„Was soll ich denn elf Tage auf den Malediven machen, wenn ich nicht tauche?“, fragte ich mich noch auf dem Weg zum Flughafen. Vorsorglich hatte ich mehrere Bücher in meinen Koffer gequetscht. Wir fliegen seit geraumer Zeit nur noch mit Handgepäck, und da hat natürlich nicht gerade viel Platz. Aber eine digitale Version ist für meinen Lesegenuss ein No-Go, also schleppe ich eben.
Wir fliegen in der Nebensaison und müssen deshalb mit einem Zwischenstopp anreisen – so hüpfen wir also über den neuen, unfassbar schönen, weil massiv begrünten Flughafen Doha nach Malé und von da noch einmal mit einem Wasserflugzeug rund 30 Minuten weiter nach Rangali Island. Wie immer gehe ich im Flieger gedanklich meine To-do-Liste durch. Wem muss ich noch mal was genau bestätigen? Welche E-Mail hab ich noch unbeantwortet im Posteingang? Halleluja! Das hab ich ja auch noch vergessen – wenn wir landen, sollte ich das noch „schnell“ erledigen. Und siehe da: Es kam alles anders als gedacht.
Kaum hatte ich einen Fuss auf Rangali Island gesetzt, war meine Welt eine andere. Eine dezidiert langsame. Eine, die im Wind gemächlich hin und her wiegt, wo die Wellen stoisch und in wiederkehrendem Rhythmus an den Strand schlagen. Eine Welt, wo ein Drink in der Hand und mindestens ein Fuss im Sand schon das Maximum an „doing“ ist, was ich als passionierte Multitaskerin grad hinkriege. Den Kopf in den Wolken und die Füsse im weissen Sand. Was ist bloss mit mir geschehen? – Das Leben ist passiert. Ja, auch das Nichtstun, Dolce Vita, einfach nur sein, auch das ist das Leben. Ich muss mir das ab und zu wieder vergegenwärtigen, weil ich dazu tendiere, mich in der geschäftigen Vibration im Business zu verlieren. Und der Stress ist längst eine Form der Sucht geworden. Wenn ich gestresst bin, fühle ich mich tatsächlich lebendig. Schräg, wenn auch medizinisch erklärbar. Uff. Umso erstaunlicher war es, dass ich mich so schnell auf meinen Urlaub einlassen konnte. Aber eben – was soll man hier auch anderes tun als geniessen? Unsere Destination war das Conrad auf Rangali Island, welches zur Hilton-Gruppe gehört. Es ist luxuriös, aber eben Eiland-Luxus, sehr unaufgeregt, nicht immer perfekt, aber charmant und entspannt.
Wir haben uns eine der Beach-Villen de luxe gebucht, weil wir die Privatsphäre mit einem eigenen Pool und Naturnähe lieben, wenn auch die kleineren Wasser-Villen auf Rangali absolut empfehlenswert, da neu renoviert sind! Auch bevorzugen wir die Beach-Unterkunft, weil sie von der Grundfläche her um ein Vielfaches grösser ist als die meist kleinen, aber feinen Wasser-Villen. Wer indes James-Bond-like nächtigen oder einfach nur sein Insta-Profil pimpen will, dem sei The Muraka empfohlen – die top-notch Luxusvilla des Resorts, direkt am Rande des Atolls mit der atemberaubendsten Sicht nicht nur auf den Sonnenuntergang, sondern auch auf die betörend schöne Unterwasserwelt. Denn hier liegt man unter Wasser und kann statt Schäfchen einfach Fischchen zählen beim Einschlafen. Wer ultimative und exklusive Erlebnisse liebt, für den ist die Muraka-Villa schlicht eine absolut perfekte Wahl! Wem das zu viel oder zu überwältigend ist, für den gibt’s die „underwater world experience“ auch zum Lunch oder Dinner im Restaurant Ithaa.
Das Conrad bietet noch mehr Exquisites an – und das beginnt eigentlich schon bei den Zwillingsinseln; die Anlage erstreckt sich über zwei, dank eines Jettys, verbundene Inseln. Eine ist erwachsenen Gästen vorbehalten, die andere kann man auch als Familie mit Kids buchen. Insgesamt hat man zwei verschiedene Spa-Bereiche und elf verschiedene Plätzchen, an denen man essen und geniessen kann. Von der unkomplizierten Strandbar bis zur exklusiven Unterwasser-Dining-Experience ist fast alles möglich. Von chinesischen Spezialitäten bis zu fangfrischem lokalem Fisch oder japanischer Küche wird einem eine Leckerei nach der anderen geboten – wir empfehlen euch allerdings das hausgemachte Maldivian Fish Curry (was für ein Gedicht!). In Kombination mit mindestens einem Zeh im warmen Badewannenwasser des Atolls. Nach ein paar Tagen fühle ich mich bereits gelöst und tiefenentspannt. Sobald ein Gedanke ans Geschäft und meine To-dos aufkommt, lasse ich ihn wieder ziehen und winke ihm gedanklich mit einem gesäuselten „komm gerne später wieder“ nach.
Wenn man auf Rangali Island um sich blickt, könnte man meinen, man sei auf einem anderen Planeten und fernab der wirklichen Welt, weil es so ein Seelenort der friedvollen Stille ist, an dem man nur allzu gern verweilt.
Eine Begegnung machte diese Reise dann aber noch einmal zu einem Abenteuer besonderer Art und eröffnete uns komplett neue Welten. Wir treffen Shadid, den Vater einer 19-Jährigen, die auf Felidhoo mit Haien schwimmt, seit sie ein Kind ist.
Dank dieser Begegnung lernen wir mehr über die Malediven, als wir uns je erträumt hätten. Unseren typisch Westler-Fragen wie „Seht ihr einen Rückgang von Thunfischen auf den Malediven?“ entgegnet man vor Ort mit Kopfschütteln und berichtet, dass einheimische Fischer mit der Langleine im Schnitt pro Stunde fast 400 Gelbflossen-Thunas an Land ziehen. Und als wir wissen wollen, ob das Schwimmen mit Haien nicht doch gefährlich sei, ernten wir ein verschmitztes Lächeln. „Wir sind an diese Tiere gewohnt – wir können sie lesen und leben mit ihnen. Das war schon immer so. Es sind wilde Tiere, aber meine Tochter schwimmt täglich mit ihnen.“
Wir wollen also mehr wissen und lassen uns die Malediven abseits der Luxushotels zeigen. Etwas, das vor ein paar Jahren übrigens noch gar nicht möglich, weil gesetzlich nicht erlaubt war. Die maledivischen Behörden gestatteten nur Reisen auf touristisch betriebene Inseln, nicht aber auf jene, wo die Einheimischen zu Hause sind. Das änderte sich erst im Jahr 2009. Seither lassen sich die Malediven und über 200 einheimische Inseln auch auf weniger ausgetretenen und weitaus günstigeren Pfaden erleben.
Das grosse Juwel ist Thoondu oder Felidhoo, wobei letztere Einheimischen-Insel nur gerade 30 Minuten per Speed Boat von Malé entfernt ist. Und die Tochter, von der wir hier sprechen, ist übrigens Laeisha, wobei der stolze Papa betont, dass er es ist, der all die schönen Videos seiner 19-jährigen Wassernixe macht. Es ist absolut erstaunlich, was wir in diesem zweiten Teil der Reise zu sehen bekommen, und wir können euch nur einladen, es uns gleichzutun und zu staunen, in welcher selbstverständlichen Natürlichkeit und doch absolut magisch sich Mensch, Meer und Tier begegnen können. Alles scheint im Fluss, alles scheint in grösstmöglicher Balance und Harmonie zu sein – und das ohne grosse Worte, sondern in aller Stille und auch in absoluter Gemächlichkeit, denn schnell sind unter Wasser meist nur die Fische, aber nicht der Mensch. Jede und jeder, der taucht und schnorchelt, weiss genau, wovon ich spreche.
Die Natur auf den Malediven ist unter Wasser voller Geschichten, Faszination und Überraschungen – wenn man sich darauf einlässt. Und oberhalb der Wasserfläche kann man sich auch nach zwei Wochen noch immer nicht sattsehen an den „50 shades of blue“. Jede Insel hat ihren eigenen Vibe, ihren eigenen Rhythmus und ihre eigene Faszination. Wie es wohl sein mag, auf den Malediven geboren zu werden? – Ein Grossteil der Bevölkerung auf den Malediven lebt übrigens nicht vom Tourismus, wie man glauben könnte – sondern noch heute von der Fischerei. Es war nicht die einzige Überraschung, die wir erleben durften. So blicke ich heute zurück auf diese Reise, diesen Inselstaat als einen Ort, an dem ich es schaffe, ab Minute eins in den Offline-Modus zu gehen, mein Handy zu vergessen und Digital Detox zu machen. Ich hatte so viele Bücher mitgeschleppt und nur ein halbes Buch gelesen. Wieso? – Weil das hingebungsvolle Staunen und In-den-Himmel-Schauen einfach seine Zeit brauchte …
Weiterführende Informationen:
www.conradmaldives.com
kinanhotels.com
www.airbnb.com
Wenig bekannte Facts & Figures über die Malediven:
Haiarten
26 verschiedene Haiarten leben auf den Malediven. Hai-Attacken sind übrigens äusserst selten und können auf www.sharksider.com nachgelesen werden. Unter ihnen auch der grösste seiner Art – der friedliche Walhai. Insgesamt tummeln sich in den Gewässern um das schöne Archipel rund 2.000 verschiedene Fischarten.
Kokosnüsse
Einheimische verbrauchen im Schnitt 20-30 Kokosnüsse – pro Woche.
Keine Berge
Die Malediven sind mit einer Durchschnittshöhe von 1,5 Metern tatsächlich das flachste Land der Welt.
Korallensand
Gemäss Falstaff Travel sind nur 5% der weltweiten Sandstrände aus Korallensand. Ihre Besonderheit ist dass sie sich auch bei grösster Hitze kaum aufheizen.
Strandbeleuchtung
Einige Strände leuchten nachts – dank Biolumineszenz. Verursacht wird das surreale nächtliche Leuchten der Strände durch Phytoplankton.
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