Sie organisiert den grössten Frauensportevent Europas:
die UEFA Women’s EURO 2025. Doris Keller, Turnierdirektorin und Powerfrau mit Haltung, spricht im Interview über Gleichberechtigung mit Substanz, ihr Rezept gegen Stress – und warum sie eigentlich nie ins Fussballbusiness wollte.

Ladies Drive: Doris, du bist Turnierdirektorin der UEFA Women’s EURO 2025 – dem grössten Frauensportanlass Europas. Wie fühlt sich das an?
Doris Keller: Es ist eine riesige Ehre – und gleichzeitig eine riesige Verantwortung. Wir sind unglaublich stolz, dieses Turnier in der Schweiz austragen zu dürfen. Gleichzeitig spüren wir den Druck. Aber der Puls ist erstaunlich ruhig. Noch. (Lacht).
Was bedeutet dieses Turnier für dich persönlich?
Es ist die Chance, den Frauenfussball in der Schweiz langfristig voranzubringen. So ein Turnier bringt Sichtbarkeit und Energie. Für viele ist es ein Lebenstraum – auch für mich. Ich will, dass wir einen bleibenden Effekt erzielen.
War Fussball schon immer ein zentrales Thema für dich?
Nicht wirklich. Sport ja – aber Fussball nicht. Ich habe in meiner Jugend Leichtathletik gemacht, Volleyball gespielt, war in der Juniorennationalmannschaft im Orientierungslauf. Der Gedanke, dass Frauen keinen Sport treiben sollten, war mir völlig fremd.
Und wie kamst du dann doch zum Fussball?
Eher zufällig. Seit über 25 Jahren arbeite ich im Fussball, aber erst in den letzten Jahren auch im Frauenbereich. Und da bin ich schnell Fan geworden – auch weil ich es verwunderlich finde, wie lange Frauenfussball gesellschaftlich vernachlässigt wurde. Das will ich ändern.
Siehst du im Frauenfussball ein politisches Statement?
Frauenfussball hat in der Tat in der Gesellschaft oft eine politische Dimension. Historisch gesehen mussten Frauen hart kämpfen, um im Fussball anerkannt zu werden, was den Sport zu einem Symbol für Gleichberechtigung und Emanzipation macht. Die meisten Spielerinnen, wollen jedoch einfach Fussball spielen – und das auf höchstem Niveau – und dafür respektiert werden. Gleichstellung und Empowerment ist für immer ein Thema, nicht nur im jetzigen Job. Ich möchte etwas bewegen.
Du hättest auch andere, ruhigere Jobs rund um Female Empowerment finden können. Warum diese Herkulesaufgabe?
Ich liebe Herausforderungen. Ich war lange selbstständig, habe weltweit Projekte geleitet – in Indien, China, Südamerika. Als die Anfrage kam, die Women’s EURO in meinem Heimatland zu organisieren, konnte ich nicht Nein sagen. Ich wusste: Das wird gross.
Wie führst du dein Team durch ein solches Mammutprojekt?
Mit Vertrauen, klarer Kommunikation und einer offenen Fehlerkultur. Ich bin nicht hierarchisch – für mich ist jede:r gleichwertig. Jede Aufgabe zählt, egal auf welcher Ebene. Wir sind aktuell rund 50 Leute im WEURO-Team, aber mit allen UEFA-Einheiten wächst das Team täglich. Während dem Turnier sind wir mehr als 500 Personen.
Wie hoch ist der Frauenanteil in deinem Team?
Über 50 Prozent. Aber nicht, weil ich auf Quoten achte – ich wollte einfach die Besten. Und viele Top-Frauen haben sich beworben, weil das Turnier für sie eine Herzensangelegenheit ist. Ein reines Frauenteam wollte ich aber nie. Vielfalt ist die Stärke.
Was macht euren Frauenfussball-Ansatz besonders?
Wir wollen keine Kopie des Männerfussballs sein. Unsere Spiele sind familiär, divers, friedlich, aber auch Fussball auf höchstem Niveau. Unser Ansatz zeichnet sich durch strategische Investitionen, erhöhte Sichtbarkeit, Professionalisierung und kulturelle Integration aus, um den Sport nachhaltig zu stärken und zu fördern.

Aber wirtschaftlich gehts aufwärts?
Definitiv. Unser Budget ist doppelt so hoch wie das in England 2022 – viermal höher als 2017 in Holland. Die Nachfrage ist enorm. Wir haben bereits über 550.000 Tickets verkauft. Dabei haben uns viele anfangs belächelt, als wir von einem ausverkauften Turnier sprachen.
Wie bleibst du bei diesem Tempo in Balance?
Ich schlafe gut – das hilft. Ich nehme die Probleme – meistens – nicht mit nach Hause. Und ich fahre viel mit dem Zug. Für mich ist das Erholung: sitzen, rausgucken, nicht reden müssen. Ausserdem fordere ich von meinem Team, vor dem Turnierstart eine Woche Urlaub zu machen. Auch unser Team soll das Turnier geniessen können.
Was rätst du jungen Frauen, die eine Karriere im Sportmanagement anstreben?
Unbedingt machen! Es ist ein toller Job – und er wird immer offener für Frauen. Man muss sich durchsetzen können, ja. Aber vor allem Spass haben. Und Mentoring suchen. Ich hatte viele Förderer – meistens Männer. Heute versuche ich, etwas an junge Frauen weiterzugeben.
Was ist deine Vision für das Turnier?
Ein Familienfest in der schönsten Kulisse Europas – der Schweiz. Und ein Meilenstein für den Frauenfussball. Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft erkennen, wie viel Potenzial darin steckt. Und dass Gleichstellung im Sport nicht länger diskutiert, sondern gelebt wird.
Was kommt für dich nach dem Turnier?
Urlaub. Danach sehen wir weiter. Ich will mir bewusst Zeit lassen, bevor das nächste Projekt kommt. Vielleicht entdecke ich dabei neue Ecken der Schweiz – es gibt noch so viele Orte, die ich selbst nicht kenne. Aber jetzt heisst es erst mal: Fokus auf den 2. Juli!