Die Welt Des Grappa

Text: Anna und Dieter Messmer
Fotos: Press

DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DER SABINA MARZADRO (DISITILLERIA MARZADRO) UND ITALIENS VORZEIGE - UND PIONIERUNTERNEHMUNG IN PUNCTO UMWELTSCHUTZ & ÖKOLOGIE (DISTILLERIA LUIGI FRANCOLI).

Grappa – der Arme-Bauern-Schnaps! Das einstige raue Destillat Italiens, bekannt und gefürchtet seines kratzigen und alkoholischen Charakters wegen – kein Gaumenschmeichler, sondern ein „Feger“, der alle anderen Aromen im Keim erstickt. Hergestellt aus dem letzten, übriggebliebenen Rest der Weinherstellung. Traubensaft ist keiner mehr drin, dafür einzig ein bis auf den letzten Tropfen ausgepresster Trester, voller Traubenhäute und -kerne, Blätter und Stiele. Mit dem unglaublichen Aufschwung des Grappa in den letzten 25 Jahren geraten die schweren Zeiten dieses „Restdestillates“ fast in Vergessenheit. obwohl Grappa als AoCProdukt (Appellation d’origine Controlée) in seinem Ursprung geschützt und, zumindest bei uns, heute in jedermanns Munde ist, erstreckt sich dessen Bekanntheit und Konsum derzeit nur auf wenige Länder, namentlich Italien (als wichtigster Heimmarkt), Schweiz, Deutschland und österreich. Alle übrigen Länder und Märkte dieser globalisierten Welt sind für den Grappa erst im Aufbau.

Die unglaubliche Geschichte der Sabina Marzadro (Distilleria Marzadro, gegründet 1949, Nogaredo, Trentin)

In den Nachkriegsjahren war das Leben schwierig und die Armut schien ausweglos. Dieses Schicksal traf ganz Italien, aber im Trentin war die Lage besonders dramatisch. Junge Frauen aus armen Verhältnissen standen bei der wohlhabenden Gesellschaft im Dienst, fern der Heimat. Attilio Marzadro arbeitete als Landwirt. Seine Schwester Sabina konnte sich den widrigen Lebensumständen nicht entziehen und wurde als junge Frau in den Haushalt eines Abgeordneten nach Rom geschickt. Zwölf Jahre lang. Ihre Mutter war in der Heimat geblieben und arbeitete auf den Feldern. Rund um die Uhr auf den Beinen.

Doch Sabina hatte sich trotz der schweren Arbeit in Rom nicht von ihrem Traum abbringen lassen. Sie wusste, dass alle Bauern ihren eigenen Wein kelterten. Das sah man an den Bergen von Trester in den Höfen. Und dieser Wein, der so wichtig war für die ganze Familie, dieser Wein misslang des öfteren in den nicht fachgerecht eingerichteten Kellern. Der Grappa hingegen wurde niemals schlecht und verlor deshalb nie seine Beliebtheit. Es gab damals grosse und kleine Brennereien, vielleicht insgesamt dreissig im Umkreis weniger Kilometer. In Brancolino, dem 150-Seelen-Dorf Sabinas, gab es genau drei. Sie brauchte nur einen kleinen Raum im Haus und einen ort zur Lagerung des Trester. „Wir wussten nicht, von was wir leben sollten, aber Platz für den Brennkolben hatten wir, und die Lust zu arbeiten war gross.“ Die Umsetzung von Sabinas Vision einer eigenen Brennerei bedurfte ihres ganzen Mutes. Und so ging Sabina zu Arnoldi, einem bekannten Kesselschmied. „Brauchst Du einen schönen Topf für deine Polenta?“ – „Nein, einen Brennkolben“, antwortete Sabina entschlossen. Das war 1949, als die Zeiten besser wurden und der Grappa sich in den Brennblasen verflüssigte. Immer mehr Winzer lieferten ihren Trester in der aufstrebenden Brennerei ab, immer mehr Kunden klopften an die Tür. Um sich von den zahlreichen anderen Brennereien abzuheben, war Sabinas Leitmotiv: bessere Qualität! Wenn Sabina nicht in der Brennerei arbeitete, ging sie in den Wald zum Sammeln von wilden Kräutern und Beeren, die sie in ihre Grappe einlegte. Mit Unterstützung Attilios, der sich um den Vertrieb kümmerte, wuchs die Brennerei Jahr für Jahr. Die unverheiratete und kinderlose Sabina gab ihre Leidenschaft und ihr Wissen an ihre Nichten und Neffen weiter und ermöglichte so die Fortführung der traditionellen, besonderen Grappaherstellung des Hauses Marzadro. Anfang der 80er-Jahre übergab der Mitgründer Attilio Marzadro die Leitung des Unternehmens seinen Nachkommen: Anna, Stefano und Andrea Marzadro.

Die Eigenschaften, die den Trentiner Grappa so einzigartig machen, verdankt er der Natur. Die dort herrschenden grossen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht führen dazu, dass die Aromen der Trauben ausgeprägter sind als anderswo. Der Rohstoff ist schlicht, muss aber richtig behandelt werden. Nur so wird die Einzigartigkeit des Trentiner Grappas deutlich – stark im Geschmack und gleichzeitig filigran und leicht verdaulich. Nach der Destillation wird der Grappa bei Marzadro in Fässern verschiedener Grössen und Holzarten (Eiche, Akazie, Kirsche und Esche) gelagert. Dadurch entsteht mit viel Gefühl ein meisterlicher „Blend“ ohne aufdringliche Einseitigkeit. In Zusammenarbeit mit Glen Fahrn wurde vor rund drei Jahren ein Projekt zum Ausbau ihres wichtigsten Grappas, des „Le 18 Lune“, gestartet. Die erste Spezialabfüllung, „Le 18 Lune Riserva“, wurde weitere 18 Monate im Kirschholzfass ausgebaut. Entstanden ist ein einzigartiger Grappa mit delikaten und harmonischen Kirscharomen (CHF 99.00). Im September 2013 folgt die zweite Abfüllung mit 18 Monaten Ausbau in Portfässern des berühmtesten Tawny-Port-Hauses Portugals. Die Aromen des früheren 20 years old Tawny hinterlassen zarte Noten von Baumnuss, Pflaume und Feige. Eine perfekte Synthese von Grappa und Port.

Italiens Vorzeige- und Pionierunternehmung in puncto Umweltschutz und ökologie (Distilleria Luigi Francoli, gegründet 1951, Ghemme, Piemont)

 

Italien und Umweltschutz? Eine unmögliche Verbindung?

Keinesfalls! Die Destillerie wurde von Luigi Francoli 1951 in einer der bedeutendsten Weingegend des Piemonts gegründet: in Ghemme und Gattinara im nördlichen Piemont. Zu dieser Zeit waren sieben weitere Destillerien in Ghemme aktiv, keine überlebte jedoch bis heute, ausser der Destillerie Luigi Francoli. Heute wird der Betrieb von Alessandro Francoli und seinen vier Cousins geführt. Ihre Philosophie begründet sich in der Verwurzelung in der Region und ihren Traditionen. Die Firma war dennoch stets bestrebt, andere Wege zu gehen, als die, die die Tradition vorgab. Sie hatte die Vision von der ersten Co2 -neutralen Destillerie der Welt!

Man fand heraus, dass die Hitze, die beim Verbrennen des Tresters entsteht, genutzt werden kann, um nicht nur die Destillerie mit Energie zu versorgen, sondern auch um die ganze Firma mit Elektrizität zu versorgen. Doch damit nicht genug – das neueste Projekt des Unternehmens ist der Bau eines einzigartigen Bio-Energiekraftwerks auf dem Firmengelände. Dieses nutzt nicht nur den eigenen Trester, sondern auch den anderer Produzenten. Zusätzliche Biomaterialien wie Gras und Holz können in den Prozess eingebunden und verbrannt werden, um damit genug Energie für den grössten Teil der Bevölkerung rund um Ghemme zu gewinnen. Doch „nur“ mit dem Bekenntnis zur Umwelt lässt sich noch kein Grappa verkaufen. In gleichem Masse werden auch die Qualität und Einzigartigkeit der Destillate weiterentwickelt. Ganz speziell hervorzuheben sind z. B. die 1er Crus „ottantotto Barriques (Nebbiolo)“ und „L’Ambra di Moscato (Moscato d’Asti)“, beide je CHF 99.00. Diese Piemonteser Grappa-Spezialitäten verkörpern all die wundervollen Aromen der heimischen Trauben und die Einzigartigkeit des Terroirs. Komplex, konzentriert, aromaintensiv, aber zugleich charmant und perfekt in der Balance von Holz und Alkohol. Jeder einzelne Tropfen der Francoli Destillate kann aus ökologischer, ökonomischer und vor allem auch aus aromatischer Sicht mit Hochgenuss und gutem Gewissen getrunken werden. Ehrliche und authentische Destillate der absoluten Spitzenklasse!

 

Die Zukunft des Grappas und der Einfluss der Frau

Die globale Zukunft des Grappas sieht verheissungsvoll aus, wird doch dem Erfolg des grossen Vorbilds Cognac nachgeeifert (auch wenn manche Produzenten dies nicht offen zugeben). Einen der wichtigsten Erfolgsfaktoren wird die Gewinnung der Frauenherzen darstellen, die Frau als Konsumentin erhält immer stärkere Bedeutung und damit steigen auch die femininen Anforderungen an die Produkte und deren Charaktereigenschaften. Die neuen Generationen von Grappa-Produzenten binden deshalb auch immer mehr Frauen ein und sind sich ihrer Verantwortung und der Herausforderung bewusst – der Einfluss des weiblichen Geschlechts wird in den zukünftigen Destillaten unverkennbar sein. «

 

*Anna und Dieter Messmer sind Unternehmer – und Kenner edelster Destillate. Mit ihrer Firma Glen Fahrn sind sie seit Jahren erfolgreich und sorgen dafür, dass die edelsten und seltensten Spirituosen auch in der Schweiz zu finden sind. www.glenfahrn.com

Vorschau auf Ladies Drive N°23 Rochelt, die Tiroler Schnapsbrennerei – die Geschichte der wohl berühmtesten Fruchtdestillate der Welt und die grosse, süsse Welt des Ru(h)ms.

 

Veröffentlicht am August 20, 2013

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