Esther-Mirjam de Boer: Wie unterstützen Sie Jugendliche, die keine Lehrstelle finden?
Sylvia Meyer: Wir verändern gemeinsam mit ihnen den Blickwinkel, d.h. weg von unpassenden Berufswünschen hin zu den Stärken der jungen Menschen. Als sprechendes Beispiel möchte ich eine junge Frau nennen, die in unserem früheren Gastro-Team serviert hat. Sie hat in der Gastronomie ihr Ziel gefunden und folgerichtig einen guten Ausbildungsplatz. Sie konnte dank unserem Programm ihren inneren Kompass ausrichten und geht nun mit klarer Motivation ihren Weg.
Woran erkennen Sie, dass Ihre Schützlinge auf einem guten Weg sind?
(Schmunzelt) Beispielsweise an Rückmeldungen der Eltern, die berichten, dass ihre Kids, die bisher morgens nicht aus dem Bett kamen, plötzlich gerne zur Arbeit gehen und motiviert als Erste am Frühstückstisch sitzen. Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und unentschuldigtes Schwänzen sind bei uns nach kurzer Zeit kein Thema mehr. Wir achten auf eine gute Feedbackkultur, insbesondere von den Auftraggebern. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Jungen; sie merken, dass sie etwas können.
Mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Arbeiten lernt man durch Arbeit. Der sogenannte „Ernst des Lebens“ muss jedoch Freude bereiten. Die Ausführung von konkreten Kundenaufträgen, das ist der Kern unseres Erfolgs. Dadurch arbeiten die Jugendlichen an ihren fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen. Dabei geht es um Themen wie Konzentration, Eigen- und Teamverantwortung. Das persönliche Erleben steht im Mittelpunkt. So wird die Zeit bei uns zu einem Nachreifeprozess. Der Erfolg gibt uns recht: 96-98 % haben eine gute Anschlusslösung, wenn sie unser Team verlassen.
Sie sind ein sogenanntes „Sozialunternehmen“. Wie finanzieren Sie diese Arbeit?
Access gibt den Jungen eine solide Zukunftsperspektive, denn ein guter Anfang ist entscheidend fürs ganze Leben; das ist von hohem volkswirtschaftlichen Wert. Wir sind eine arbeitsmarktliche Massnahme und haben einen Leistungsauftrag vom Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA). Zudem erwirtschaften wir einen Teil unserer Einkünfte durch unsere Marktleistungen; das ist für uns ein Kernelement.
Was heisst das konkret?
Wir sind in den Bereichen Gebäudeunterhalt und Malerarbeiten aktiv sowie in visueller Kommunikation, Mode und Verkauf. Ab September 2014 führen wir einen Laden mit landwirtschaftlichen Produkten an der Wühre in Zürich. Wir entwickeln und fertigen z. B. Berufsbekleidung in kleinen Auflagen bis 150 Stück in unserer Näherei und Designabteilung. Und wir führen leichte Renovations- und Malerarbeiten aus. In unserem grössten Bereich, der visuellen Kommunikation, gestalten und produzieren wir grafische Produkte bis hin zu anspruchsvollen Homepages. Alle unsere Kunden sind ganz normale Unternehmen, die in erster Linie eine hohe Qualität fordern, aber auch unser Modell unterstützen wollen.
*Sylvia Meyer, Geschäftsleiterin des Vereins Access – bridge to work (www.jugend-access.ch) und Chancengeberin für Jugendliche aus Leidenschaft.
Die Idee zu Access entstand 2001 am Gottlieb Duttweiler Institut. Der Verein wurde 2003 nach Abschluss des Vorprojektes „bridge to reality“ gegründet. Sylvia Meyer war von Anfang an die treibende Kraft. Sie investiert ihr ganzes Wirken in das Thema Bildung und ist fest im Gewerbe verankert. Sie war Geschäftsleiterin des Stadtzürcher Gewerbeverbandes; im kantonalen Gewerbeverband hat sie als Bildungsverantwortliche u. a. die KV-Reform mitgestaltet. Am 23. September findet im GDI die Jahrestagung des Verbands Frauenunternehmen, der ‚ Jour Fixe Unternehmertum‘ zum Thema „Kurswechsel – Chancenblick“ statt. Dort gibt Sylvia Meyer einen tieferen Einblick in ihre Arbeit. www.frauenunternehmen.ch/jour-fixe