Jamie Vrijhof-Droese
Managing Partner, WHVP
Vermögensverwalterin und Vorstandsmitglied des Verbands Schweizerischer Vermögensverwalters
Hauptindikator für Erfolg
Als Leader:innen sind wir aktuell mehr gefordert denn je. Weshalb könnten eine Transformation hin zu einer empathischeren Leadership und der Einsatz unserer emotionalen Intelligenz ein wahrer Gamechanger sein in diesen Zeiten?
Die letzten zwei Jahre haben unsere Welt auf den Kopf gestellt. Ängste und konstante Veränderungen waren tägliche Begleiter. Zusätzlich wird durch Homeoffice die Abgrenzung zur Arbeit für das gesamte Team zunehmend schwieriger. In solch unsicheren und turbulenten Zeiten ist es wichtiger denn je, Mitarbeitende und Kolleg:innen als ganzheitliche Menschen zu betrachten und sich für ihr Wohlbefinden einzusetzen. Ehrliches Interesse am Gegenüber sowie Empathie sind hier der Schlüssel zum Erfolg.
Es geht hier natürlich auch darum, das Richtige zu tun, man sollte dabei aber nicht aus den Augen verlieren, dass das Engagement der Mitarbeiter:innen und als Grundlage dafür emotionale Intelligenz genauso eine ökonomische Frage ist. Teammitglieder, die sich wertgeschätzt fühlen, tragen mehr zum Unternehmen bei und fallen tendenziell weniger häufig aus. Gerade in Zeiten von Homeoffice und physischer Distanz kann ein „Check-in“ zum emotionalen Wohlbefinden und Stresslevel daher einen entscheidenden Unterschied machen.
Welche Talente bräuchten Führungskräfte zurzeit, um diese Leadership-Transformation hinzukriegen?
„Self Awareness“ sowie das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Änderung im Bereich Leadership sind sicherlich die ersten Schritte. Es braucht, wie bereits erwähnt, ehrliches Interesse am Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen. Davor müssen sich Führungskräfte aber zuerst ihrer eigenen Emotionen bewusst werden. Wir müssen realisieren, was wir fühlen und weshalb. Ebenfalls wichtig ist, sich bewusst zu werden, welchen Einfluss die eigenen Emotionen auf andere haben.
Danach sind Authentizität gefragt und die Offenheit, über eigene Emotionen zu sprechen. Das kann am Anfang herausfordernd sein, ist aber essenziell, um sich mit den Emotionen des Teams zu verbinden. Führungskräfte müssen auch lernen, besser zuzuhören und präsenter zu sein. Sie sollten eine Unternehmenskultur schaffen, in der auch über private Erfolge und Herausforderungen gesprochen werden kann und Mitarbeitende nicht als eindimensionale Leistungsbringer gesehen werden.
Wie kann man sich in emotionaler Intelligenz üben?
Emotionale Intelligenz ist eine Fähigkeit, die man fortlaufend ausbauen und perfektionieren kann. Sich aktiv Zeit für Selbstreflexion zu nehmen ist ein guter Anfang. Um andere Leute zu unterstützen, muss ich die emotionale Kapazität haben, mich der Bedürfnisse meiner Mitmenschen anzunehmen. Dazu braucht es eine Routine, um sich mit den eigenen Emotionen zu verbinden. Was es ebenfalls braucht, sind Optimismus und Geduld. Veränderungen finden im Normalfall nicht über Nacht statt, sondern sind Prozesse, die sich über längere Zeit hinstrecken.
Was rate ich anderen Leader:innen?
Beginne, Situationen und Menschen aktiv zu beobachten. Beweg dich weg von „Small Talk“ und fang an, mehr ernsthafte Gespräche zu führen. Es braucht Mut, mehr über eigene Ängste und Versagen zu sprechen, aber dafür es macht dich automatisch ehrlicher und authentischer. Hol dir Feedback von Familie, Freunden und Teammitgliedern. Fang an, anderen Menschen zuzuhören, ohne ihnen direkt eine Lösung für ihre Situation präsentieren zu wollen. Setz dich mehr mit dir selbst auseinander. Was sind deine Stärken und Schwächen? Was gibt dir Energie, und was raubt sie dir? Je besser du dich selbst kennenlernst, desto besser wirst du andere Menschen verstehen lernen.
Mein Fazit:
Emotionen sind Teil der menschlichen Erfahrung. Es gibt weder gute noch schlechte Emotionen. Sie sind schlicht Signale, die uns helfen, die Welt um uns herum besser zu verstehen und zu ordnen. Sie sollten wertneutral akzeptiert werden, wie wir sie eben empfinden.
Wir alle sind auf einem Weg und sollten besser darin werden, unsere Emotionen ehrlich mit anderen zu teilen. Das Schöne daran ist, dass ein hohes Mass an emotionaler Intelligenz ein Hauptindikator für Erfolg und im Gegensatz zum klassischen IQ erlernbar ist und fortlaufend verbessert und ausgebaut werden kann.
Weitere Foto-Interviews in der Serie „Emotionale Intelligenz“: