Scham – Schuld – Selbstzweifel

Ladies Drive Magazine Editorial - Vol. 60
Ihr Lieben, Scham, Schuld und Selbstzweifel waren bösartige und ständige Begleiter in meiner Kindheit und während meiner Teenager-Zeit. Vieles hatte in meinem Leben mit dem Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter zu tun.

Die strenge Mamma, der selten was gut genug war. Sie sagte mal zu mir, dass sie dachte, sie müsse das tun, um mich auf dem Boden zu halten – dass ich ihr immer drohte zu entgleiten, weil ich so schlau und unerschrocken war. Also hat sie mir das Fürchten beigebracht und dachte dabei, dass sie mir etwas Gutes tut. Sie erzählte mir schreckliche Geschichten von Mädchen, die von einem Pferd erdrückt worden sind – bis ich selbst Angst verspürte zu reiten und es schliesslich bleiben liess. Sie las mir Zeitungsartikel vor, wo Menschen aus Gondeln gefallen waren oder zu Tode stürzten, bis ich eine mir unerklärliche Höhenangst entwickelte. Immer wenn ich Kopfschmerzen hatte, war meine Mutter in Sorge, dass ich einen Tumor habe. Und wenn ich mal so gar nicht funktionierte, war da immer noch der Teppichklopfer an der Wand.

Heute weiss ich, dass sie so unfassbar viel Angst davor hatte, mich – ihr Wunschkind – zu verlieren. Also entschied sie sich, mich zu verängstigen, damit ich in ihrer Nähe und kontrollierbar bleibe. Eine Zeit lang lebte ich somit die Ängste meiner Mutter aus. Bis ich erkannte, dass sie nicht zu mir gehörten, nicht meine Ängste waren. Ich lernte, dass ich mich nicht um meiner selbst zu schämen brauche. Dass es, auch bei Streitigkeiten, nicht um Schuld geht. Und dass die Selbstzweifel mich nur kleinhalten.

Für eine Weile habe ich, häufig etwas verzweifelt, überkompensiert, um diesen immer wieder aufkeimenden Gefühlen von „Ich bin kein guter Mensch“ oder „nicht gut genug“ begegnen zu können. Mit ganz viel Geduld, mit ganz viel Liebe meines Mannes durfte ich vieles neu erleben und neu lernen. Ich hab mir für Unzähliges, was ich getan oder gesagt habe, verziehen – ebenso meiner Mutter. Weil ich entschieden habe, dass Hass oder Missgunst keinen Platz in meinem Leben haben. Und dass ich keine Furcht vor den vielfältigen Schmerzen des Lebens zu haben brauche, weil ich es für wahrscheinlich halte, dass mir sehr viel Gutes zuteilwird. Und wer Gutes erfahren hat, kann mit Tiefschlägen besser umgehen.

Folgende Dinge sage ich mir immer und immer wieder, wenn ich spüre, dass meine Ängste und Selbstzweifel aufkommen:

  1. Ich bin nicht Superwoman. Ich muss nicht jeden Tag die Welt retten. Ich darf auch mal „ausser Betrieb“ sein, muss nicht ständig funktionieren, muss nicht perfekt sein. Perfektion ist ohnehin nur in den seltensten Fällen wirklich spannend.
  2. Ich bin nicht auf dieser Welt, um alles zu können oder zu perfektionieren. Sondern um Fehler zu machen. Wenn wir alle so denken würden, bräuchte es nicht mal mehr einen Sündenbock, den wir als äusseren Feind etablieren müssten. Weil wir verstanden hätten, dass wir auf dieser Welt nicht unsere Feinde sind und dass Fehler einen grossen Teil unseres Lebens bestimmen.
  3. Ich brauche mich für mein Sein nicht zu schämen. Weshalb wären wir sonst hier? Ich vertraue also auf das Universum – es hat uns schon an den richtigen Ort zur richtigen Zeit „geschickt“. Wäre ich obsolet, wäre ich schon längst nicht mehr hier, oder?
  4. Ich sage mir nicht mehr, dass ich an etwas schuld bin – sondern dass ich für etwas verantwortlich zeichne. Ich bin verantwortlich für mein Tun – und kann es beeinflussen, in die eine oder andere Richtung.
  5. Zweifeln ist gut – es führt zu einem Innehalten für den Dialog mit mir selbst, es stärkt meinen inneren Kompass und ist ein Instrument meines Bauchgefühls und wird so zur wundersamen Navigationshilfe.
  6. Ich muss nichts Grosses tun, um bedeutsam zu sein in meiner Existenz. Denn es steckt ganz viel Liebe und Güte in den scheinbar kleinen Dingen des Lebens. Einem Danke. Einer Berührung. Einem Kuss. Wir sind uns manchmal nicht bewusst, was all das bewirken kann für andere – und für uns selbst. Genau wie ein Trauma oder ein Drama bewirkt auch etwas Gutes in mindestens sechs anderen Leben einen Welleneffekt.
  7. Zweifel gibt es somit künftig nur noch als Pommes Chips. Aber nicht mehr in meinem Universum (mehr dazu übrigens auch in der Kolumne von Patti Basler in der Winter-Ausgabe No 60 von Ladies Drive – bestellen könnt Ihr eine Ausgabe kostenlos in unserem Shop)!

Wir sind eine Business Sisterhood. Also dürfen wir uns gegenseitig (be)stärken, unsere Zweifel zerstreuen, uns zelebrieren und gegenseitig kritisieren, ohne zu bewerten und zu urteilen, um gemeinsam zu wachsen. Wir dürfen „lieb“ zu uns selbst – und zu anderen – sein.

Ein chinesisches Sprichwort sagt, dass nur schlaue Menschen immer wieder neue Fehler finden, die sie begehen können. Fehler sind der einzige Grund, dass wir überhaupt existieren und uns anpassen können. Die viel beschworene Agilität basiert auf dieser Anpassungsfähigkeit. Es ist alles im Leben eine Frage der Balance – nicht des Dogmas.

Also lasst uns jede Menge neue Fehler machen, damit wir die Chance haben, zu innovieren und auf neue Ideen zu kommen. Ohne Scham, Schuld und Selbstzweifel. Sondern mit ganz viel Mitgefühl, Zufriedenheit und Wohlwollen dem Leben gegenüber. Also erstelle ich regelmässig am Ende des Jahres eine „To-be-Liste“ statt immer nur eine „To-do-Liste“. Wie möchte ich sein und mich fühlen? – Mein Mantra ist, dass ich mir und anderen mit Liebe begegnen möchte. Wenn ich das tue – wofür müsste ich mich dann schämen? Weshalb an mir zweifeln, wenn ich so bin, wie ich mir das wünsche?

Falls Ihr alle Interviews in der Ladies Drive Ausgabe No 60 lesen wollt: einfach auf den Shop klicken und eine kostenlose Ausgabe zum schnuppern bestellen.

Veröffentlicht am Januar 05, 2023

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