Der Monitor Familienforschung (Ausgabe 33, Juni 2014, BMFSFJ) benennt als Zielgruppen mit besonderen Anforderungen an eine zeiteffiziente Mobilität Familien mit Kindern unter zwölf Jahren, da diese oftmals nur über wenig aktive und gemeinsame Familienzeit verfügen. In einer Untersuchung des Familienministeriums aus dem Jahr 2012 (8. Familienbericht, BMFSFJ) wurde herausgestellt, dass sich Kinder vor allem aktiv miteinander genutzte Qualitätszeit mit der Familie wünschen. Außerdem ist es Kindern wichtig, dass ihre Eltern bei Bedarf erreichbar und in der Nähe sind, und die Wegebegleitung durch die Eltern.
Zeiteffiziente Mobilität bringt Arbeitskraft Begleitmobilität verursacht also in Familien durchgängig Zeitkonflikte. Denn die meisten Eltern verwenden (viel) Zeit darauf, ihre Kinder zu Betreuungseinrichtungen, zur Schule oder zu Freizeitangeboten zu bringen bzw. zu fahren. Dabei geht es auch um Entfernungen und Wegezeiten zwischen Wohn- und Dienstleistungsorten. Eine ungenügende Synchronisation in den verschiedenen familialen Lebensbereichen vor Ort, d. h. von Arbeitszeiten, Betreuungszeiten in Kita und Schule, Sprechstundenzeiten in Ämtern und bei Ärztinnen und Ärzten, Ladenöffnungszeiten sowie zeitlichen Taktungen im ÖPNV erhöht den Zeitstress.
Es müssen also intelligente Lösungen gefunden werden, um den Aufwand und den damit verbundenen Stress zu verringern. Bei dieser Querschnittsaufgabe über viele Handlungsfelder hinweg geht es darum, bereits vorhandene Angebote und mögliche neue Strukturen entsprechend den heute aktuellen Bedürfnissen moderner Familien weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen ist dies eine lohnende Aufgabe, denn gerade Frauen werden als gut ausgebildetes Arbeitskräftepotenzial in der Wirtschaft gesucht und geschätzt. Eine auf 1’200 Interviews basierende Kosten-Nutzen-Analyse, veröffentlicht im o.g. Monitor Familienforschung (Ausgabe 33), ergab: Würden die ÖPNV-Angebote verbessert, würden die befragten Mütter, die aus diesem Grund eine gewünschte Ausweitung ihres Erwerbsumfangs derzeit nicht realisieren können, zwischen 8,8 und 16,5 Stunden pro Woche mehr arbeiten. An dieser Bereitschaft zu Mehrarbeit würden sich Unternehmen gern bedienen, was wiederum zusätzliche Einnahmen für die öffentliche Hand in Form von Steuern und Sozialabgaben ergeben würde.
Intelligente Apps und To-do-Listen als Lösungsansatz In einer aktuellen Studie des Kompetenzzentrums Frau und Auto (Band 13: Doppelt mobil – Berufstätige Mütter mit Kindern unter 12 Jahren. Fokusgruppen-Interviews zur Nachfrageanalyse und Ableitung von entsprechenden Wertangeboten in einem innovativen Geschäftsmodell für App-Anbieter und Automobil-Hersteller; Cuvillier Verlag, September 2014) betonten die Mütter die starke gesundheitliche Belastung durch Alltagsstress. Der täglich anfallende, hohe Koordinationsaufwand führe dazu, dass bisweilen Termine vergessen würden. Beklagt wurde von einigen Frauen auch die Benutzerunfreundlichkeit des Mobiltelefons, insbesondere im Auto.
Apps mit Echtzeitinformationen zu Staus, Abfahrtszeiten von ÖPNV, Öffnungszeiten und vor allem mit integrierten To-do-Listen, die entsprechend den zur Verfügung stehenden Entfernungs- und Zeitfenstern automatisch sortiert werden und darauf aufbauend zeiteffizient von den Nutzern abgearbeitet werden können, sehen viele Mütter als sinnvolle Erweiterung der Nutzung ihres Smartphones im Auto.
Die Tür für gemeinsam von Automobilherstellern, Telekommunikations- und Diensteanbietern sowie den Kommunen entwickelte Lösungen steht also ganz weit offen. Die Nachfrage ist da, das Angebot jedoch noch nicht den Bedürfnissen der potenziellen Nutzer entsprechend ausdifferenziert.
Ihre Doris Kortus-Schultes
* Doris Kortus-Schultes ist Professorin an der Hochschule Niederrhein und leitet dort das Kompetenzzentrum „Frau und Auto“ (www.frau-und-auto.hsnr.de)