Zum Entdecken: Judith Haarmann

Text: Ladies Drive
Fotos: Judith Haarmann

„Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie beworben, alles hat sich irgendwie gefügt.“

Ursprünglich wollte Judith Haarmann Kunst studieren, auf Wunsch ihres Vaters hat sie jedoch auf Modedesign umgeschwenkt – weil das eine Kunst sei, mit der man zumindest Geld verdienen kann, so sein damaliges Votum. Nach dem Studium der heute erfolgreichen Unternehmerin und alleinerziehenden Mutter begann die abenteuerliche Reise wie von selbst. Zuerst lernte sie bei einer Gastprofessur die Strickdesignerin Claudia Skoda kennen, die so begeistert von ihr war, dass ihr kurzerhand ein Praktikum in Berlin und später auch die Partnerschaft angeboten wurde. „Ich hatte die Vorlesung eigentlich nur besucht, um nach den Ferien bei meinen Studienkollegen mitreden zu können“, erzählt sie uns schmunzelnd. Nach Berlin wollte sie ursprünglich auch nie. Judith Haarmann lacht laut auf: „Ich hatte Christiane F. gelesen und dachte, Berlin ist böse, da will ich nicht hin.“ Und sie ging doch. Nach der gemeinsamen Zusammenarbeit war die kreative Geschäftsfrau international als Designerin tätig und entwickelte komplette Kollektionen für namhafte Designer im Strickbereich. Durch ihre Reisen lernte sie die besten Strickmeister weltweit kennen, welche ihr alles – auch in nächtelanger Arbeit – beibrachten, was man im Bereich Strick nur wissen kann. Nach insgesamt zehn Jahren mit ständigen Messebesuchen, Besichtigungen von Produzenten und Produktionsstätten im In- und Ausland, hatte die Designerin im Alter von 32 Jahren genug von einem Leben aus dem Koffer. Der Wunsch nach einem eigenen Label wuchs. „Eines Nachts in Shanghai habe ich dann einen Entschluss gefasst: Wenn ich je einen Herzinfarkt bekommen sollte, dann bitte für meine eigene Sache.“

Zusammen mit der hilfreichen Hand ihrer Mutter wagte sie die Gründung eines eigenen Ateliers, zunächst in Hamburg in der Elbchaussee. „Nach etwa einem Jahr wollte ich mich jedoch nicht mehr ärgern über unbezahlte Rechnungen von Kunden, die meine Kollektionsstücke schon verkauft hatten. Ich wollte meinen eigenen Store, bin nach Sylt gefahren und habe dort meine Dependance aufgemacht, die mittlerweile seit elf Jahren besteht“, grinst sie, als wäre dies die natürlichste und einfachste Sache der Welt.

Zu Beginn haben sie alle für verrückt erklärt, gerade Kaschmirprodukte verkaufen zu wollen, das sei doch so teuer, das gehe doch nicht. Aber der Laden hat sich vom ersten Tag an selber getragen, sicher auch weil Judith Haarmann zu Beginn mit viel Herzblut fast alles selber produziert hatte. Abends, nachts, fast rund um die Uhr. Mittlerweile arbeiten handverlesene italienische Strickereien und begnadete Handwerker in Deutschland für das Label. Gestrickt wird auch dort alles von Hand. „Wir machen ja alles auf diesen Flachbett- Strickmaschinen, dieses Ritsch-ratsch“, und führt dabei gekonnt die Handbewegung aus.

Die Kollektionen sind nicht saisonal, sondern fortlaufende sich organisch entwickelnde Teile aus hochwertigstem Garn, bei denen die Designerin Wert darauf legt, dass Muster, Schnitte und Formen kreiert werden, die die Industrie in der Regel selbst mit hochmodernen Maschinen nicht nachahmen kann. Die Schnitte selbst sind feminin, aber nicht verspielt. „Ich würde es als innovative Klassik bezeichnen. Es ist immer ein schlichter Baustein, den man durch die entsprechenden Accessoires entweder verrückt oder ganz klassisch halten kann.“ Die Inspirationen kommen dabei ganz von selbst. „Ich lese weder Magazine, noch setze ich mich in London in ein Café, um Leute zu beobachten. Ich passe mich auch nicht an Modefarben an, wenn dann an die Wünsche meiner Kundinnen.“ Auch deswegen sei ihre Selbstständigkeit wohl für alle das Beste. „Ich bin normalerweise ein ruhiger Mensch, aber wenn man mir meine Farbe wegrationalisieren möchte, dann werde ich unangenehm. Deswegen würde ich wahrscheinlich früher oder später überall rausfliegen, weil ich mich so aufregen würde, wenn der Zopf oder die Drehung nicht genau da bleiben, wo ich sie hingesetzt habe“, und lacht dabei so herzlich, dass man ihr dies wohl gar nie übel nehmen könnte.

Man dürfe aber nicht vergessen, dass, um von seiner Kreativität leben zu können, nur ein Bruchteil darauf zurückzuführen sei, etwa 90 % seien Fleiss und Disziplin. Und ein Team, das Freude daran hat, an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Das hat die Designerin mit ihrer „un-chefischen“ Art, wie sie selbst sagt, auf jeden Fall hinter sich und ist froh, mit dem Label „Judith Haarmann“ ihre Leidenschaft vollkommen in ihr Leben integriert zu haben.

Preislich liegen die Kollektionsteile durchschnittlich zwischen EUR 300,00 (Gürtel) und 2’500,00 (Kleid).

 

 

Veröffentlicht am November 27, 2011

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