So bin ich, zurück im beschaulichen Appenzell, häufig wieder dankbar, die äusserst ungesprächigen und unkommunikativen Rehe, Pferde und Kühe um mich herum zu haben. Dies hat mich in meiner Freizeit zum leicht misanthropischen Menschen werden lassen. Aber ich wollte es ja so. Mein Entscheid, selbstständig zu sein, Unternehmerin sein zu wollen, war eigens gefällt. Und es stünde mir absolut frei, mich jederzeit umzuentscheiden, auch wenn ich jeweils als nur schwer führbar galt in meinen Angestelltenzeiten. Weil ich Hierarchien hinterfragte oder, wenn auch nur geistig, aber dennoch, ausser Kraft setzte. Mir war noch nie klar, dass jemand vom Grundsatz her im Recht sein soll, nur weil er auf einer vermeintlich höheren Hierarchiestufe im Unternehmen steht. Strategisch gesehen verstehe ich das mittlerweile – einige Jahre später – durchaus. Aber menschlich und fachlich gesehen will es trotz durchaus vorhandenem IQ nicht in meinen Kopf. Hierarchiegläubigkeit und Statusdenken fand ich noch nie besonders inspirierend.
Schlussendlich gibt es für mich genau einen Typ Mensch, der mich inspiriert: Jener, der liebt, was er tut, ganz egal, was dies ist. Ob er im Kino die Karten abreisst, als Koch unseren Gaumen verführt, als Leader die Verantwortung trägt, als Musiker auf der Bühne berührt – oder als Tankstellenwart mit einem Lächeln auf den Lippen uns einen Dienst erweist. Denn jene, die lieben, leben. Und bewegen. Sie inspirieren und faszinieren. Ebenso wie beispielsweise die drei Frauen in unserer Hauptreportage „Frauenkarrieren in NGOs“. Nadja Lang, Regula Straub und Manon Schick haben allesamt auf Salär, teilweise wohl auch auf den kommerziellen Status verzichtet, um in einer NGO etwas zu bewegen. Nur damit hier nicht der Eindruck entsteht, dass nur Menschen in NGOs Gutes tun können: Es ist ja nicht so, dass beispielsweise die „bösen“ Banken weniger hehre Ziele verfolgen – nein, so einfach ist es nicht, unser Leben, unsere Gesellschaft ist viel zu komplex aufgebaut, als dass etwas vorschnell und pauschal abgeurteilt werden könnte. Aber es verdient meinen persönlichen Respekt und Hochachtung, wenn Menschen einen unbequemen Weg wählen, weil sie davon beseelt sind, was sie täglich tun. Dabei vergessen diese Menschen häufig, dass sie gerade einen „Job“ erledigen (lesen Sie doch auch das Interview mit Acqua-di-Parma-Chefin Gabriella Scarpa). Sie lieben, was sie tun, fühlen sich berufen – und trennen ihr Berufsleben kaum mehr von Privatem. So sollte es doch auch sein! Gerade in schwierigen Zeiten brauchen wir Menschen mit Passion, mit Hingabe und Intelligenz, die die grossen Herausforderungen der Welt und unserer Gesellschaft zu den ihren machen. Solche Menschen finden Sie auch in dieser Herbstausgabe von Ladies Drive wieder zu Hauf. Lassen Sie sich doch anstecken und berühren!
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht allen beseelt Verliebten und bewegt Passionierten.
Ihre
Sandra-Stella Triebl
Herausgeberin Ladies Drive