„Venture Capital
hat sich verändert.
Das Thema Smart Money ist heute zentraler denn je.“Victoria Lietha
VC Investment Director
Venture Capital (VC) spielt eine zentrale Rolle, wenn es um wirtschaftliche Dynamik und Innovationskraft geht. In der Schweiz, einem Land mit hoher Innovationsdichte, ist VC ein entscheidender Motor für die Transformation von Ideen in marktfähige Produkte. Laut einer Studie von EY erhielten 2024 allerdings nur vier Prozent der Start-ups mit rein weiblichen Gründungsteams Risikokapital, was lediglich einem Prozent des gesamten investierten Kapitals entspricht. Diese Diskrepanz wird durch strukturelle Faktoren verstärkt. So sind laut einer Studie von All Raise nur zwölf Prozent der Entscheidungsträger in VC-Firmen Frauen. Diese Unterrepräsentation könne dazu beitragen, dass Investoren möglicherweise unbewusst Gründer bevorzugen, mit denen sie sich stärker identifizieren.
Dabei zeigen Studien: Diversität zahlt sich aus. Laut der Boston Consulting Group erwirtschaften von Frauen gegründete Start-ups im Schnitt 78 Cent Umsatz pro investiertem Dollar – bei männlich geführten Unternehmen sind es lediglich 31 Cent. Zudem investieren Frauen häufiger in nachhaltige und gesellschaftlich relevante Projekte, was langfristig stabile Renditen verspricht, so unter anderem das Urteil der Bank Lombard Odier, die gleichzeitig für mehr Frauen im Venture Capital plädiert.
Die Förderung von Diversität in der VC-Branche ist daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor, moniert nicht nur „Forbes“ hierzulande. Wir fragen nach. Bei der 39-jährigen Victoria Lietha, Investment Director bei Swisscom Ventures. Seit zwei Jahren fokussiert sie sich auf Investments in den Bereichen Deep Tech und B2B-Software-Lösungen und finanziert mitunter eines der vielversprechenden Start-ups der Schweiz – Kyan Health. Doch dazu später mehr.
Wie kommt eine junge Frau mit einem Bachelor in Business Administration und einem zweiten in International Affairs dazu, eine Venture Capitalist für Swisscom Ventures zu werden? – „Wenn ich mich umschaue, sind die Wege ins Venture Capital sehr unterschiedlich. Einen klassischen Ausbildungsweg gibt es nicht“, sagt Victoria. Sie folgte stattdessen konsequent ihren Interessen: „Ich wollte nach dem Studium in einem globalen Unternehmen arbeiten, das Innovation und zukunftsweisende Märkte in den Fokus stellt – so bin ich auf die ABB gestossen.“ Begonnen hat ihre Karriere also beim Industriekonzern ABB in der strategischen Unternehmenskommunikation – geplant waren ursprünglich sechs Monate, geblieben ist sie über zehn Jahre. „So viel zum Thema Masterplan und Karriere“, sagt Victoria schmunzelnd. Bei ABB boten sich ihr vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten: von der Finanzkommunikation über Content Marketing bis hin zur Gestaltung digitaler Plattformen. Später übernahm sie die Verantwortung für bestimmte Innovationspartnerschaften und war in zentrale strategische Initiativen eingebunden – unter anderem bei der Einführung der neuen Unternehmensstrategie. „Ich bekam die Chance, bei einem grossen Unternehmen in Prozesse der Organisationsentwicklung einzutauchen – von der strategischen Ausrichtung über die interne Verankerung bis zur praktischen Umsetzung. Diese Erfahrungen haben mir natürlich ein spannendes und breites Wissen vermittelt“, so die junge VC bescheiden. In einem dieser strategischen Projekte kam sie erstmals in Kontakt mit ABB Technology Ventures, dem strategischen VC-Team der ABB. „Mir war sofort klar, dass ich in diesen Bereich wollte. Der Fokus auf Technologien, die echten Mehrwert schaffen, und die Zusammenarbeit mit visionären, engagierten Gründern haben mich begeistert“, erinnert sich Victoria. Zunächst unterstützte sie bei ABB Technology Ventures Portfoliounternehmen strategisch bei der Realisierung von Unternehmenszielen. Gleichzeitig baute sie die Beziehungen zu externen Partnern im Innovationsökosystem aus – darunter auch VC Fonds. Letzteres führte dazu, dass sie in einige dieser VC Fonds investierte. Direkte Investments in Start-ups waren ein weiterer logischer Schritt. „So bin ich auf die Investmentseite gekommen.“ Obwohl die Karriere als VC also nicht geplant und orchestriert war, ist ihr Werdegang absolut beeindruckend. Auf diesem Weg wurde sie auch von Mentoren unterstützt – insbesondere auch von Frauen, die sie inspiriert und gefördert haben. „Ich habe gelernt, wie viel es bewirken kann, wenn man von anderen bestärkt und ermutigt wird. Das versuche ich heute auch weiterzugeben.“
2017 verbrachte Victoria Zeit im Silicon Valley – ein Aufenthalt, der sie nachhaltig prägte. Die enorme Geschwindigkeit, mit der dort Innovationen vorangetrieben werden, und die ausgeprägte Risikobereitschaft haben sie tief beeindruckt. „Mir war damals klar, dass auch Europa – und insbesondere auch die Schweiz – das Potenzial hat, ein globaler Innovations-Hub zu werden“, sagt sie. Mit der ETH Zürich und der EPFL Lausanne liegen zwei der führenden technischen Hochschulen in unmittelbarer Nähe – beste Voraussetzungen also. „Was uns hier noch fehlt, ist ausreichend Wachstumskapital. In diesem Bereich sind uns die USA noch einen grossen Schritt voraus.“ Schön findet sie es auch, zu beobachten, wie ein positiver Kreislauf die Entwicklung des Ökosystems beschleunigt: Erfolgreiche Gründer sowie ehemalige Mitarbeitende gründen erneut Unternehmen und werden zu Serial Entrepreneurs, treten als Angel-Investoren auf und stärken durch ihre Vorbildfunktion das Start-up-Umfeld nachhaltig. Vor rund zwei Jahren wurde auch Swisscom Ventures auf Victoria aufmerksam. „Mich hat vor allem die Mission überzeugt“, erzählt sie. „Swisscom Ventures sieht sich auch in der Rolle, die Schweiz zu einem global führenden Standort für Deep Tech zu entwickeln – das hat mich sofort angesprochen. Ich komme von der Technologieseite, das war für mich ein echter ,Jackpot‘.“
Wie wirkt sich die aktuelle geopolitische Lage auf das Venture-Capital-Umfeld aus? Victoria ordnet auch dies gekonnt und diplomatisch ein: „Wie in jedem anderen Bereich bewegen auch wir uns im Spannungsfeld geopolitischer und wirtschaftlicher Entwicklungen. Was klar ist: Unsicherheiten führen dazu, dass man Risiken und Rahmenbedingungen neu bewertet und genauer hinschaut.“ Ein zentrales Ziel im Venture Capital ist der sogenannte Exit – also der Moment, in dem ein Start-up verkauft wird oder an die Börse geht. „Im aktuellen Marktumfeld sind solche Exits teilweise schwieriger geworden“, erklärt Victoria. „Die Börsen zeigen sich volatil, und Unternehmen sind bei Unternehmenszukäufen vorsichtiger.“ Es gäbe aber auch enorme Chancen. Der verstärkte Fokus auf Deep Tech für mehr Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Europa beispielsweise bedeutet für Start-ups in dem Bereich besseren Zugang zu Förderung und ein innovationsfreundlicheres Umfeld.
Venture Capital hat sich verändert, so Victoria. „Das Thema Smart Money ist heute zentraler denn je. Das bedeutet, dass man als Investor nicht nur finanziell, sondern auch strategisch einen Mehrwert bietet. Ich investiere also als langfristiger Partner für unsere Gründer und ihre Teams, indem ich Know-how und Netzwerk biete, nicht nur Finanzierung.“
Das erste Investment als VC bei Swisscom Ventures war für Victoria ein Spin-off der Universität Bern namens Spacetek, welches mit seinen Instrumenten die Echtzeit-Gasanalyse, vor allem in der Halbleiterfertigung, ermöglicht. Sie beeindruckt mich mit ihrer Gabe, mir die technologischen Hintergründe in Windeseile erklären zu können. Besonders stolz ist sie auch auf ihr jüngstes Investment, Kyan Health: „Das ist eine KI-gestützte Lösung für mentale Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Es ist eine Kombination einer Plattform, die einerseits über eine App personalisierte Unterstützung für Mitarbeitende bereitstellt, absolut anonym und in über 50 Sprachen. Andererseits generiert die Plattform datengestützte organisatorische Einblicke und Handlungsempfehlungen zum Beispiel für Personal- oder HSE-Abteilungen.“ Auch bei Kyan Health ist Victorias Begeisterung spürbar, und man kann erahnen, dass es der VC um mehr geht als um reine Finanzierungsmodelle. Sie möchte etwas verändern durch ihre Investments und steht ihren Start-ups mit voller Überzeugung zur Seite. Als ich sie frage, ob der Einsatz einer künstlichen Intelligenz im Bereich mentaler Gesundheit wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, beginnen wir eine faszinierende Diskussion über den Einsatz von KI, deren Grenzen und wo der Mensch im Zentrum stehen muss – vor allem wenn es um unsere Gesundheit geht. Das sei insbesondere bei diesem Start-up gegeben, so Victoria überzeugend. Was mich an diesem Gespräch absolut fasziniert hat, ist das tiefe Verständnis und Know-how, welches Victoria für ihre Investments vorweisen kann, und wie sehr sie für die finanzierten Start-ups brennt.
Manchmal beschleicht einen bei der medialen Berichterstattung über „die Venture Capitalists“ das Gefühl, es ginge schlicht und ergreifend primär um Geldvermehrung. Nach diesem Gespräch mit Victoria weiss ich: Es geht definitiv auch darum, Dinge besser zu machen auf dieser Welt, auch wenn das in diesem Zusammenhang naiv klingen mag. Möge es noch ganz viele VCs wie Victoria geben, denen Innovationskraft, die Stärkung des Standorts Schweiz, das Wohl der Gründerteams, aber auch das Wahrnehmen von sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, die mit so viel finanziellem Engagement einhergeht, derart am Herzen liegen.
Hintergrundwissen
Venture Capital, auf Deutsch Risikokapital oder Wagniskapital, meint eine gewisse Form des Private Equity,
bei der Investoren Kapital in junge, innovative und meist nicht börsennotierte Unternehmen, vor allem Start-ups, investieren. Diese Investitionen sind risikoreicher, aber auch mit dem Potenzial für hohe Renditen verbunden.
Venture-Capital-Investoren sind meist spezielle Gesellschaften oder Fonds,
es können aber auch Einzelpersonen oder andere Finanzinstitute als VCs agieren.
Über Swisscom Ventures
Swisscom Ventures investiert in Minderheitsbeteiligungen an Schweizer und internationalen Start-ups. Dabei legt Swisscom Ventures nicht nur Geld von Swisscom an, sondern auch von zwei Fonds mit institutionellen Anlegern mit einem Gesamtvolumen von über 600 Million Schweizer Franken. Seit 2007 hat Swisscom Ventures in über 90 Start-up-Unternehmen investiert und konnte fast 40 dieser Beteiligungen nach durchschnittlich sechs Jahren gewinnbringend veräußern. Das Investmentteam arbeitet eng mit den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Swisscom-Geschäftsbereichen zusammen und stützt sich dabei auf die führende Marktkompetenz der Swisscom im Bereich der digitalen Transformation.