Nadja Lang ist CEO und Delegierte des Verwaltungsrats der Genossenschaft ZFV-Unternehmungen. Zuvor war sie zwei Jahre lang Mitglied des Verwaltungsrats und drei Jahre dessen Präsidentin. Die studierte Betriebswirtschafterin begann
ihre Karriere bei Coca-Cola, bevor sie als European Marketing Manager bei General Mills Europe arbeitete. Von 2005 bis 2017 war sie für Fairtrade Max Havelaar national und international tätig, zuletzt als Geschäftsführerin
in der Schweiz. Heute ist sie unter anderem Verwaltungsrätin der
Emmi-Gruppe sowie der Pax-Lebensversicherungen.
Ladies Drive: Nadja, du hast ursprünglich eine Banklehre absolviert, dann Wirtschaft studiert und dich besonders mit Marketing und Vertrieb auseinandergesetzt. Was hat dich an der Konsumgüterindustrie amerikanischer Unternehmen gereizt, und wie hilft dir dieses Wissen heute?
Nadja Lang: Meine Banklehre war eine sehr wertvolle Grundlage, besonders in Bezug auf Finanzierungs- und Immobilienthemen, die mich bis heute begleiten. Die Konsumgüterbranche hat mich fasziniert, weil sie konsequent kundenorientiert ist mit einem starken Fokus auf Zielgruppen und Nachfrage. Dort habe ich gelernt, wie Marken emotional verankert werden. Diese Erkenntnisse sind für die Gastronomie ebenfalls essenziell: Ein erfolgreiches Personalrestaurant muss weit mehr sein als ein Ort zum Essen – es braucht eine klare Positionierung, muss Identität stiften, Menschen zusammenbringen und als Begegnungsort eine besondere Atmosphäre schaffen.
Mit dem nächsten Schritt zu Fairtrade Max Havelaar hast du den Fokus von der Privatwirtschaft auf NGO und Nachhaltigkeit gewechselt. Ist das nicht fast eine Kehrtwendung?
Nein, das war eine ganz bewusste Entscheidung. Ich bin überzeugt, dass wir eine Wirtschaft brauchen, die der Gesellschaft dient, und nicht umgekehrt. Für mich gehören Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Erfolg zusammen. Die grossen Herausforderungen und Chancen lassen sich nur im Dreieck von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft angehen. Deshalb war es für mich auch naheliegend, zwischen diesen Bereichen zu wechseln; und es war auch ein bewusster Schritt wieder zurück in die Privatwirtschaft.
Nach vier Jahren im Verwaltungsrat des ZFV hast du die operative Leitung übernommen. Wie war der Wechsel zur CEO-Position für dich?
Der Wechsel fiel in die Zeit der Corona-Krise – eine herausfordernde, aber auch wegweisende Phase. Neben dem Krisen- und Liquiditätsmanagement konnten und mussten wir die Zukunftsstrategie beschleunigt umsetzen, weil sich die Bedürfnisse unserer Gäste rasant veränderten. Die operative Führung macht mir Freude, weil ich gemeinsam mit einem grossartigen Team täglich gestalten kann. Die Verwaltungsratsarbeit erfordert eine distanziertere Perspektive, die ich weiterhin als sehr bereichernd empfinde. Deshalb bin ich nach wie vor in Verwaltungsräten aktiv und empfehle das auch anderen Führungskräften.
Was sind die wichtigsten strategischen Schwerpunkte, die du als CEO setzt?
Wir entwickeln unsere Begegnungsorte weiter, indem wir uns als Kuratorin verstehen, mit eigenen Konzepten und gemeinsam mit Partnern wie Vicafé oder Food 2050. Gerade in einer digitalisierten Welt sind echte Begegnungen wertvoller denn je. Deshalb schaffen wir Personalrestaurants, die bewusst als Räume für Austausch, Zusammenarbeit und Kulinarik gestaltet sind. Gleichzeitig setzen wir auf das „Gemeinsam“ – durch unser Leadership-Prinzip „Wir machen andere erfolgreich“ und die Management-Methode OKR, die unternehmerisches Denken und partizipative Führung fördert. Digitale Innovationen nutzen wir gezielt, um Prozesse und Gästeerlebnisse zu optimieren – immer mit dem Menschen im Mittelpunkt.
Als EHL-Präsidentin sind mir natürlich die neue Positionierung und der überarbeitete Auftritt der Sorell Hotels aufgefallen. Welches Ziel verfolgt ihr damit?
Die Neupositionierung der Sorell Hotels ist ein echter Meilenstein und ich freue mich riesig darüber. Unser Ziel: Jedes Hotel soll seine eigene Geschichte erzählen und noch stärker in der Nachbarschaft verankert sein. Ein perfektes Beispiel ist das Hotel Seefeld in Zürich, wo mit der neuen FLOR Café Bar und dem umgestalteten Erdgeschoss ein lebendiger Treffpunkt für Gäste und Quartierbewohner:innen entstanden ist. Hier verschmelzen Design, lokale Kunst und spannende Geschichten zu einem einzigartigen Erlebnis. Mehr über diesen Wandel und die Geschichten dahinter erzählen wir auch auf unserer Website www.sorell.com.
Die Hospitality-Industrie ist in der Führung stark männlich geprägt. Der ZFV wurde von Frauen gegründet und hat heute noch einen hohen Frauenanteil. Was ist euer Erfolgsrezept?
Wir setzen auf klare Werte, gezielte Talentförderung und eine Kultur, die Diversität und Inklusion als wesentliche Erfolgsfaktoren begreift. Dabei geht es nicht nur um Frauenförderung, sondern um ein zukunftsorientiertes, partizipatives und unternehmerisch geprägtes Arbeitsumfeld. Fazit: Diversität und Inklusion sind keine Ideologie, sondern ein entscheidender Wettbewerbsfaktor – insbesondere in der Gewinnung von Fachkräften, der Förderung von Talenten und der Steigerung der Performance.
Diese Ausgabe behandelt unter anderem das Thema stressbedingte Erkrankungen. Wie geht der ZFV damit um?
Die Gastronomie ist eine fordernde Branche, in der unsere Mitarbeitenden täglich Spitzenleistungen erbringen. Ihr Wohlbefinden ist für uns essenziell. Wir investieren in gesunde Arbeitsbedingungen, Stressreduktion und Leadership-Programme. Unser Ansatz „Wir machen andere erfolgreich“ unterstützt Führungskräfte dabei, ein motivierendes und wertschätzendes Arbeitsklima zu schaffen. Das Vertiefungsthema unseres diesjährigen Leadership-Forums ist übrigens „Gesund führen“.
Du hast einen anspruchsvollen Job, eine Familie, bist in zahlreichen Clubs und pflegst Hobbys. Nutzt du bestimmte Tools, um mehr Langsamkeit in dein Leben zu bringen?
Ja, definitiv. Meine wichtigsten Tools sind Menschen, Natur, Bewegung und Kulinarik. Am liebsten verbinde ich diese Elemente, indem ich mich mit Familie und Freunden zum Skifahren, Wandern, Joggen, Biken oder Tennisspielen verabrede und den Tag gemeinsam bei einem guten Essen ausklingen lasse.
Die Hospitality-Branche bietet spannende Karrieren und Entwicklungsmöglichkeiten. Was braucht es, damit sich mehr Talente für diesen Weg entscheiden?
Wir müssen als Branche noch sichtbarer machen, wie aufregend, vielseitig und zukunftssicher die Karrierechancen sind. Hospitality ist weit mehr als nur ein Job – sie eröffnet Wege in Leadership, Unternehmertum und Innovation. Zudem sind Teamgeist und Leidenschaft entscheidende Erfolgsfaktoren. Wir sollten mutiger auftreten und die Attraktivität dieser Branche noch stärker betonen.