Es gibt viele pessimistische Zukunftsprognosen und Ängste im Zusammenhang mit der digitalen Transformation, z.B. die Befürchtung, dass Arbeitsplätze verloren gehen oder, dass die Menschheit von der künstlichen Intelligenz überholt und kontrolliert wird. Dabei geht manchmal vergessen, dass sie auch Chancen bietet. Die Digitalisierung kann beispielsweise zu mehr Inklusion führen.
Neue Möglichkeiten für Menschen mit Beeinträchtigungen
Die Digitalisierung hat den Aktionsradius von Menschen mit Beeinträchtigungen erweitert, indem sie Technologien hervorgebracht hat, die unterstützend wirken. Ein Beispiel sind Screenreader für Menschen mit Sehbehinderungen – ein Bildschirmleseprogramm. Der Screenreader «spielt» für sie die Augen und liest den Bildschirminhalt vor. Dadurch können blinde oder sehbehinderte Personen viele Aufgaben am Computer und im Büro übernehmen. Ein weiteres Beispiel sind Augensteuerungssysteme, die es motorisch stark eingeschränkten Personen ermöglichen, Computer durch Augenbewegungen zu steuern. Grundsätzlich können Menschen mit Beeinträchtigungen davon profitieren, mehr von zu Hause aus zu arbeiten, insbesondere, wenn sie aus unterschiedlichen Gründen, weniger mobil sind.
Wie weit die Möglichkeiten von beeinträchtigten Personen gehen, beweist Marcel Roesch, der blind ist und das Film- und Fototeam der Swisscom leitet. Im Studiengang «CAS Leadership & Inclusion» erzählt er als Gastreferent, wie es dazu kam und wie er seinen Alltag meistert. Ein weiteres Beispiel ist Fabrique28, ein inklusiver Gastronomiebetrieb von Blindspot, der bei Rochester-Bern das Catering anbietet und zeigt, dass Menschen mit Beeinträchtigung hochwertige Arbeit leisten.
Digitalisierung für mehr Geschlechtergerechtigkeit
Die Digitalisierung – richtig eingesetzt – bietet auch Chancen für die Gleichstellung der Geschlechter. «Die erhöhte Flexibilisierung der Arbeitswelt und die «Normalisierung» von Homeoffice können für Frauen die Verbindung von Arbeit und Privatleben vereinfachen. Sie löst jedoch das Problem nicht, dass Frauen, zusätzlich zur bezahlten Arbeit, immer noch wesentlich mehr Betreuungsaufgaben leisten als Männer», so Barbara Fry Henchoz, Gründerin von Re-Thinking Diversity.
Eine Studie zum Projekt «ClimbUp – Frauen in Führung gestalten Digitalisierung» am ItF Institut identifiziert zwei weitere Chancen für Frauen in der Digitalisierung: So würden gewisse Berufe verschwinden, andere aber entstehen. In den neuen Berufsbildern käme es vermehrt auf die Soft Skills und weniger auf die Hard Skills an. Wer sich rechtzeitig passend weiterbilde, habe die Nase vorn. Dies sei ein Vorteil für das weibliche Geschlecht, da Frauen im Berufsleben eher bereit seien, sich neue Soft Skills anzueignen als Männer. Die zweite Chance sei, dass im Zuge der Digitalisierung Kommunikationsfähigkeit und Selbstorganisation immer wichtiger würden. Auch dies seien laut Studie tendenziell eher Kernkompetenzen von weiblich gelesenen Personen.
Vernetzen und verbinden
Die Möglichkeit, sich zu vernetzen und Gehör zu finden, ist ein grundlegender Vorteil für mehr Inklusion im Zuge der Digitalisierung. In den Weiten des Internets ist es einfacher, Gleichgesinnte zu finden und auf Probleme aufmerksam zu machen. Menschen, die beispielsweise an einer seltenen Krankheit leiden, können sehr davon profitieren, wenn sie online Menschen mit dem gleichen Schicksal finden und sich austauschen können. Viele bahnbrechende Aufklärungskampagnen wie die MeToo-Bewegung haben ebenfalls ihren Ursprung in der digitalen Welt.
Auch wenn es darum geht, neue Geschäftsideen zu finden oder zu verwirklichen, kann die Digitalisierung helfen. Es ist leichter, sich zu informieren, Ideen zu finden, zu prüfen und auszutauschen und auch potenzielle Geldgeber und Kund/-innen zu finden. Auch im Hinblick auf Gendergerechtigkeit bietet das Vernetzen Vorteile: Lange waren Geschäftsnetzwerke, wie der Rotary oder der Lions Club männer dominiert und haben die Karrierechancen von Männern deutlich verbessert. In den letzten Jahren sind vermehrt auch Netzwerke ins Leben gerufen worden, in denen Frauen sich gegenseitig persönlich und beruflich unterstützen, wie das Beispiel von Ladies Drive zeigt. Diese Netzwerke sind unter anderem auch durch den digitalen Austausch befeuert worden.
Jede und jeder kann etwas beitragen
Die digitale Transformation kann Inklusion fördern, aber auch zu mehr Diskriminierung führen. «Nicht alle finden gleich leicht den Zugang zu digitalen Lösungen, und nicht alle profitieren gleichermassen von der Digitalisierung», sagt Fry Henchoz. Doch jeder und jede kann dazu beitragen, dass Digitalisierung zu mehr Chancen als Problemen führt.
«Wir können unser Wissen anderen anbieten, sei es in der Familie, sei es in Mentoring-Programmen, z.B. für benachteiligte Gruppen», so Fry Henchoz. Den Menschen im Umfeld neue Tools erklären, sie auf spannende digitale Optionen aufmerksam machen, sich mit ihnen über Veränderungen in der Arbeitswelt austauschen – durch teils auch kleine Gesten können Leute in ihren digitalen Fähigkeiten unterstützt werden.
Wichtig ist auch, dass wir den Einsatz für mehr Inklusion nicht nur den «Betroffenen» überlassen, sondern, dass wir alle mithelfen eine inklusive Gesellschaft zu gestalten. Der Begriff dafür lautet «Allyship»: Ein Prozess der aktiven Verbündetenschaft einer privilegierten Person mit Menschen aus einer gesellschaftlichen Minderheit. «Wir müssen lernen, die Welt nicht nur aus unserer Perspektive zu betrachten, sondern bewusst die Sichtweise anderer einzunehmen. Und uns dafür einsetzen, dass alle den gleichen Zugang haben zu Teilhabe und Selbstverwirklichung», so Fry Henchoz.
Gerade Führungskräfte, die in der Position sind, über die eingesetzten Softwares und KI-Systeme zu entscheiden, haben die Möglichkeit, auch hier zu mehr Inklusion beizutragen. Gemäss Fry Henchoz hilft es barrierefreie Angebote zu wählen und zu prüfen, dass die Systeme fair und ethisch sind. Dies sei als Käuferschaft nicht immer einfach. Deshalb sei es wichtig, diese Kriterium immer in die Evaluation aufzunehmen und die Firmen, welche Softwares programmieren, darauf explizit zu prüfen. Ein besonderes Augenmerk ist auch auf Daten zu legen, die genutzt werden, um KI zu trainieren. «Diese Daten sollten frei von Vorurteilen und Diskriminierung sein. So können KI-Systeme bei entsprechender technischer Ausgestaltung sogar Diskriminierung entgegenwirken und zu einer diverseren Gesellschaft beitragen», sagt Fry Henchoz.
Wer mehr über Chancen und Risiken der Digitalisierung erfahren will – sowie welche Praxis-Werkzeugen zu einem professionellen Umgang mit der digitalen Transformation führen – kann sich über den Rochester-Bern «CAS Digital Acceleration & AI» informieren. Der «CAS Leadership & Inclusion» legt den Fokus auf die Gestaltung nachhaltiger Inklusionsstrategien, die Ihr Unternehmen innovativer und wettbewerbsfähiger gestalten.
Links:
CAS Digital Acceleration & AI: https://bit.ly/DAC_LadiesDrive_Publi2024
CAS Leadership & Inclusion: https://bit.ly/LSI_LadiesDrive_Publi
Bilder: Von Shutterstock
Quellen:
- Admin, Die Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten: www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/67487.pdf
- Marcel Roesch: www.marcelroesch.ch
- Blindspot: blindspot.ch
- Studie zum Projekt «ClimbUp – Frauen in Führung gestalten Digitalisierung»: itf-kassel.de/nationale-projekte/climbup-karriereschritte-fuer-frauen-in-fuehrung-in-der-digitalen-arbeitswelt/