Über die Kraft der Uneinigkeit, die Kunst des Streitens und darüber, wie wir trotz aller Unterschiede wieder zusammenfinden können: Zu diesen spannenden Themen diskutierten Tiefenpsychologin Ines Imdahl, Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und der Universalgelehrte Michael Braungart beim 77. Ladies Drive Bargespräch. Die drei herausragenden Persönlichkeiten könnten unterschiedlicher nicht sein – und waren genau deshalb die Idealbesetzung für das herausragende Panel unter dem Motto «Let’s agree to disagree»
Was in der Natur eine Selbstverständlichkeit ist – Ko-Existenz verschiedener Spezies – wird in unserer Gesellschaft zunehmend zum Kraftakt. Frauen, Männer, Kinder, Natur, Umwelt – selbst das Normalste wird extremisiert, stellt Ines Imdahl fest.

Uneinigkeit beschreibt die Tiefenpsychologin als innere Zerrissenheit. «Ist man mit sich selbst im Reinen, kann man auch andere Meinungen zulassen.» Die Polarisierung schreite deshalb im Eiltempo voran, weil das Normale extremisiert und extreme Äusserungen mit noch extremeren getoppt werden, sodass wir uns an sie gewöhnen. Die männlichen Ideale – Durchsetzung und Fokussierung – drängen die weiblichen Superkräfte -Harmonie und Kompromiss – an die Wand. «Kompromiss ist sogar ein Schimpfwort geworden. Kompromissbereitschaft wird einem als Schwäche ausgelegt», stellt Ines Imdahl fest. Dabei sei es gerade jetzt so wichtig, neue Lösungen zu überlegen und die andere Seite zu sehen. Das könnten Frauen besonders gut. Ihr Plädoyer: «Wenn wir uns wirklich auseinandersetzen, können wir zueinanderfinden. Denn uns verbindet mehr, als uns trennt. Gemeinsamkeiten zu finden ist der Schlüssel.»
«Wer CO2 sparen will, muss Champagner trinken»
Diese Gemeinsamkeiten zu finden, dürfe jedoch nicht langweilig sein. «Klimaneutral bis 2045 – wer will das schon?», fragt Prof. Michael Braungart.

Prof. Michael Braungart: „Weniger schlecht ist nicht gut.“ Der Mitbegründer des Cradle-to-Cradle-Konzepts fordert einen Fokus auf Schönheit, Freude und Sinn. Cheers to that!
Der Erfinder des Cradle-to-Cradle-Konzepts plädiert für positive gemeinsame Ziele, die fröhlich stimmen und nicht moralisieren. «Man versucht möglichst wenig schlecht zu sein, aber wir wollen doch gut sein», so der Universalgelehrte. «Wenn wir den Menschen als Chance begreifen, benimmt er sich auch so – freundlich und grosszügig. Wir sind etwas wert, weil wir Menschen sind.» Er lädt ein, das mantraartige Sparen, Vermeiden, Verzichten durch das Bild von einem Kirschbaum zu ersetzen: Er produziert Blüten im Überfluss und alles ist nützlich, schön und effektiv zugleich. Sein ermutigendes Plädoyer: «Wir sollten nicht immer versuchen, vernünftig zu sein. Wir sind eine Chance für den Planeten, wenn wir gemeinsame Ziele verfolgen, zum Beispiel Schuhe, Zebrastreifen, Textilien, die nicht weniger Abrieb erzeugen, sondern keinen, oder nützlichen, wie es uns der Kirschbaum vormacht.» Die 300 Teilnehmerinnen nahmen den Professor beim Wort und stiessen beherzt und ohne Schuldgefühle auf die Schönheit der Öko-Effektivität an. Denn: «Wer CO2 sparen will, muss Champagner trinken, nicht Prosecco.»
Gegriffelt, nicht gewischt: Wie wir mit Yoga die Demokratie retten – und warum Denken in der Hand beginnt
Wie bleibt man ruhig, wenn sich alles gegen einen verschwört? Die renommierte Bestseller-Autorin und Politikwissenschaftlerin Prof. Ulrike Guérot hat ein Rezept, das nicht nur im Fernsehstudio von Markus Lanz funktioniert: Yoga. «Der Kopfstand ist ein körperliches Instrument, die Perspektive zu wechseln und den anderen zu verstehen. Deshalb sollte der Kopfstand verpflichtend sein an Schulen», ist die Politikwissenschaftlerin überzeugt.

Die Erniedrigung der Frau und die strukturelle Gewalt der Männer in Diskussionen fördere die polarisierten Meinungslandschaften: «Vertritt man nicht die gängige Meinung zu Reizthemen, wird man umstritten gemacht, damit man ausgesondert werden kann.» Demokratie ist Meinungsfreiheit. Dennoch stellt die Bestseller-Autorin von «Wer schweigt, stimmt zu» fest, dass Wissenschaftskritik geghostet und Inhalte in Zeiten von Social Media nur noch oberflächlich betrachtet werden. «Wer auf der anderen Seite steht, darf nicht mehr argumentieren, steht vor einer Brandmauer», weiss die Professorin aus eigener Erfahrung. Warum formale Debattenräume verkümmern, und durch formloses Empörungs- und Polarisierungsklima ersetzt werden, schreibt die Wissenschaftlerin u.a. den Social Media und der Digitalisierung zu: «Das Internet hat den Denkprozess kaputt gemacht. Uns fehlt der Kontext durch eng geführte Fragestellungen.» Ihr Appell: «Kinder müssen begreifen – am besten mit dem Griffel, mit Kreide und Schwamm. Wenn wir unsere Handschrift verlieren, verlieren wir unsere Sprache. Wenn wir mit der Hand mitschreiben, filtern wir das Wichtige heraus und begreifen, was zählt» Ihre Antwort: die analoge Schule. Als Beispiel führt die Publizistin 5000 Jahre Kulturentwicklung und Degenerierung – von den Hieroglyphen hin zu den Emojis – an. «Wenn wir verlernen selbst zu denken und mündige Bürger zu sein, verlieren wir unsere Demokratie. Das ist leider alles schon passiert. Wir brauchen Vernunft und Demokratie. Wir müssen Europa wiederfinden», so ihr Aufruf.
Der Glaube an das Verbindende
eint die drei Panelgäste. Und das nicht trotz, sondern wegen ihrer Unterschiede. Sie leben vor, dass Co-Existenz mehr ist als höfliche Duldung. Unterschiede auszuhalten – und sie vielleicht sogar fruchtbar zu machen – ist eine aktive Entscheidung. Wer sich nicht einig sein muss, um sich zu respektieren, hat die Zukunft verstanden und kann sie gestalten.
Ladies Drive schafft Räume – für offene Gespräche, echte Begegnungen und gegenseitige Inspiration. Und das ist in einer Zeit, in der soziale Medien eher trennen als verbinden, fast schon revolutionär.
Danke für den magischen Abend an unsere Partner und Sponsoren und für die fruchtbar-hitzigen Diskussionen!






































































