Was wir feststellen: Eine Schere zwischen Grossunternehmen und KMUs, was den Frauenanteil anbelangt, und zwar zu Gunsten der globalen Unternehmen – sowie einen starken Trend zur Selbstständigkeit von Frauen in dieser Branche. Letzteres ist übrigens gar nicht mal eine so schlechte Idee – gemäss ASCO Studie (Vereinigung Schweizer Consultingunternehmen) hat sich der Honorarumsatz in der Schweiz in dieser Branche in den letzten zehn Jahren um eindrückliche 40 % erhöht! Und die Branche wächst nach wie vor stark – wie man aufgrund der steigenden Anzahl Neueinstellungen ablesen kann. Berater sind gefragt – vor allem in wirtschaftlich wechselhaften Zeiten. Die ASCO Marktstudie 2013 bestätigt weiter: In der Schweiz gibt es 580 Beratungsunternehmen, welche im klassischen Management Consulting tätig sind. Je grösser die Beratungsfirma, umso höhor spannenderweise ist (im Durchschnitt) der prozentuale Anteil Frauen (bei den 20 grössten 21 %; im Vergleich zu allen übrigen ca. 17 %). Bei den mittleren und kleineren Beratungsunternehmen, sprich bei Unternehmern, liegt der Frauenanteil bei 21 %.
Genaue Zahlen liegen uns zudem aus Österreich vor, wo wir weitere Parallelen zur Entwicklung in der Schweiz finden: in Österreich gibt es sage und schreibe mehr als 19’000 Unternehmensberatungsbetriebe – zwei Drittel davon Ein-Personen-Unternehmen. Ein Viertel der Mikrounternehmen Österreichs sind weiblich – genau wie in der Schweiz. Bei den Grossunternehmen liegt der Frauenanteil in Führungspositionen indes bei spärlichen 5 % (im Vergleich zu 17 % in der Schweiz), so Alfred Harl, Obmann des Fachverbandes Unternehmensberatung und IT der Wirtschaftskammer Österreich. Als wir nach einer Toplady bei den Grossunternehmen fragen, zögert man … und nennt uns schliesslich Dr. Antonella Mei-Pochtler bei der Boston Consulting Group. Ein karges Ergebnis. Harl bestätigt uns indes ebenfalls den Trend zu immer mehr selbstständigen Frauenunternehmen im Bereich Consulting auch für Österreich. In der Schweiz machen demnach mehr Frauen in dieser Branche den Weg an die Spitze als in Österreich.
Was macht aber nun die Faszination des Consultings für Frauen aus? Welchen Weg nehmen sie in dieser Branche – und ganz „gender neutral“: Welche Themen beobachten sie aktuell in der Wirtschaft? Wir haben mal bei drei der eingangs genannten Top Ladies nachgefragt: Pia Tischhauser (Boston Consulting Group), Beatrix Morath (Roland Berger Strategy Consultants) und Barbara Ofner (EY).
„Man hat ja noch nicht so viele Rollenmodelle, wo man schauen kann, wie andere Frauen ticken.” Pia Tischhauser, Partnerin The Boston Consulting Group und Mitglied im europäischen Management-Team.
„FRAUEN WÄREN EIGENTLICH EIN RIESIGER WACHSTUMSMARKT!“
Als Kind wollte sie Eiskunstläuferin werden, als Teenager Snowboardlehrerin. Bei einem Austausch auf einer australischen Farm lernt sie, wie eins zu eins mit Geld hausgehalten wird: Kann sich die Familie den Zukauf von Wasser für 2’000 Schafe leisten oder müssen die Tiere bei Dürre geschlachtet werden? Neben ihrem Faible für den angelsächsischen Raum merkt sie, dass ihr wirtschaftliches Denken Freude bereitet. Sie startet ihr Studium in Bern mit der Fächerkombination Wirtschaft und englische Linguistik und landet schliesslich als Graduate Scholar bei der renommierten MBA Schule Kellogg an der Northwestern University in Chicago, wo sie ihr Wirtschaftswissen vertieft. Dass sie dieses so richtig gut einsetzen kann, weiss man spätestens seit ihrer Berufung als Partnerin in die renommierte Boston Consulting Group vor sieben Jahren und ins Europäische Management Team zu Beginn dieses Jahres. Wir trafen die aufsehenerregende blonde Beauty Pia Tischhauser im Zürcher Office und sprachen über die Macht der Berater, Karrierechancen für Frauen – und das, was jedes Unternehmen sucht: Wachstumsmärkte.
Ladies Drive: Sie besuchten die renommiertesten MBA Schulen in Chicago. Damals war noch nicht klar, dass Sie mal in der Beraterbranche enden würden, oder?
Pia Tischhauser: Nein. Nach meinem Studium wollte ich ein PhD machen, strebte eine Professur im Bereich quantitatives Marktmanagement an. Ich wollte an eine der amerikanischen Top-Unis. Ich habe alles vorbereitet und dachte dann, es wäre womöglich sinnvoll, zuvor etwas Berufserfahrung zu sammeln. Und so habe ich mich für ein Praktikum in einer Unternehmensberatung beworben. Tja … das ist 16 Jahre her! Was mich indes noch immer an meinem Beruf fasziniert: Er ist eine ständige intellektuelle Challenge.
Wird es Ihnen langweilig, wenn Sie nicht gefordert sind?
Absolut. Sobald ich etwas im Griff habe, kommt die nächste Challenge. Ich bin nun seit sieben Jahren Partner. Ich weiss noch, als ich zwei Jahre im Partner-Status war, hat man jemanden gesucht, der für BCG in England die Versicherungsberatung ausbaut. Ich dachte mir, dass dieses Los wohl eher einem der senioreren Herren zufallen würde – doch man erwählte mich.
Das heisst, Sie haben den Bereich Insurance in England aufgebaut?
Genau. Im ersten Jahr macht man wirklich viele Cold Calls. Wir haben uns jeden Morgen hingesetzt und sind die Liste durchgegangen, wer wen anruft und was wir an Wissen beizutragen haben bei den einzelnen Kunden. Nach dem ersten Jahr will man alles hinschmeissen, weil es Zeit braucht, bis Kunden Vertrauen fassen, sich erst nach dem zweiten oder dritten Gespräch öffnen. Doch im zweiten Jahr beginnt es zu laufen und man spürt, es geht noch viel mehr! Nach vier Jahren bekamen wir einen neuen Regional Chair, der mich anrief und sagte, ich solle doch eine Führungsaufgabe wahrnehmen. Und ich sagte: Es läuft nun super – und es gefällt mir gerade so. Offenbar hatte er noch nie erlebt, dass jemand in meiner Position sich einen weiteren Karriereschritt derart besonnen überlegen wollte. Schlussendlich hat er mich überzeugt – und in der Tat: Ich lerne jeden Tag unglaublich viel Neues in der neuen Rolle.
Also musste man Sie zu Ihrem Glück zwingen?
Ja. Ich dachte, das ist zu gross für mich.
Ist diese Haltung typisch Frau?
Ist schwierig zu sagen. Ich traue mir selber zwar viel zu, aber in solchen Situationen muss ich mir schon immer einen Ruck geben. Ich hatte in meinem Leben stets gute Mentoren. An der Uni hatte ich einen Professor, der mir Chancen gab, und auch hier bei BCG fand ich meine Förderer – nicht formell – aber doch wahre Mentoren. Zudem erfahre ich viel Unterstützung von meinen Kunden, die meinen Drive schätzen.
Ist es für Sie schwer, dass Sie eine schöne, blonde, junge Frau sind in Ihrem Job?
Das ist eine gute Frage. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich im angelsächsischen Raum so viel Spass hatte. Es war stückweit einfacher, weil man sich dort bereits an Frauen in Top-Positionen gewöhnt hat. Und ich muss sagen, dass ich auf Kundenseite mit vielen erfolgreichen Frauen zusammenarbeiten durfte, hat auch mein Selbstbewusstsein gestärkt.
Durch die Vorbildfunktion?
Ja. Man hat ja nicht so viele Rollenmodelle, wo man schauen kann, wie andere Frauen ticken. Und viele dieser angelsächsischen Frauen haben das mit grosser Selbstverständlichkeit gemacht. Mittlerweile finde ich das sehr amüsant. Ich geniese den Moment durchaus (lacht). Dass eine Frau Chefin ist, ist nicht der Normalfall. Und man ist hierzulande geneigt, schnell in Stereotype zu verfallen. Entweder ist man das Power-House oder die Iron Lady. Mir war indes stets wichtig, dass man mich als Kompetenzperson und für meine Expertise schätzt. Und ich gebe gern zu, dass ich den Drang habe, mir selbst zu beweisen, zu zeigen, dass ich in der Versicherungsbranche inhaltlich weltweit zu den Besten gehöre. Nur: Wer zu den Besten gehören will, muss härter arbeiten als die anderen – unabhängig vom Geschlecht. Ich tue sehr viel , um immer auf dem neuesten Wissensstand zu sein. Nur so kann ich auch innovativ sein.
Sind die Karrierechancen für Frauen eigentlich besonders gut im Consulting Bereich?
Einer der Gründe, weshalb ich immer noch bei BCG bin, ist die extreme Transparenz der eigenen Leistung. Man ist messbar. Obwohl man in einem Team arbeitet, ist die Leistung des Einzelnen klar ersichtlich. Diese Transparenz hilft. Ich sehe auch in unserer Unternehmung viele grossartige Frauen, die sehr bescheiden auftreten, aber unglaublich viel leisten, und die man immer wieder daran erinnern muss, wie gut sie sind. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Diese Transparenz ist für jede Karriere hilfreich.
In der Consulting-Branche muss man ja gut zuhören können …
Das ist eigentlich das Wichtigste! Es ist das A und O, um im Consulting erfolgreich zu sein. Und da erlebe ich, dass Frauen sich viel stärker zurücknehmen können, was eine wunderbare Eigenschaft ist in diesem Zusammenhang, denn es ist das, was für Berater wichtig ist: im Hintergrund zu arbeiten. Diese Branche ist nichts für jemanden, der das Rampenlicht sucht. Ich erinnere mich gut an meine Anfangszeit bei BCG: Ich hab für einen CEO eine Medienkonferenz ausgerichtet, wo eine neue Strategie und Organisation präsentiert wurden. Er stellte die Inhalte seinen 3’000 Mitarbeitern vor und ich sass wie ein Mäuschen im Hintergrund, wusste, dass ich das für und mit ihm entwickelt hatte, jede kleine Fussnote, jedes Detail seiner Präsentation. Sein Auftritt war solch ein Erfolg, dass es mich für alles entschädigte, obwohl ich keinen Dank dafür erhielt. Und für mich war fortan klar, was der wahre Erfolg für mich als Beraterin sein würde: Wenn ein Kunde meine Arbeit so verinnerlicht hat, als stammte sie aus seiner Feder.
Wie viele Frauen auf Ihrer Stufe gibt es bei BCG weltweit?
Wir sind 80 Frauen auf Partnerstufe – von knapp 800 gesamt. Das sind 10 %. Als wir uns das letzte Mal zu einem Vortrag von Hillary Clinton trafen, habe ich in die Runde geblickt, die bunt gemischt war, und dachte mir einfach nur: Das ist so ein grosser Pool von Energie! Der Austausch unter uns Frauen, auch mit Kolleginnen aus anderen Stufen, ist unglaublich inspirierend.
Und wie war Hillary Clinton für Sie?
Ich war sehr beeindruckt! Ihre Präsenz faszinierte mich. Sie strahlte eine unglaubliche Ruhe aus. Es gibt wenig Redner, die Dinge klar, prägnant und so brillant und intelligent auf den Punkt bringen können wie sie. Es ging um Syrien, um komplexe Themen – interessanterweise kann ich mich noch heute an ihre Antworten an das Publikum erinnern. Für mich ist sie das perfekte Role Model.
Sie treffen also in Ihrem Job Menschen wie Hillary Clinton, beraten CEOs in Strategien – wie viel Macht und Einfluss haben Sie eigentlich?
Es gibt mehrere Arten von Beratungen und wie man sich als Berater versteht. Wie der Name sagt, ist ein Berater jemand, der Transparenz aufzeigt, der Lösungswege zusammen mit dem Kunden erarbeitet und Optionen entwickelt, mit Vor- und Nachteilen. Wenn man nun Zukunftsprognosen erstellen muss, birgt das durchaus Einschätzungsgefahren. Aber man setzt sehr wohl Leitplanken, wenn ich auch betonen möchte, dass wir stets Optionen anbieten. Die Gefahr besteht dann, wenn ein Kunde sich nicht entscheiden kann. Ein Mittelding, ein Kompromiss ist nach meiner Erfahrung häufig nicht der beste Weg für ein Unternehmen. Eben nicht das Optimum. Mein Glück ist es, auch bei der Implementierung dabei sein zu können, und ich schätze es, zu vielen CEOs eine wirklich langfristige Beziehung zu pflegen. Nun, wenn Sie nach Einfluss und Macht fragen: Da wir dazu gerufen werden, um Veränderungen herbeizuführen, haben wir eine gewisse Macht. Wir führen ja auch Entscheidungen her. Etwas, das ich persönlich wie angesprochen sehr wichtig finde – manchmal muss man das Management zu eimen eindeutigen Votum ermutigen. Die Gefahr von Machtmissbrauch ist meines Erachtens gering. Selten ruft ein Verwaltungsratspräsident und sagt: Macht mal eine Strategie im stillen Kämmerlein. Wir arbeiten in Teams mit den Kunden zusammen.
Wie definieren Sie selbst Ihre Rolle?
Wir sind so etwas wie Heinzelmännchen. Wir können uns vieler Dinge annehmen, für welche das operativ eingebundene Management kaum Zeit findet. Den Vorteil als Frau in dieser Rolle sehe ich übrigens durchaus. Und zwar darin, dass man bei einem Gespräch mit den meist männlichen CEOs und Geschäftsleitungsmitgliedern nicht in einen klassischen Konkurrenzkampf verfällt.
Nimmt man als Mann in einer Spitzenposition Kritik von einer Frau also ein bisschen besser an?
Ich versuche nie Kritik zu formulieren. Sondern immer Chancen. Und ich habe durchaus manchmal das Gefühl, Mann ist offener, sich dies anzuhören, wenn der Input von einer Frau kommt.
Welchen Herausforderungen begegnet Ihr Unternehmen bei den Kunden derzeit am häufigsten?
Das grosse Thema ist das Finden von profitablen Wachstumsmöglichkeiten. Es ist für die Schweizer Wirtschaft enorm wichtig, im In- und Ausland profitabel wachsen zu können. Aber auch sich richtig zu positionieren und gegenüber Mitbewerbern zu differenzieren ist ein grosses und wichtiges Thema. Und dann gibt es parallel dazu natürlich sehr viele Fragen, die mit der Finanzkrise zusammenhängen. Wie stellt man sich als Unternehmen bestmöglich auf? Für meinen Bereich der Versicherungen heisst dies konkret: Im herrschenden Tiefzinsszenario gibt es unglaubliche Herausforderungen für Versicherer im Hinblick auf Garantien für Lebensversicherungsprodukte. Also muss man sich fragen, welche innovativen, neuen Produkte gibt es denn – mit weniger Kapitalbedarf. Oder auch: Was heisst Big Data? Was bedeutet Digitalisierung für den Versicherer? Was sind die richtigen Geschäftsmodelle für die Zukunft? Ein weiterer Themenbereich ist die Effizienz, wobei ich mehr Wert auf Produktivität lege: Es geht nicht nur darum, was effizient ist, sondern wie man die Mitarbeiter dazu bringen kann, möglichst produktiv ihre Leistung zu erbringen. Das geht nur dann, wenn die Strategie, die ein Unternehmen hat, stimmig ist und kommuniziert wird –sprich, die Mitarbeiter mit einbezieht.
Sie sehen in unglaublich viele Unternehmen rein in Ihrer Position. Können Sie Erfolgsfaktoren nennen, die allen gemein sind?
Die Unternehmen, die ich sehe, sind erfolgreich, weil sie in der Lage sind, sich klar zu fokussieren.
Darf man also nicht „too many eggs in the fire“ haben?
Ja. Und man muss die Strategie konsequent durchführen und umsetzen, das braucht seine Zeit. Langfristige Ziele verfolgen und diese kommunizieren und entsprechend auch die Incentives der Mitarbeiter darauf abstimmen. Das Ganze muss kongruent sein. Und ganz wichtig finde ich eine gewisse Konstanz im Managementteam.
Mehr als drei Jahre?
Genau, mehr als drei Jahre. Strategieumsetzung dauert länger als drei Jahre. Die Konstanz ist wichtig und die Sicherstellung, die Mitarbeiter bei der Umsetzung hinter sich zu haben. Damit meine ich aber nicht, dass man eine Strategie stur und starr umsetzen soll – sondern darauf achten, wie man sich einem veränderten Umfeld anpassen kann, welche Weichen neu gestellt werden müssen. Zudem ist wichtig, Endkunden bei solchen Prozessen zu berücksichtigen: Die Impulse seitens Kunde sind zentral, und auch er muss eine veränderte Strategie verstehen. Nicht im Head Office, sondern im Markt wird über den Erfolg entschieden.
Es gibt eine BCG Studie, die besagt, wenn man Frauen mit adäquaten Produkten und Dienstleistungen ansprechen würde, hätte man einen grösseren Wachstumsmarkt als China und Indien zusammen. Und in Zeiten, wo wir alle nach Wachstumsmärkten suchen, wären Frauen da nicht der Wachstumsmarkt Nummer 1?
Ja, absolut. Das gilt für Frauen wie für Männer – man muss die jeweiligen Bedürfnisse verstehen. Entsprechend diesen Bedürfnissen muss man Produkte und Dienstleistungen entwickeln und vertreiben. Dabei gilt aber auch zu beachten, dass der Absatzmarkt nur dann existiert, wenn Frauen auch die Mittel haben, um diese Dienstleistung oder das Produkt zu kaufen. Unterm Strich heisst dies: Wenn es uns gelingt, die gut gebildeten Frauen, die seit 2008 ohnehin die Mehrheit der Universitätsabgänger ausmachen, im Arbeitsprozess zu halten, stehen wir vor einem unglaublichen Wirtschaftsmotor und die Unternehmen werden sich noch stärker anpassen müssen.
Da müssten Sie wohl noch den einen oder anderen Ihrer Kunden überzeugen …
Ja. Aber es hat sich in kurzer Zeit viel getan. Ich erinnere mich an die erste BCG Beraterin, Sandy Moose, die 1972 bei uns angefangen hat. Sie berichtete mir, dass Frauen im board room damals nicht zugelassen waren, wohl bemerkt in den USA! Ich hatte vor Kurzem ein Projekt in Saudi-Arabien, wo es auf der Managementetage noch keine Toilette für Frauen gab. Also hat man extra für die Dauer meines Aufenthaltes ein Schild an einer der Türen angebracht, wo draufstand „Miss Tischhauser“ (lacht). In 50 Jahren können wir über diese Dinge hoffentlich nur noch lachen. Dennoch denke ich, wir haben noch einen weiten Weg zu gehen.
Kann man das sinnvoll beschleunigen aus Ihrer Sicht?
Auf jeden Fall! Wir müssen von dem Stigma wegkommen, dass berufstätige Frauen Rabenmütter sind. Aber auch strukturelle Veränderungen sind vor allem in der Schweiz vonnöten – Stichwort Öffnungszeiten der Kinderkrippen und Angebote entsprechender Jobs für Frauen. Das wäre ein Anfang … und Ehemänner, die ihre Frauen ermutigen, im Erwerbsleben zu bleiben und stolz auf deren Erfolge sind.
Weiterführende Informationen:
www.bcg.ch
www.bcgperspectives.com
www.womenwantmorethebook.com
„UNSERE DAUERTHEMEN SIND KOSTENSENKUNG UND EFFIZIENZSTEIGERUNG.“
Beatrix Morath arbeitet seit 1997 bei Roland Berger und hat den Aufbau des Schweizer Büros von Beginn an wesentlich mit gestaltet. Heute leitet sie Roland Berger Strategy Consultants in der Schweiz und betreut Klienten aus einer Vielzahl von Branchen. Ihre Schwerpunkte liegen unter anderem im Bereich Strategie und Restrukturierung. Sie ist Mitglied im Advisory Board des Instituts für Volkswirtschaftslehre (Department of Economics) an der Universität Zürich. Ausserdem engagiert sie sich im Rahmen der Lead Partnerschaft von Roland Berger mit den Young Global Leaders (YGL) des World Economic Forum (WEF) weltweit für verschiedene soziale Initiativen. Vor ihrem Einstieg in die Beratung war Beatrix Morath vier Jahre im Corporate Banking für die Deutsche Bank tätig, wo sie vor allem Unternehmen in der Sanierungsphase betreute.
„COPY PASTE“ EXISTIERT IN UNSERER BRANCHE NICHT“
Beatrix Morath steht seit zwei Jahren an der Spitze von Roland Berger Strategy Consultants in der Schweiz – und damit ist sie eine der „grandes dames“ der Consultingbranche. Die heute 45-Jährige, die u. a. seit 2012 auch dem Verwaltungsrat der Modegruppe Schild angehört, wurde bereits im Alter von 33 Jahren zur Partnerin befördert. Wir treffen die smarte Schönheit mit der warmherzigen Ausstrahlung im Schweizer Headquarter in Zürich und sprechen mit ihr über den Einfluss der Consultingbranche, ihren Weg zu Roland Berger – und darüber, was Unternehmen solide und erfolgreich macht.
Ladies Drive: Frau Morath, wenn ich Sie frage, ob man als Consultant Macht und Einfluss hat, klingt das vertraut für Sie?
Beatrix Morath: einfluss hat ein Consultant sicherlich. Wir dürfen die Zukunft von Unternehmen mit gestalten. Wir sind bei entscheidenden Diskussionen in der Geschäftsleitung und im Verwaltungsrat dabei, können dort unsere Meinungen und Ansichten kundtun – und beeinflussen so auch die eine oder andere fundamentale Entscheidung.
Wie wichtig ist Ihnen in Ihrem Job, dass Sie das Gefühl haben, Sie können etwas bewegen, auf etwas Einfluss nehmen – und ich meine dies in einem ganz positiven Sinne …
Das ist mir sehr wichtig und letztlich auch das Schöne in der Strategieberatung: Wir entwickeln ja keine abstrakten Szenarien für die ferne Zukunft, sondern erarbeiten konkrete Konzepte mit unseren Klienten und setzen sie mit ihnen um. So zeigen wir zum Beispiel auf, wie ein Unternehmen im nächsten Jahr wieder Gewinne erwirtschaften und langfristig erfolgreich auf dem Markt bestehen kann. Je nach Lage geben wir unseren Klienten genaue Empfehlungen – etwa wie sie neue Märkte erschliessen oder sich organisatorisch besser aufstellen können, um ihre Strategie optimal zu verwirklichen.
Wenn wir in Ihrer Vita zurückblättern – wie kamen Sie auf Ihre Berufung?
Gute Frage! … Es ist vor allem eine Aneinanderreihung von Zufällen. Nach dem Abitur hatte ich noch keine klare Vorstellung davon, wo ich mich hin bewegen wollte. Also bin ich dem Rat meiner Mutter gefolgt und habe zunächst eine Banklehre absolviert. Dort habe ich festgestellt, dass mir die Welt der Wirtschaft Spass macht. Die Lehre hat mir geholfen, mein späteres Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Aussenwirtschaft auszuwählen und auch zu finanzieren. Dadurch konnte ich sehr konzentriert studieren. Entsprechend begann meine Berufskarriere nach dem Studium im Bankbereich – hier fühlte ich mich sehr wohl. Danach erhielt ich die ausserordentliche Chance, noch während meiner Tätigkeit bei der Bank ein Praktikum bei der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants zu absolvieren. Und hier stellte ich fest, dass diese Branche mir genauso viel Spass macht und eine sehr grosse Weiterentwicklungschance für mich sein kann. Mein damaliger Chef unterstützte mich bei diesem Schritt und so kam der Wechsel zustande.
Welchem Themenbereich haben Sie sich bei Ihrem Einstieg gewidmet?
Dem Bereich Unternehmenssanierung. Denn ich war vorher bei der Deutschen Bank im „Credit Recovery” tätig. Meine Finanzierungserfahrung im Rahmen von Sanierungen konnte ich nun bei Roland Berger gut einbringen und dabei wichtige Erfahrungen in der strategischen, strukturellen und operativen Sanierung sammeln.
Was hat Sie jeweils besonders fasziniert?
Bei Sanierungen und Restrukturierungen geht es letztlich immer darum, eine Firma zu retten. Das Unternehmen befindet sich häufig in einer Situation, in der die Banken das Vertrauen verloren haben und sich überlegen, ob sie den Kunden noch weiter finanzieren wollen. Die Aufgabe der Strategieberatung ist es nun, ein Sanierungskonzept zu entwickeln, das einerseits einen nachhaltigen Turnaround der Firma ermöglicht und andererseits das Vertrauen der Banken wiederherstellt, um die weitere Finanzierung sicherzustellen. Im Rahmen dieser Projekte kann man unglaublich viel bewegen! Es ist letztlich sehr schön, wenn man drei oder vier Jahre später auf die Bilanzzahlen des Unternehmens schaut und sieht: Der Kunde hat es geschafft – das Unternehmen prosperiert wieder und der Grossteil der Mitarbeiter ist noch an Bord!
Was fasziniert Sie denn heute noch, in einer neuen Funktion, aber immer noch bei Roland Berger?
Nichts ist in der Unternehmensberatung so stetig wie der Wandel. Die Kunden, die Herausforderungen, die Teams, die eigene Rolle. Ich bin nach drei Jahren bei Roland Berger von Deutschland in die Schweiz gewechselt. Dort durfte ich den Ausbau unseres Geschäfts in der Schweiz mit gestalten. Vor drei Jahren habe ich dann das Management unserer Partnerschaft mit den Young Global Leaders des WEF zusätzlich übernommen. Heute leite ich unser Schweizer Büro und habe damit einmal mehr ein erweitertes, bereicherndes Aufgabenfeld. Und nicht zuletzt: Nach fast 16 Jahren Strategieberatung ist es immer noch faszinierend, in neue Branchen und Unternehmen einzutauchen, mit neuen Teams zusammenzuarbeiten, zu sehen, wie junge Berater sich schnell weiterentwickeln, eigenständig werden … Es macht Spass, mit hochmotivierten, sehr gut ausgebildeten Kollegen zu arbeiten. Diese Aspekte meiner täglichen Arbeit finde ich nach wie vor äusserst attraktiv!
Erlebten auch Sie den viel zitierten Kulturschock?
Ganz und gar nicht. Ich bin in Waldshut aufgewachsen (lacht). Die Schweizer Mentalität und Kultur waren mir schon immer viel näher als etwa die norddeutsche.
Waren Sie nie versucht, selbst Unternehmerin zu werden? Siewüssten ja eigentlich, wie’s geht …
Nein, ich habe nie darüber nachgedacht, ein eigenes Unternehmen aufzubauen. Das war für mich nie eine Option.
Wie definieren Sie heute Ihre Funktion?
Als Managing Partner von Roland Berger in der Schweiz führe ich den Schweizer Standort unserer Firma, akquiriere Projekte und steuere die Resultate der Projekte, die ich verantworte. Hinzu kommen administrative Aufgaben. Aber 60-70 % meiner Tätigkeit macht die Markt- und Kundenarbeit aus. Und das ist auch gut so!
Und Networking?
Ja, das gehört auch dazu.
Weil man sonst schlecht an neue Kunden kommt.
Die regelmässige Kontaktpflege mit Entscheidern ist wichtig, aber nicht das einzige Erfolgskriterium.
Sie machen Cold Calls?
Wir gehen durchaus auf Firmen zu, die mit uns noch nicht zusammengearbeitet haben, und stellen uns vor. Wir beschreiben erst mal, was unsere Unternehmung macht, welche Erfahrungen wir in der Industrie haben und was unser Blick von aussen auf diese spezielle Firma ist. So kann ein erster Dialog entstehen. Daraus entwickelt sich aber selten unmittelbar ein Projekt. Dann kommt tatsächlich dieser Netzwerk-Aspekt dazu, immer mal wieder Kontakt mit dem Kunden aufzunehmen, sich in anderen Konstellationen wieder zu treffen und so schliesslich auch empfohlen zu werden.
Was sind persönlich Ihre wichtigsten Netzwerke, die Sie für das Unternehmen nutzen können?
Vor allem die Young Global Leaders (YGL) des WEF. Wir sind als Roland Berger Lead Partner der Young Global Leaders. Von dort beziehe ich sehr viel Inspiration im breiteren Sinne, denn es ist ja eine kunterbunte Mischung aus Künstlern, Politikern, Wissenschaftern, Unternehmern und Managern.
Das heisst, eher recht elitär …?
Jein. Auch wenn die YGL handverlesen sind, so sind sie doch in erster Linie eine Gruppe von faszinierenden Persönlichkeiten. Und dann, das ist wahrscheinlich der wichtigste Teil, kommt das Netzwerk der Kunden und Ex-Kunden dazu. Unternehmensberatung ist ein personenbezogenes Geschäft, das auf Vertrauen basiert. Neben der Marke, der Firma, vertraut man einer Person. Der Pflege dieses Kunden- und Ex-Kunden-Netzwerks messe ich die weitaus grösste Bedeutung zu.
Welches sind die Erfolgsfaktoren in Ihrer Branche? Was macht einen erfolgreichen Unternehmensberater oder Unternehmensberaterin aus?
Für mich liegt der Fokus auf der Persönlichkeit, auf Integrität, Kreativität, Objektivität. Hinzu kommt das Standardwerkzeug im Segment der globalen Strategieberatung: Fach- und Branchenkenntnisse, das Wissen um gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge und Entwicklungen sowie weitreichende Projekterfahrung.
Und worin liegt die hohe Kunst in Ihrer Branche?
Analyse und Kreativität verbinden: Denn alle Unternehmen und Projekte sind verschieden, so etwas wie „Copy Paste“ existiert in unserer Branche nicht. Und es wird immer wichtiger, Konzepte zu entwickeln, die implementierbar sind, und diese Implementierung zu begleiten und mit anzutreiben. Sehen Sie: Das brillanteste Konzept ist nichts wert, wenn es nicht umgesetzt wird oder werden kann. Implementierbarkeit ist ein Erfolgsfaktor, den wir bei Roland Berger unter anderem darüber sicherstellen, dass bei uns ca. 40 % der Berater Quereinsteiger aus der Industrie sind, so wie ich. Dies hilft, Herausforderungen und Widerstände in Implementierungsprozessen zu erkennen und frühzeitig zu adressieren.
Das klingt alles nach einem sehr hohen Level – wissen Sie aber auch, wie man ein Unternehmen ohne Geld erfolgreich aufbaut?
Auch hier sammle ich gerade meine Erfahrungen. Ich bin im Board der Initiative Global Dignity (www.globaldignity.org), die von drei Young Global Leaders gegründet wurde. Die Non-Profit-Unternehmung zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche im Alter von 10-18 Jahren mit der Bedeutung von Menschenwürde vertraut und den Begriff über „Storytelling“ erlebbar zu machen. Vor dem Hintergrund der Mobbingprobleme, die mit den sozialen Netzwerken nochmals ein ganz anderes Niveau erreicht haben, halte ich unsere Initiative für ausgesprochen wichtig. Heute erreicht die Initiative pro Jahr 500’000 Kinder weltweit. Alles über freiwilliges Engagement. Das war schon ein echter Kraftakt. Nun sind wir aber auf einem Aktivitätsniveau, auf dem wir ein oder zwei Mitarbeiter brauchen, welche sich rund um die Uhr für Global Dignity einsetzen können. Und dafür suchen wir aktuell Partner.
Kein Geld zu haben macht auch unglaublich innovativ. Denn man muss die Augen ständig offenhalten, darf nie satt sein …
Nun, es wäre ohnehin angebracht, stets wachsam zu bleiben. Branchen und Märkte entwickeln sich rasant weiter. Was vor fünf oder zehn Jahren gegolten hat, gilt heute nur noch zu 60-70%.
Wie macht man ein Unternehmen solide?
Wenn Sie mich vor zehn Jahren gefragt hätten, hätte ich Ihnen ausschliesslich etwas von der richtigen Strategie, von Prozessen, Struktur, Finanzierung erzählt. Und je länger ich jetzt im Business bin, umso mehr komme ich zu dem Schluss, dass vor allem das Management-Team stimmen muss. Es muss ein Team sein, das sein Geschäft versteht, das motiviert, zusammenhält, die Mitarbeiter fördert, ein Gespür für den Markt hat, die Beziehung zu den Kunden pflegen kann. Das Top-Management muss stimmen, sonst wird der Erfolg trotz bester Strategie und Struktur auf sich warten lassen, weil bei der Umsetzung so viel schieflaufen kann…
Wie macht man ein Unternehmen innovativ?
Das ist eine wichtige Frage. Zum einen, indem man offen bleibt, sich nicht abschottet. Innovation entsteht nicht nur im Unternehmen. Der Blick in andere Branchen und andere Netzwerke, das ist ein Erfolgsfaktor! Ein zweiter ist, dass man Innovationsbudgets zur Seite legt und dann eben auch akzeptiert, dass solch ein Innovationsbudget nicht garantiert zum Erfolg führt. Dass Misserfolg ein Kernbestandteil von Innovation ist. Man muss Fehler tolerieren und damit leben können, dass nicht jeder Franken, der investiert wird, zu einem neuen Geschäft führt, das Gewinn erwirtschaftet.
Aber ist es nicht schwierig, dies Unternehmen beizubringen, die sehr klassisch und konservativ aufgebaut sind?
Oftmals ja. Ausserdem braucht es ein gewisses Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, gegebenenfalls wiederholt Geld zu investieren. Das ist eine Herausforderung. Und nie zu wissen, ob und wann sich der Erfolg tatsächlich einstellen wird.
Und immer wieder Geld bereitzustellen, gerade wenn es knapp ist, in Krisenzeiten. Spüren Sie eine Veränderung jetzt in diesen Zeiten der Krise?
Vielleicht die Gewichtung der Themen. Für viele Unternehmen ist momentan sehr relevant: Erfolg in Asien. Wie man an Märkten partizipiert, die noch wachsen, die noch nicht aufgeteilt sind. Und eine Konsequenz der Finanzkrise war ja, dass Europa und USA, die für viele Unternehmen die Kernmärkte darstellten, zum schwierigen und weniger gewinnbringenden Terrain wurden. Dazu kommt der Basistrend, die Verschiebung der Wirtschaftsmacht Richtung Asien. Daher bewegt natürlich sukzessive immer mehr Unternehmensleitungen die Frage, wie man in eben diesen Regionen erfolgreich sein kann.
Beispielsweise mittels Diversifikation – gehört das dazu?
Das gehört auch dazu, würde ich aber aus persönlicher Erfahrung weniger als echte Trendwende sehen. Unsere Dauerthemen sind Kostensenkung und Effizienzsteigerung. Sie wurd seit der Krise noch relevanter als zuvor. Vermehrt sehen wir auch Verlagerungsthemen, also Produktionsverlagerung oder Verlagerung des Back Office beispielsweise. Und dabei spricht man nicht nur darüber, nach Osteuropa zu verlagern, sondern zum Beispiel auch über Möglichkeiten, direkt nach Asien zu gehen. In dem Zusammenhang steht auch Re-Organisation vermehrt im Fokus. Denn wenn ich mehr Umsatzgewicht in anderen Regionen sehe, muss ich das in der Organisation entsprechend abbilden. Möglicherweise muss man Asien dann auch in zwei Gebiete unterteilen: China und Südostasien. Reicht es, eine Asienorganisation zu haben und damit alle Märkte von China bis Indonesien zu bedienen? Oder muss man sich kleinräumiger organisieren? Das sind dann die nachgelagerten Fragestellungen.
Wie macht man sich fit für neue, mit neue Märketen aufkommende Risiken? Ist das einfach so learning-by-doing oder informiert ihr euch über Trendbarometer, Trendforscher? Über den Global Risk Report vom WEF?
Der Global Risk Report ist ein guter Einstieg. Zum anderen haben wir u.a. in der Erstauflage mit den Young Globe Leaders das „Trendcompendium 2030“ erstellt. Also: Was sind die Megatrends, mit denen wir uns in den nächsten 15 Jahren beschäftigen sollten? Und was auch immer an Publikationen zu zukünftigen Entwicklungen verfügbar ist, fliesst letzlich in unsere Beratungsarbeit mit ein. Über diese Themen müssen wir informiert sein – und nicht nur sehen, was im nächsten Jahr passiert, sondern in den nächsten fünf oder gar zehn Jahren. Damit sind wir automatisch bei den Megatrends.
Ist der Horizont der Beratung damit größer geworden?
Eine Strategie wird normalerweise nicht im Kämmerchen erarbeitet und dann präsentiert. Strategieberatung ist ein intensiver Prozess der Entscheidungfindung, der stattfindet zwischen der Geschäftsleitung, manchmal auch unter Miteinbezug des Verwaltungsrates, und der Beratungsfirma. Wir bringen auch Erfahrungen und Kenntnisse aus anderen Branchen und Märkten mit ein und verfügen über ein grundlegendes Verständnis für das zu beratende Unternehmen. Dazu gehören etwa die Geschäftsideen und Historie einer Firma. In der gemeinsamen Diskussion entsteht dann eine Strategie. Umgesetzt wird sie nur dann, wenn das Management sie mit trägt.
Aber ihr versucht, eher langfristige Strategien zu implementieren?
Ja.
Ist das nicht manchmal schwierig, weil sich die Management-Teams im Schnitt nach drei bis vier Jahren ändern?
Auch das passiert.
Ist das häufig der Fall?
Es ist sicher häufiger der Fall als noch vor zehn Jahren. Zum einen ist die Welt kurzlebiger geworden – auch die Perioden zwischen den Krisen werden immer kürzer. Entsprechend wird eine Strategie häufiger hinterfragt beziehungsweise geändert. Aber auch die gesamtwirtschaftliche Konjunktur ist volatiler geworden. Wenn man sich alleine Deutschland vor Augen hält, ist das eindrücklich: Noch vor sieben, acht Jahren galt dieses Land als kranker Mann Europas und ist heute wieder Wirtschaftslokomotive.
Was ist denn in Deutschland Erfolgsfaktor?
Zum einen denke ich, dass hier manch langwierige Strukturreformen aufgehen, gerade auch die Agenda 2010 von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, die etwa eine gewisse Arbeitsmarktflexibilisierung beinhaltete. Und zum anderen liegt es in der DNA des Landes, mit Krisen fertig zu werden. Allerdings gibt es auch heute wieder Reformbedarf…
Aufgrund Ihres reichen Wissens um künftige Entwicklungen… wo werden wir in Europa in zehn Jahren stehen?
Ich würde es lieber andersherum formulieren: Wir dürfen uns in der Weltwirtschaft nicht abhängen lassen. Wir müssen uns auf unsere Stärken, wie z. B. unseren Mittelstand und unsere Innovationskraft, besinnen und sicherstellen, dass wir verkrustete Strukturen aufbrechen bzw. gar nicht erst entstehen lassen.
Und: Wie wichtig dürfte der Erfolgsfaktor „Frau“ in Zukunft werden? Gibt es den seit bald Jahrzehnten beschriebenen „female shift“ tatsächlich?
Aufgrund der Diskussionen um die Einführung von Quoten haben heute viel mehr Unternehmen weibliche Aufsichts- oder Verwaltungsratsmitglieder als noch vor drei Jahren. Insofern gehe ich davon aus, dass der Trend sich fortsetzt – nicht zuletzt getrieben von der schieren Notwendigkeit, zum Beispiel infolge des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels.
Wie fördern Sie bei Roland Berger Frauenkarrieren?
Die Karriere unserer Beraterinnen liegt uns sehr am Herzen, denn wir sind davon überzeugt, dass die Vielfalt in unseren Beraterteams ein sehr wichtiger Aspekt ist. Beraterinnen und Berater ergänzen sich in den Teams hervorragend und sind daher in der Lage, unseren Klienten die besten Lösungen zu bieten. Um diese Vielfalt in unserer Firma zu unterstützen, spielt das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei uns eine wichtige Rolle. So hat Roland Berger schon vor einigen Jahren flexible Teilzeitmodelle eingeführt, die es sowohl Frauen als auch Männern ermöglichen, lediglich 50 bis 80 Prozent der regulären Zeit zu arbeiten. Ausserdem können unsere Mitarbeiter gelegentlich im Home Office arbeiten. Und schliesslich unterstützen wir unsere Kollegen bei der Suche nach einer guten Kinderbetreuung. So schaffen wir es, erfahrene Beraterinnen auch nach der Geburt eines Kindes weiter im Unternehmen zu halten und ihre Karrieren zu fördern. Deshalb wurde Roland Berger für seine familienfreundliche Personalpolitik 2012 zum dritten Mal in Folge mit dem Zertifikat „Beruf und Familie“ der gemeinnützigen Hertie-Stiftung in Deutschland ausgezeichnet.
Weiterführende Informationen: www.rolandberger.ch
„DER BANKENBEREICH BEFINDET SICH IN EINEM GROSSEN WERTEWANDEL.“
Barbara Ofner ist seit Anfang Juli 2013 Topmanagerin in den Reihen von Ernst & Young AG (EY) in der Schweiz: Als neu ernannte Partnerin im Bereich FSO Legal & Compliance in Genf erfuhr ihr Weg diesen Sommer einen wahren Karrierekick. Dabei hatte sie anfänglich nach einem begonnenen Studium der Geschichte, Publizistik und Anglistik kurzentschlossen auf Jura umgesattelt. Letzteres schien ihr konkreter zu sein – und ihr bessere Karrierechancen zu eröffnen, was sich ganz offenbar bewahrheitete. Barbara Ofner über Laufbahnchancen und Zufälle, weibliche Vorbilder und die spannenden Herausforderungen im Finanzsektor.
„Es besteht eine Ungewissheit, die wir von unserer Kundenseite her sehr deutlich spüren.” Barbara Ofner, Partnerin Ernst & Young FSO Legal & Compliance.
Weshalb wurden Sie doch keine Geschichtslehrerin, Frau Ofner?
Nun, ich wollte eigenständig sein – und etwas Konkretes studieren, eine gute Ausbildung haben, die mir Freiheiten gibt mich weiterzuentwickeln, und die mir interessante Berufsperspektiven eröffnet. Jura erschien mir der passendere Weg, dies zu erreichen.
War Ihre weitere Karriere denn ebenso wohlüberlegt?
Nein, sie war eher durch Chancen und Zufälle bestimmt. Nach dem Jurastudium beschloss ich, erst mal das Anwaltspatent zu erlangen. Danach wollte ich etwas Neues sehen und bewarb mich auf eine Stellenanzeige. Man suchte eine junge Anwältin, die Deutsch- und Französischkenntnisse hatte, und so begann ich bei einer ausländischen Bankgruppe in der Schweiz im Bereich Legal & Compliance.
Und wie kamen Sie schlussendlich zu EY?
Wahrscheinlich auch ein wenig zufällig. Ich hab einen Zwischenstopp an der Universität in Toronto eingelegt, wo ich ein LL.M. erlangte, und als ich zurückkam, suchte ich einen Job. Auch hier hab ich mich wieder auf eine Annonce hin, die mir interessant und wie auf mich zugeschnitten vorkam, beworben.
Sie sind dem Bankenbereich aber indes treu geblieben – auch bei EY beraten Sie nun die Bankenwelt …?
Ja, genau.
Und wie oft müssen Sie mit Freunden oder Bekannten über die Bankenkrise sprechen?
(lacht). Ja, nach all den Schlagzeilen fragen die Leute effektiv danach, wie das alles kam, wie es mittlerweile läuft – auch in Zusammenhang mit den USA. Es sind Themen, die natürlich über die Medien auf die öffentliche Agenda geraten und Anlass zu vielseitigen Diskussionen geben. Das ist unter anderem das, was mich an meiner täglichen Arbeit fasziniert und den Reiz ausmacht: Es ändert sich alles ständig. Und man ist immer am Puls neuer Entwicklungen. Ich bin mit meinen Bankkunden in einem permanenten Austausch – derzeit wird vor allem diskutiert, wie die neuen Regeln umgesetzt werden können, und da ist es äusserst spannend, hierbei mitwirken zu können.
Wo liegen für Sie die grössten Herausforderungen in Ihrem Arbeitsumfeld mit den Banken?
Es ist ein sehr grosser Struktur- und Wertewechsel im Gange. Es besteht eine Ungewissheit, die wir von unserer Kundenseite her sehr deutlich spüren. Und es ist eine Herausforderung, hochwertige und umfassende Dienstleistungen anzubieten – bei gleichzeitig reduzierten Budgets und in diesem sich im Umbruch befindenden Umfeld. Die Banken sind stark unter Druck – und die Anforderungen an uns steigen ebenfalls.
Woran machen Sie diesen angesprochenen Struktur- und Wertewandel fest?
Vieles in dieser Branche ist öffentlicher geworden – was zu einem gewissen Grad auch gut ist. Durch die herrschende Unsicherheit tauscht man sich ebenfalls stärker aus, versucht Kosten transparenter darzustellen, legt Wert auf das reglementarische Umfeld. Den Wertewandel sehe ich insbesondere im regulatorischen Bereich. Banken müssen mehr investieren, um die Vorschriften intern umzusetzen und diese auch entsprechend zu leben.
Inwiefern ist der ganze Bereich von Kontrolle wichtiger geworden?
Auf der einen Seite erweitert sich das ganze Kontrollsystem. Man muss sehen, wo die sensitiven Bereiche liegen, welche Reglementarien es braucht, welche Kontrollen und welche Überwachungsmittel eingesetzt werden müssen. Das ist immer ein Spannungsfeld: Wie weit kann und will man kontrollieren, wie sehr darf und soll man einschränken und wie garantiert man dennoch einen wirtschaftlichen Betrieb.
Dann können Sie ja in Ihrer Funktion nun in einem sehr heiklen, sensiblem Bereich positiven Einfluss ausüben.
Vielleicht weniger persönlich. Aber durch unsere Expertise sehen wir, was auf dem Markt passiert, wer welche Schritte derzeit unternimmt. Wir fördern im Rahmen unserer Beratung beispielsweise auch den Austausch zwischen den verschiedenen Instituten und der Aufsichtsbehörde. Hier haben wir durchaus einen gewissen Einfluss.
Sagt man bei der einen Bank auch mal: du schau, bei der Konkurrenz läuft es aus diesen und jenen Gründen besser weil… läuft das so?
Namen werden natürlich keine genannt. Aber unsere Kunden erwarten auch, dass wir unsere jahrelange Erfahrung und unser Know-how einbringen. Das ist unser Mehrwert, den wir leisten. Dass wir sagen, wir haben schon etwas gesehen, aus unserer Sicht könnte man das so und so besser machen. Oder aus dem Grund ist diese Option nicht die optimale Variante. Wir können dadurch auch bewerten, Aussagen treffen, ob jemand mit den eingeleiteten Massnahmen beispielsweise über oder unter dem Durchschnitt der Branche liegt.
Holen sich die Banken gemäss Ihrer Erfahrung seit der Krise vermehrt Support über externe Berater wie Sie?
Man kann unterschiedliche Trends feststellen. Es gibt Institute, die mehr inhouse regeln und jene, die Unterstützung von aussen holen. Insbesondere bei den arbeitsintensiven regulatorischen Themen, die auf der Agenda stehen, ist es für die Kunden eine Herausforderung, diese allein mit internen Ressourcen innert nützlicher Frist zu bewältigen. Viele der Regularien sind zudem global, und zahlreiche Institute haben grosses Interesse daran, etwas Marktkonformes zu entwickeln und nicht den Alleingang zu wählen. Gerade an diesem Punkt kommt uns der Einblick in verschiedenste Institute wieder zugute.
Können Sie sagen, was ein Unternehmen erfolgreich macht?
Klar braucht es das richtige Management-Team. Hinzu kommen aber insbesondere das Vorausschauen und Antizipieren von Trends am Markt und für Banken insbesondere der rasante Anstieg im Tempo des regulatorischen Wandels und das geänderte politische Umfeld. Die Branche konnte sich lange gewissen Dingen entziehen. Entsprechend ist das Management heute anders gefordert als noch vor Jahren.
Wie „einsam“ sind Sie eigentlich in der Teppichetage von EY?
Heute stelle ich fest, dass bei den jüngeren Leuten, die anfangen, eine sehr gute Durchmischung der Geschlechter herrscht. Je höher in der Hierarchie, desto weniger Frauen hat es indes. Und vor allem im Financial Services Bereich, wo ich arbeite, bin ich die einzige Partnerin.
Nicht, dass ich Sie als Opfer darstellen möchte, aber fühlt man sich da nicht manchmal alleine, oder spielt das keine Rolle?
Ich glaube, wenn man die Zahlenverhältnisse anschaut, dann ja. Im Legal & Compliance Bereich sind aber relativ viele Frauen tätig, aber wenige an der Spitze.
Wie kann man das ändern – oder anders gefragt: Muss man es ändern?
Das muss man sicher ändern. Ich habe aber leider noch kein Erfolgsrezept. Vorbilder zu schaffen, kann vieles ändern. Oder durch Normalität und Akzeptanz, damit kann man ebenso viel erreichen.
Es gibt eine spannende Beobachtung einer Autorin, die anonym ein Buch über Frauen im Topmanagement geschrieben hat. Ich möchte sie wie folgt zitieren: Je höher ein Mann in der Hierarchie nach oben steigt, desto mehr kann er seine Männlichkeit vergrössern. Je mehr aber eine Frau an die Spitze kommt, desto weniger darf sie Frau sein. Beobachten Sie das auch?
Es ist eine zwiespältige Angelegenheit. Ich hoffe, dass das in dieser Form vorbei ist. Früher, ganz klar, je weiter eine Frau nach oben kam, desto mehr Mann musste sie sein. Solche Managerinnen sind für andere Frauen indes nur selten ein Vorbild. Es möchte ja keine Frau ihre Weiblichkeit zu Hause lassen müssen. Was für mich interessant war: Auf die Beförderung hin habe ich von einigen Frauen ein Kompliment erhalten, dass es schön zu sehen sei, dass auch eine „normale“ Frau in diese Position kommen könne, ohne männlich sein zu müssen.
Dann dienen Sie doch von nun an als schönes Rollenvorbild! Bringen wir doch die weiblichen Talente und den angesprochenen Wertewandel zusammen in der Diskussion. Ich bin durchaus überzeugt, dass Frauen hier einen wichtigen Beitrag leisten können…
Der Finanzbereich wandelt sich derzeit stark. Vielleicht ist es eine Chance, die althergebrachten, männlich dominierten Führungsstrukturen weiter aufzubrechen. Was Frauen indes bewusst sein muss: Ohne die Männer geht es nicht. Man muss Förderer respektive Mentoren haben. Und weibliche Mentoren fehlen bisher noch vielerorts.
Nehmen Sie das für sich auch in Anspruch? Fördern Sie junge Frauen?
Ja, das ist mir ein Anliegen.
Dann ist der Startschuss für eine Veränderung doch schon gegeben …
Weiterführende Informationen und spannende Dokumente von EY für Sie zum Download:
https://emeiafinancialservicescareers.ey.com/find-people-like-you.aspx#/swizerland
https://www.ey.com/CH/de/Services/Tax/Law
https://www.ey.com/GL/en/About-us/Corporate-Responsibility/Women_the-nextemerging-market
https://www2.eycom.ch/publications/items/entrepreneur/2013-2_entrepreneur/2013-2_ey_entrepreneur_d.pdf
Weiterführende Informationen zum Thema:
Seit Ende 2011 liegt mit der Europäischen Unternehmensberatungsnorm „EN 16114“ auch ein standardisiertes Rahmenwerk für Unternehmensberatungsleistungen vor, toll zusammengefasst im demnächst erscheinenden Buch „Exzellenz in der Unternehmensberatung“. (Ein Tipp von Alfred Harl, Anmerkung der Redaktion).
Die Gesamtstudie der ASCO, die eingangs zitiert wurde, kann als PDF-File für CHF 200.00 (ASCO-Mitglieder) und CHF 380.00 (Nicht-Mitglieder) bei der ASCO Geschäftsstelle bezogen werden (zuzüglich MwSt.) www.asco.ch office@asco.ch