Aufbau einer strategischen Talent-Pipeline statt „Diversity Wishing“

Text: Dr. Fabienne E. Meier
Foto: The Fotostudio – Creation Studio

Ladies Drive Magazine - Fabienne Meier
Der Mangel an hoch qualifizierten Talenten spitzt sich in der Schweiz zu. Dieser kann mit weiblichen Führungspersönlichkeiten gelindert werden, die richtig positioniert und entwickelt werden. Die Ergebnisse der Knight Gianella VR-Umfrage 2022/23 zeigen auf, dass „Diversity Wishing“ nicht mehr reicht. Unternehmen müssen konkrete Massnahmen an die Hand nehmen.

Dr. Fabienne E. Meier, Partnerin bei Knight Gianella, teilt ihr fundiertes Know-how aus der Sicht des Executive Searches rund um die Komposition und Dynamik von Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsgremien. Sie berät Unternehmen, wie diese eine strategische Talent-Pipeline aufbauen sollten, welche Kompetenzen notwendig sind und wie die Entwicklung der Talente stattfinden muss, damit diese in den obersten Führungsgremien erfolgreich bestehen.

Wo liegt die aktuelle Herausforderung?

Der Mangel an hoch qualifizierten Talenten spitzt sich in der Schweiz zu. Die Ergebnisse der Knight Gianella VR-Umfrage 2022/23 belegen, dass die Hälfte der befragten börsenkotierten und nicht-börsenkotierten Schweizer Unternehmen den Talentmangel als die wichtigste Herausforderung (Nummer eins aller zehn Nennungen) für ihre/n CEO bezeichnen. In den letzten zwei Jahren hat sich die Problematik massiv verschärft. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 haben nur 24 Prozent (statt 49 Prozent im Jahr 2022) der Befragten den Talentmangel als Herausforderung genannt. Es ist heute eine Tatsache, dass Unternehmen zunehmend Schwierigkeiten bei der Gewinnung und Bindung von Führungskräften haben.

Was ist das Ziel der strategischen Talententwicklung?

Das Ziel aller Unternehmen in der Schweiz sollte es sein, das volle Potenzial der am Arbeitsmarkt verfügbaren Talente zu nutzen. Eine wichtige Gruppe an Talenten für die Unternehmen sind bestqualifizierte Frauen. Sie sind heute sehr gut ausgebildet, nehmen Einzug in die höheren Führungspositionen und stehen für ihre Anliegen ein. Zudem adressieren sie eine weibliche Kundschaft, haben einen positiven Einfluss auf die Team-Dynamik und fördern folglich unter anderem dadurch auch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Obwohl es heute in vielen Branchen genügend best qualifizierte Frauen gibt, liegt gemäss der VR-Umfrage der Frauenanteil auf Stufe Geschäftsleitung aktuell gerade bei 15,2 Prozent und der erwartete Wert bei 26,6 Prozent in den nächsten drei Jahren. Die reelle Entwicklung des Frauenanteils (1,1 Prozentpunkte pro Jahr) hinkt der erwarteten Entwicklung (3,8 Prozentpunkte pro Jahr) eklatant hinterher, was auf einen dringenden Handlungsbedarf hinweist. Das heisst: In der Schweiz verlieren wir viel zu viele bestqualifizierte Frauen innerhalb des „Systems“ beziehungsweise die Unternehmen entwickeln sie zu wenig für die obersten Führungsgremien.

Weg von „Diversity Wishing“ – hin zu Massnahmen?

Es braucht mehr als „Diversity Wishing“. Es braucht die notwendigen Massnahmen, um den gesamten Pool an Talenten am Arbeitsmarkt optimal zu nutzen. „Diversity Wishing“ (Diversitäts-Wunschdenken) bedeutet: Man kann nicht die Idee ideologisch unterstützen und auf eine positive Entwicklung hoffen, ohne die notwendigen Massnahmen an die Hand zu nehmen. Es sind ausserordentliche Anstrengungen der Unternehmen notwendig, um dies in die Tat umzusetzen. Dazu gehören zwei Schlüsselmassnahmen: der „Tone from the Top“ und das „Empowerment“ der obersten HR-Leitung.

Erste Massnahme: der „Tone from the Top“

Mit dem „Tone from the Top“ sind das Verhalten und die Kommunikation von Verwaltungsrat, CEO und Geschäftsleitung gemeint. Von den Mitgliedern in den obersten Führungsgremien wird in der heutigen Zeit erwartet, dass sie sich als wertebasierte Vorbilder verhalten, vorurteilsfrei kommunizieren und folglich eine gute Unternehmenskultur der Mitarbeiten- den-Wertschätzung und Talent-Entwicklung etablieren. Vor allem die/der CEO ist die wichtigste Identifikationsfigur im Unternehmen und hat aufgrund ihrer/seiner Rolle eine grosse Strahlkraft. Nur 36 Prozent der befragten VR-Mitglieder erkennen die positive Haltung der/des CEO als weit gegeben; 49 Prozent geben an, dass sie im Verwaltungsrat gut bis sehr gut unterwegs sind. Das ist noch deutlich zu wenig. In den Gremien, bei denen Nachholbedarf besteht, sollte ohne Umschweife angesetzt werden, um ein gemeinsames Verständnis über Ziele, Komposition, Zusammenarbeit und Spielregeln zu schaffen, das von allen Interessengruppen positiv wahrgenommen wird.

Zweite Massnahme: das „Empowerment“ der obersten HR-Leitung

Die Rolle der obersten Human-Resources-Leitung (HR, auch CHRO/CPO genannt) muss auf die strategische Ebene gebracht werden und Teil der Geschäftsleitung (oder erweiterten Geschäftsleitung) sein, was bei nur 51 Prozent der Befragten der Fall ist. Zudem benötigt die HR-Leitung Gestaltungsraum und „Empowerment“. Das bedeutet, dass sie die notwendigen Kompetenzen und finanziellen Budgets erhält, um eine strategische Talent-Pipeline überhaupt in die Wege leiten zu können. Da sich die strategische HR-Aufgabe für viele Unternehmen schwieriger als auf den ersten Blick gestaltet, ist eine Unterstützung durch Executive-Search-Beratungsunternehmen wie Knight Gianella sinnvoll, welche über die einschlägige Glaubwürdigkeit und Expertise verfügen, Unternehmen beim Aufbau einer strategischen Talent-Pipeline zu begleiten.

Warum ist der Aufbau einer strategischen Talent-Pipeline wichtig?

Eine strategische Talent-Pipeline identifiziert und entwickelt potenzialbasiert diejenigen Führungskräfte, die für eine Position im obersten Führungs- gremium infrage kommen. Durch gezielte Förderungsprogramme für (wenige) ausgewählte und bestqualifizierte Talente können Unternehmen gezielt und nachhaltig deren holistische Kompetenzen stärken und ihre Potenziale besser nutzen. Die Talente in diesem Talent-Pool sind leistungsfähiger, erfolgreicher, motivierter und engagierter. Sie können sich auch besser ins Team einbringen und die Dynamik prägen. Sie erhalten eine Entwicklungsperspektive und werden ans Unternehmen gebunden. Unternehmen, die ihre Talente richtig positionieren, sind auch attraktiver für neue Talente. Diese Unternehmen werden den „Kampf“ um Talente gewinnen. Gemäss der Knight Gianella VR-Umfrage sind die Förderungsprogramme für Frauen in Führungspositionen in den meisten börsenkotierten und grossen, nicht-börsenkotierten Unternehmen erst teilweise umgesetzt. Die Zahlen sprechen für sich: 13 Prozent der Befragten nennen die Förderungsprogramme für Frauen in Führungspositionen als weit umgesetzt, 49 Prozent als teilweise umgesetzt, 30 Prozent als kaum oder nicht umgesetzt, und die restlichen Befragten machen keine Angaben darüber. Gerade weibliche Führungskräfte haben oft einen Nachholbedarf. Eine Studie von Advance und der Universität St.Gallen von 2021 belegt, dass Frauen in den Familienjahren zwischen 31 und 50 Jahren als „Risikogruppe“ weniger befördert worden sind – ob mit oder ohne Kinder. Das ist auch einer der Gründe, warum die Mehrheit der Männer an der Unternehmensspitze denkt, dass Lücken vorliegen, ein Nachholbedarf besteht und Förderungsprogramme für Frauen – wie auch für Männer – zwingend notwendig sind.

Wo liegt die Gefahr des „Reverse Gender Gaps“?

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sowohl weibliche als auch männliche bestqualifizierte Talente in die strategische Talent-Pipeline integriert werden müssen. Es soll vermieden werden, dass die Männer aus dem Beförderungsprozess ausgeschlossen werden, sogar frustriert das Unternehmen verlassen oder den Anschluss für eine Karriere verlieren („Reverse Gender Gap“). Dies im Wissen, dass mit dem richtigen Sensorium ein besonderer Fokus auf die Evaluation und Entwicklung von Frauen zu legen ist, um diese Talentgruppe zu aktivieren.

Welche Kompetenzen müssen gefördert werden?

Aus Sicht des Executive Searches ist ein holistischer Ansatz nötig. Folgende Kompetenzen sind unabdingbar für Positionen auf der obersten Führungsstufe:

  • Fach- und Führungskompetenzen: Es ist selbstverständlich, dass die Fach- und Führungskompetenzen in hohem Mass verfügbar sein sollten und zum Erfüllen des Zwecks und der Ziele des Unternehmens beitragen müssen.
  • Persönlichkeitskompetenzen: In der Regel werden Führungspersönlichkeiten mit Format („Leading with Heart and Mind“) bevorzugt, die eine in derheutigen Zeitunabdingbare „weisseWeste“vorweisen können, authentisch bleiben und ein professionelles Auftreten an den Tag legen.
  • C-Level-Kompetenzen: Führungspersönlichkeiten müssen die gläserne Decke, den Preis der Karriere, die Spielregeln und die Dynamik in Geschäftsleitungsgremien (auch „Savoir-faire“ genannt) kennen, um sich auf der obersten Führungsstufe behaupten und erfolgreich agieren zu können. Dabei ist die Kommunikation gegenüber verschiedenen Interessengruppen (Investoren, Verwaltungsrat, Management, Mitarbeitende, Medien etc.) ausschlaggebend. Zudem sind die Fähigkeit, nach oben zu netzwerken, und die Präsenz in den richtigen Business-Clubs oftmals entscheidend für den längerfristigen Erfolg einer Karriere. Ganz gemäss dem Motto: „Wer sich kennt, vertraut sich.“

Eine Führungspersönlichkeit auf der obersten Führungsebene ist mehr als nur ein fachliches Talent mit Führungserfahrung. Es ist eine Persönlichkeit mit Format, die erfolgreich positioniert ist, von den verschiedenen Interessengruppen positiv wahrgenommen wird und sich längerfristig erfolgreich behaupten kann.

Meine Empfehlung

Um das gesamte Potenzial an Talenten am Arbeitsmarkt zu adressieren, braucht es eine strategische Talent-Pipeline. Bei den meisten Potenzialanalysen wird nur auf die Fach- und Führungskompetenzen, jedoch meist nicht auf die Persönlichkeits- und C-Level-Kompetenzen eingegangen. Dazu hat Knight Gianella, zusammen mit dem auf Executive & Career Sparring spezialisierten Kooperationspartner mindyourstep, ein Programm aufgegleist, um ausgewählte Talente fürs oberste Führungsgremium richtig zu positionieren und zu entwickeln.


Ladies Drive Magazine - Fabienne Meier

Dr. Fabienne E. Meier

ist Partnerin der Knight Gianella & Partner AG in Zollikon/Zürich, spezialisiert auf die nationale und internationale Suche sowie auf die Evaluation von Führungskräften auf Stufe Geschäftsleitung, CEO und Verwaltungsrat. Diversity ist dabei eines ihrer Schwerpunktthemen. Sie ist verheiratet und Mutter einer Tochter und eines Sohnes im schulpflichtigen Alter. Mehr zu Knight Gianella: www.knightgianella.ch


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Veröffentlicht am Mai 17, 2023

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