Gekauft an einem Sommerabend, an dem ich früh aus dem Büro kam und nicht wusste, was mit der plötzlich freien Zeit anzufangen. Also schlenderte ich durch die Zürcher Bahnhofstrasse und kaufte dieses teure Kleid. Zu Hause schmiss ich die Tüte in die Ecke und vergass das Kleid wieder bis zum Staubsaugen am Ende der Woche.
Das war der Turningpoint. So wollte ich nicht leben. Mein Verhalten entsprach nicht meinen Werten. Gegen aussen führte ich das perfekte Leben und innen fühlte ich mich leer, wenn ich ganz ehrlich mit mir war. Ich hatte alles, was wir als Gesellschaft als „erfolgreich“ betiteln: Einen spannenden Job, eine schöne Wohnung im besten Quartier von Zürich, eine gute Beziehung und genug Geld, um mir meine Wünsche erfüllen zu können. Und trotzdem fühlte sich nichts mehr stimmig an.
Ein Jahr später hängte ich mein erfolgreiches Leben an den Nagel. Ich gab meinen Job, meine Wohnung, 80% meines Hab und Gutes und später auch meine Beziehung auf. Ich war 43, hatte mein Leben zurück auf Start gestellt und keinen Plan, wie es weitergehen sollte. Aber ich war bereit für eine Veränderung.
Im Unterschied zu dieser selbst initiierten Veränderung erfahren wir aktuell mit Covid-19, wie unser Leben durch einen äusseren Einfluss verändert wurde. So nehmen viele von uns die aktuelle Situation zum Anlass, ihr Leben zu überdenken und sich zu fragen, wie es für sie weitergehen soll. Was soll zukünftig anders sein, was gewinnt an Wichtigkeit und was darf zukünftig weniger Platz einnehmen.
Weil ich weiss, wie komplex es sein kann, Antworten auf die grossen Fragen im Leben zu finden, stelle ich hier Tools vor, die diesen Prozess unterstützen:
Was wollen wir wirklich
Die nachfolgende Übung hilft, sich darüber klar zu werden, in welchem Lebensbereich wir uns eine Veränderung wünschen. Es muss ja nicht immer der krasse Schnitt wie in meinem Fall sein.
Lebensrad Modell
Das abgebildete Modell dient als Veranschaulichungsbeispiel. Die roten Punkte zeigen eine mögliche aktuelle Situation, während die grünen Punkte den Wunschzustand aufzeigen.
1. Definiere die wichtigsten Lebensbereiche wie Arbeit, Gesundheit, Partnerschaft etc. Im Bild sind weitere Beispiele aufgeführt.
2. Zeichne ein Spinnennetz wie im Beispiel gezeigt mit so vielen Lebensbereichen, wie unter 1) definiert.
3. Schätze auf einer Skala von 0-4 deine aktuelle Situation (IST) in den einzelnen Lebensbereichen ein (0=sehr schlecht, 4=sehr gut). In der Abbildung sind dies die roten Punkte.
4. Setze auf einer Skala von 0-4 deine gewünschte Situation (SOLL) in den einzelnen Lebensbereichen fest. In der Abbildung sind dies die grünen Punkte.
5. In welchem Bereich erreicht ein kleiner Schritt die grösste Wirkung?
Zu wissen, was wir anders wollen, ist das eine, aber wie gelingt uns der Schritt aus der Komfortzone in die Veränderung? Hier sind die zwei Dinge, die wir dafür wissen müssen:
Unsere Körpermechanismen kennen
Unser Körpersystem schaltet auf Panikmodus, wenn unser Schritt aus der Komfortzone zu gross ist. Im Panikmodus übernimmt das autonome Nervensystem in unserem Körper die Kontrolle und wir greifen an, flüchten oder erstarren (fight, flight or freeze).
Dieser Mechanismus hat zum Zweck, dass wir möglichst schnell in sichere Bahnen zurückgehen und damit unser Überleben sichern. Leider kann dieses System schlecht unterscheiden, was eine wirkliche Bedrohung für Leib und Seele ist und was wir uns nur vorstellen. Die Wirkung ist dieselbe.
Wenn wir um diesen Vorgang im Körpersystem wissen, hilft es, uns jeweils nur auf den nächsten möglichen Schritt zu fokussieren und nicht auf die gesamte, anstehende Veränderung. Zumal diese oft noch gar nicht vollkommen klar ist. Der Weg entsteht ja beim Gehen. Aber den nächsten Schritt können wir meist benennen, überblicken und anpacken. Dies gibt dem Körpersystem Sicherheit und es schaltet nicht in den Panikmodus. In der Konsequenz bleiben wir handlungsfähig und können sukzessive unseren Zielen entgegengehen.
Selbstvertrauen pflegen
Wenn wir wissen, dass wir fähig sind, mit jeder Herausforderung, die das Leben uns bringt, gut umgehen zu können, dann treten wir leichter aus der Komfortzone. Dies bedeutet nicht, dass wir stets cool und unverletzlich sind. Ganz im Gegenteil. Aber wir vertrauen uns selbst und unseren Fähigkeiten und haben weniger Angst vor ungewissen Situationen und vor Schmerzen. Wir wissen, dass wir damit umgehen können, komme, was da wolle.
Die Überschrift beinhaltet bewusst den Begriff „pflegen“. Wer nicht mit einem gesunden Selbstvertrauen gesegnet ist, der darf sein Selbstvertrauen wie einen Muskel stetig ein wenig trainieren. Dies gelingt, indem wir täglich einen kleinen Schritt aus der Komfortzone machen und uns somit die Erfahrung verschaffen, dass wir diese Mutprobe locker bestehen.
Am meisten Spass macht es, zusammen mit anderen täglich eine kleine (bitte legale!) Mutprobe einzugehen. Dies spornt an und schafft Verbindlichkeit.
Wenn wir wissen, was wir wollen und wie wir unsere Körpermechanismen sowie unser Selbstvertrauen smart einsetzten, dann können wir uns Schritt für Schritt die Realität kreieren, die wir uns wünschen.
Veränderungen gehören zu unserem Leben, wie die Luft zum Atmen. Manchmal werden sie uns von aussen aufgezwungen und manchmal initiieren wir sie selbst. Sie führen uns in die tiefsten Abgründe und in die unglaublichsten Höhen und das ist das, was das Leben ausmacht. Und das ist gut so.
Mein Weg der Veränderung dauerte vier Jahre. Heute führe ich meine eigene Unternehmung als Veränderungsexpertin, Online Coach & Trainerin und lebe einen minimalistischen Lifestyle als digitale Nomadin mit Homebase in Zürich. War es zeitweise ein harter Weg? Oh ja! Würde ich es wieder tun? You bet!
In diesem Sinne wünsche ich uns alle das Vertrauen in uns selbst und in eine neue Welt, die wir soeben zusammen kreieren.
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