.

 

APROPOS SONNENUNTERGÄNGE: Wir reisten schon an unzählige Orte auf diesem Planeten: Florida, die Vereinigten Arabischen Emirate, Südafrika, Botswana, Thailand, Indonesien … Doch niemals sahen wir dramatischere Sonnenuntergänge als hier auf Sri Lanka. Dermassen feuerrot über milchig- rosa bis violett-grau und minzblau hatten wir noch keinen Himmel bestaunt. Jeden Tag anders. Jeden Tag wunderschön.

 

Abgesehen davon ist Sri Lanka eine einzige grosse Partymeile für Surfer. Für unsereins sind die meterhohen Wellen eher Objekt der distanzierten Beobachtung aus sicherer Entfernung, und mein Meer-Erlebnis an diesem Strandabschnitt der Sri Villas war maximal das Eintunken der Zehen in die schäumende Gischt, die an den Strand gespült wird. Die hier gefährliche Unterströmung lässt einen Distanz wahren.

 

Anders, zumal tageweise, war es am Strand unseres zweiten Hotels in Induruwa – des Temple Tree Hotels. Bereits 2009 stiegen wir im Rahmen einer Rundreise in diesem, damals kuscheligen Boutique-Hotel mit zwölf Zimmern ab. Heute ist das Bauhaus-Hotel noch immer „boutiquee“ aber mit 50 Zimmern doch deutlich gewachsen. Hier steigen ein paar wenige Deutsch sprechende Touristen ab, meist jedoch einheimische Singhalesen und Tamilen, die sich während der heissen Nachmittagsstunden ins Zimmer zurückziehen und erst in den Abendstunden in Poolnähe zu entdecken waren. Da wir über Sinhalese New Year reisten (meist ab 14. April für einige Tage andauernd) war unser Temple Tree Resort restlos ausgebucht. Und dennoch hatte man nie das Gefühl, es sei unangenehm voll oder allzu laut. Übrigens: Wer sich nun denkt, dass das singhalesische Neujahr grossartig gefeiert wird und man reich dekorierte Häuser und Strassenzüge antrifft, hat weit gefehlt. Ganz im Gegenteil. Details erfuhren wir von unserem Fahrer Paddi: „Und, was macht ihr so an eurem Neujahrsfest?“ – „Wir putzen!“ – „Ach so, keine Dekoration oder so ähnlich?“ – „Nein – wir reinigen unsere Häuser und Wohnungen. Das ist bei euch in der Schweiz natürlich anders. Ihr habt jeden Tag Neujahr! Ihr putzt ja viel häufiger als wir!“ (schallendes Gelächter).

 

Generell ist die Interaktion mit den zurückhaltenden, schüchternen und immer einen Hauch imperfekten singhalesischen Hotelangestellten eine herzerfreuende Angelegenheit. Wer geschniegelten, hoch entwickelten und perfekten Service sucht, der ist auf dieser Insel wahrlich falsch. Wenn etwas fehlt – zum Beispiel eine Kerze auf dem Dinnertisch –, fragt man danach, und schon eilt aus irgendeiner Kammer ein junger Mann oder eine junge Frau beflissen herbei, dekoriert kopfnickend und ent- schuldigend den Tisch und entschwebt danach wieder auf leisen Sohlen. Generell sind die Menschen auf Sri Lanka, die uns auf dieser und den beiden vorhergehenden Reisen hierher begegneten, unheimlich liebevoll. Perfektes Englisch spricht hier kaum jemand, eher noch gutes Deutsch, denn viele waren in Deutschland oder der Schweiz im Tourismus tätig – oder in einem Blumenladen eines ehemaligen Gasts, wie uns einer der Tuk-Tuk-Fahrer stolz erzählte. Nichts ist hier so wirklich „top notch“ – perfekt –, und dennoch ist es viel reiner und wahrhaftiger als der wohl anerzogene Dienstleistungscharakter in der Hotellerie vieler westlicher Länder. Mag daran liegen, dass es hier keine Touristenströme gibt wie anderswo. Noch kann man Sri Lanka also geniessen – sei es, so wie wir es diesmal getan haben, an einem der unverbrauchten Strände der Westküste oder auf einer Rundreise (wunderschön sind Kandy im Herzen des Landes, Nuwara Eliya im Teeanbaugebiet, der Nationalpark Yala oder einer der unzähligen Ayurveda-Gärten, das Fort in Galle und die Buddha-Statuen von). Tja, und so schnell wird man aus der Magie des Moments heraus wieder in die westliche Welt gesogen, wie durch ein Wurmloch: Denn die Autokorrektur veränderte mir meine „Buddha-Statuen“ in „Burda-Statuen“ von Dambulla. Aha. Also gilt es, auch diese Reise wieder loszulassen, wohl wissend, dass viel Schönes kommen möge und dass die Momente so unvergleichlich kostbar waren, dass man sich privilegiert fühlen darf, sie erlebt zu haben.

 

EINATMEN. AUSATMEN. Der Regen des Nachmittags zeichnet kleine und grosse plätschernde Kreise auf die schimmernd-glänzende Oberfläche des Poolwassers, während der Himmel sich auf der einen Seite dunkel färbt, hellgelb weiterstrahlt über dem Horizont und das Meer in dunkles Grün taucht. Der Ventil ator surrt, während in der Küche das Geschirr klappert. Ein Regentropfen platscht auf meinen Laptop. Nun – höchste Zeit zu gehen!

 

 


 

Veröffentlicht am Dezember 17, 2016

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