Was Charlotte will, bekommt Charlotte

Text: Dörte Welti

Ladies Drive - Charlotte Lynggaard
Wir haben Charlotte Lynggaard von der dänischen Echtschmuckmanufaktur Ole Lynggaard Copenhagen bereits in unserer Ladies Drive Winterausgabe 2021/2022 in der No. 56 porträtiert und interviewt. Jetzt durften wir nach Kopenhagen an die grosse Jubiläumsfeier zu Ehren des Businesses reisen, das Charlottes Vater, Ole Lynggaard, vor 60 Jahren gegründet hat. Und haben einen Fixstern erlebt, der Familie und Mitarbeitern Struktur und Halt gibt.

Hellerup ist ein schicker Vorort im Norden von Kopenhagen. Früher war es mal ein Dorf für sich, direkt am Øresund gelegen, im Laufe der Zeit hat die dänische Metropole Kopenhagen den pitoresken Ort einverleibt. Hier mietete 1963 ein junger kreativer Goldschmied namens Ole Lynggaard sein erstes Atelier. Längst ist die Firma ein paar Schritte weiter in einen wesentlich grösseren Komplex umgezogen, aber auch der besteht aus mehreren alten typisch dänischen Backsteingebäude mit vielen Stockwerken, kleinen Räumen, luftigen Loftateliers unter den Dächern und einem Innenhof. Hier treffen sich an dem Geburtstagsevent zu 60 Jahren Ole Lynggaard Copenhagen tagsüber die ersten 600 Gäste. Alle Ateliers sind offen, alle Mitarbeiter am Schaffen. Die Schränke zu den Rohstoffen sind fast ausnahmslos zugänglich, man vertraue den Menschen, die man eingeladen habe, dass sie nicht hineingreifen und Topas, Rubine oder Türkise mitgehen lassen, strahlt eine Mitarbeiterin. Das mit dem Vertrauen sollte dann aber noch erschüttert werden: Bei dem hauseigenen Fotografen wurde nach der Feier eingebrochen und Material, Kameras, Festplatten, alles, was er in 24 Stunden Geburtstagsevent zusammengetragen hat, gestohlen. Das ist bitter, aber die Firma verschickte ein paar Tage nach dem Event eine Rundmail und hat alle Gäste gebeten, ihre Fotos einzuschicken, eine Aufforderung, der ganz viele nachgekommen sind.

Vertrauen zählt

An dem Freitagnachmittag in Hellerup aber ist noch nichts von diesem Wehrmutstropfen zu spüren. Unfassbar viele schöne Menschen, vor allem ganz viele wunderbare blonde Frauen in beiger Sommergarderobe, schlendern durch die Ateliers. Die Mitarbeiter lächeln alle und auch sie sind alle schön. Bereitwillig erklären sie ihren Job, man erfährt, dass jede Goldschmiedin und jeder Goldschmied über alle Skills verfügen und jeder an jedem Arbeitsplatz alle Arbeiten ausführen kann – aktuell arbeiten die meisten an der neuen Kollektion Funky Stars –, so wird es nie langweilig und man versteht sich als eingeschworenes Team. Die Marketingabteilung sprüht vor Kreativität und Begeisterung über ihre Tasks, in der Qualitätskontrolle lernt man, die schönen Aquamarine von den sehr schönen zu unterscheiden. Und überall beginnen die Sätze mit «Charlotte meint, …», «Charlotte will, …», Charlotte sagt uns…», «Charlotte macht …». Egal in welcher Abteilung. Charlotte, Tochter von Ole und Karin Lynggaard, scheint allgegenwärtig, allsehend und allwissend zu sein. Ihr Bruder Søren, CEO des Familienunternehmens, wird es später am Abend auf den Punkt bringen: «Was Charlotte will, bekommt Charlotte.»

Shining Stars

Tatsächlich ist Charlotte Lynggaard sowas wie der Fixstern der Firma. Ob am Nachmittag oder am Abend, alles dreht sich irgendwie um sie. Sie hat es sich nicht nehmen lassen, gemeinsam mit ihrem Bruder am Abend jeden einzelnen Gast per Handschlag zu begrüssen und für jeden ein warmes Willkommenswort zu haben. 770 Mal. So viele waren zum grossen Fest in der Location, ein ehemaliger alten Schlachthof, geladen und gekommen: Familie, Freunde und Friends of the Brand wie Superstar Stellan Skarsgård mit seiner Frau, Mitarbeiter, Händler, Zulieferer, Ambassadoren (darunter Helena Christensen, Kelly Rutherford, Hannah Herzsprung), Menschen aus der ganzen Welt. Und wir, die Journalisten, auch aus aller Welt, durften auch dabei sein. Ole Lynggaard Copenhagen geht es gut, die Auftragsbücher sind voll, jedes Schmuckstück wird von Hand in Kopenhagen in der eigenen Manufaktur gefertigt, diese Exklusivität macht heute den Unterschied (das ausnahmslos recycelte Gold beziehen sie übrigens aus der Schweiz, von Metalor!). CEO Søren steuert die Geschäfte, Charlotte hat die Ideen für den Schmuck. Ole Lynggaard selbst ist ab und zu auch noch im Geschäft, lässt aber den Kindern seit der Geschäftsübergabe 2003 freie Hand, ein Privileg, dass die beiden zu schätzen wissen, wie sie betonen. Charlotte durfte immer auch Fehler machen, berichtet sie. Die Eltern hätten sie nie eingebremst und der Erfolg gibt der Marke Recht. Ole Lynggaard ist auch nicht käuflich, wie wir bereits vor zwei Jahren geschrieben haben, Luxusmarken-Holdings klopfen immer wieder mal an die Tür in Hellerup, beissen aber von jeher auf Diamanten, und das hat sich nicht geändert.

Sie ist, wie sie ist

Charlotte fasst am Abend in einer emotionalen kurzen an die versammelten Gäste gerichteten Rede die Grundfeste von Ole Lynggaard und ihren unkonventionellen – erfolgreichen – Führungsstil in treffende Worte: «Wir schätzen die langjährigen Kooperationen mit euch. Das Vertrauen, dass ihr in unsere Firma seit Jahren setzt. Das ist wertvoll und der Rückhalt unseres Erfolgs. Ich möchte auch unserem fantastischen Team danken. Ihr seid alle talentierte, passionierte, fähige und liebevolle Menschen. Ihr haltet unsere Werte hoch, zusammen haben wir eine starke Firmenkultur. Danke für eure Loyalität und den extra Effort, auch wenn der Druck hoch ist. Und Danke, dass ihr mich unterstützt, wenn ich die beste Qualität fordere, und wenn ich die Dinge so haben will, wie ich will. So bin ich, es gibt kein entweder oder, gut ist nicht gut genug.»

Familie als Stärke

Ole Lynggaard ist ein Patron, er strahlt auch heute noch eine unglaubliche Stärke und Präsenz aus, aber einer, der sein Wissen an seine Kinder und an die Mitarbeiter weitergegeben hat. Und bekommt dafür auch das Wissen seiner Mitarbeiter zurück, jeder habe Kompetenzen, die sie oder er einbringt für das Gesamte, manifestiert Søren, nicht nur die Familienmitglieder. In 60 Jahren hat die Firma so manche Klippen umschifft. Dass Ole Lynggaard nicht baden ging, liegt – und das ist in jedem Moment dieses Anlasses spürbar – an dem familiären Zusammenhalt. Für die Firma sind alle wichtig, die 160 Mitarbeiter sind genauso Familie wie der stetig wachsende Lynggaard-Clan. Die Kraft kommt von innen, für Firmengründer Ole Lynggaard war in den Anfängen seine – auch so wunderschöne! – Frau Karin die Muse, dann war es Charlotte, die Anzeigenmotive zierte, und jetzt steht mit Charlottes Tochter Sofia die nächste Generation am Start, sie hat das kreative Gen und bereits ihre erste Kollektion fertiggestellt. Und dann ist da noch Ella, Sørens jüngste Tochter, elf Jahre alt, die bereits ebenfalls von Hand eigenen Schmuck kreiert, sich mit einem Tisch vor die Company stellen und auf der Strasse ihre Ware verkaufen darf. Früh übt sichs, vor allem in Loyalität zur Familie und den Mitarbeitern. Möge diese dritte Generation die Weisheit ihrer Vorfahren leben, nicht bei jedem Unwetter das Handtuch zu werfen, sondern ruhiges Wasser anzusteuern, sich zurückzuziehen und nachzudenken, wie Charlotte über sich im Interview im Ladies Drive No. 56 von den unsicheren Coronazeiten erzählt hat. Und wenn man mal nicht weiterweiss: Charlotte fragen, die hat sicher eine Lösung.

Olelynggaard.com

Veröffentlicht am Juni 19, 2023

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