Der Zug fährt nicht, das Restaurant serviert nur bis 19 Uhr und das Paket kommt erst nach Monaten an – alles wegen Personalmangel. Ist das die Zukunft? Dass sich die Situation zuspitzt, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen und nicht genügend junge Menschen nachkommen, ist inzwischen allgemein bekannt. Offen bleibt die Frage, wie Unternehmen auf diese Entwicklung reagieren und was sie tun können, um zu den Firmen zu gehören, die gute Mitarbeitende rekrutieren und behalten können.
Eines der wichtigsten Elemente in diesem Zusammenhang ist die Unternehmenskultur. Sie wird in Zukunft immer entscheidender, wenn es darum geht, vor allem junge Talente anzuziehen. «Die Arbeitgebenden versuchen immer noch, mit hohen Gehältern und Boni zu überzeugen. Wenn sie zuhören würden, wüssten sie, dass dies nicht mehr funktioniert. Wichtiger sind Arbeitnehmenden Werte wie Menschlichkeit, Transparenz und Gleichberechtigung – eine gute Unternehmenskultur, das ist es, was junge Talente heute wollen», so German Ramirez, digital Pionier.
Auch Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Dozentin bei Rochester-Bern im «CAS Leadership & Inclusion» sieht in der Kultur einen Schlüsselfaktor: «Hard Facts wie Technologie und Prozessoptimierung haben beim Investieren klar Vorrang vor Aspekten wie agiles Arbeiten, Employee Experience oder Diversity. Das wird jedoch auf Dauer nicht funktionieren. Ohne flexible Angebote und eine offene, partizipative Kultur wird es künftig immer schwieriger, Mitarbeitende zu finden, zu motivieren und zu halten», sagt sie. Doch wie gestalten Unternehmen eine positive Kultur?
Veränderung ist der Normalzustand
Es gibt einen Unterschied zwischen «Change» und «Transformation». «Change hat einen Anfang und ein Ende», sagt Rump. Eine Transformation hingegen hat einen Anfang, aber niemand weiss, wann sie endet. Und genau in einem solchen Transformationsprozess befinden wir uns derzeit. Niemand weiss, wie es weitergeht. «Veränderung ist der Normalzustand», erklärt Rump. Wie können Führungskräfte in einer solchen Welt Orientierung und Beständigkeit vermitteln? Laut Jutta Rump sind es die Soft Facts, die hier Abhilfe schaffen: Wie gehen wir miteinander um? Was halten wir für richtig? Wie kommunizieren wir miteinander? Klare Werte und gelebte Normen bilden den roten Faden in der Transformation.
Nicht nur ein HR-Thema
«Wir brauchen eine bessere Unternehmenskultur und HR soll sich darum kümmern», so der Ansatz vieler Unternehmen, erklärt Ramirez. Das wird aber kaum funktionieren, denn die Unternehmenskultur ist ein übergreifendes Thema, welches alle Bereiche betrifft und überall gelebt werden will. Insbesondere die C-Level-Mitarbeitenden und der Verwaltungsrat tragen hier eine grosse Verantwortung: Eine erfolgreiche Unternehmenskultur wird von der Führung vorgelebt und bis nach unten klar kommuniziert.
Diversität & Inklusion
Ein Kulturwandel kann nur gelingen, wenn die gesamte Belegschaft einbezogen wird, die tendenziell immer vielfältiger wird – sei es durch die zunehmende Zuwanderung (Menschen mit Migrationshintergrund), die Öffnung von Geschlechternormen oder die Inklusion von Menschen mit Behinderungen. «Kulturelle Vielfalt im Unternehmen zu fördern heißt, alle Potenziale einer Belegschaft optimal zur Entfaltung zu bringen – eine Herausforderung, aus der mit entsprechender Haltung und einer offenen Unternehmens- und Führungskultur unternehmerischer Erfolg hervorgehen kann», sagt Rump. Da es nicht immer einfach sei, allen Anspruchsgruppen gerecht zu werden, rät Rump ausserdem: «Bleiben Sie sich selbst, aber seien Sie offen für Feedback. Sie können das Thema Diversität auch direkt ansprechen und die Leute bitten, sich zu melden, falls sie sich ausgegrenzt oder nicht gehört fühlen», fügt sie hinzu.
Der Einfluss der neuen Technologien
Mit der Digitalisierung verändert sich auch die Geschwindigkeit der Personalbeschaffung. «Die Leute kommen und gehen. Sie nehmen ein Sabbatical, wollen plötzlich nur noch 50 Prozent arbeiten oder sich nebenbei selbstständig machen», sagt Ramirez. Eine Kultur, die diese neue Geschwindigkeit verinnerlicht und die Ein- und Ausstiegsprozesse entsprechend anpasst, hilft, gute Mitarbeitende zu gewinnen. Neue Technologien wie KI werden zudem zu grösseren Veränderungen führen: «Bereiten Sie sich auf die Maschine als Mitarbeitende vor», so Rump. Dies wird ebenfalls eine Kultur der Offenheit, Neugierde und Risikobereitschaft voraussetzen.
Um Führungskräfte für die anstehenden Veränderungen fit zu machen, können Weiterbildungen wie das CAS Leadership & Inclusion, oder das CAS Digital Acceleration von Rochester-Bern unterstützen.
Autorin:
Amélie Lustenberger
Communication Manager Rochester-Bern Executive Programs