LA Grande Dame

Text: Sandra-Stella Triebl
Foto: Press

Gina Domanig ist gebürtige Amerikanerin. Ihr ursprünglicher Berufswunsch: Präsidentin der Vereinigten Staaten. Was sie heute ist: eine Innovatorin. Eine Ikone. Eine der ganz Grossen im Geschäft. Ihr Business? – Sie ist Gründerin und Managing Partner von Emerald Technology Ventures mit Hauptsitz in Zürich. Mit über 370 Millionen Euro investiertem Geld ist ihre Firma eine der grössten Risikokapital-Unternehmungen Europas. Und auch eine der erfolgreichsten. Und das mit einer Nischenstrategie. Und die heisst bei ihr Cleantech.

Gina Domanig ist zweiundfünfzig. Eine höchst attraktive Lady, die, egal welchen Raum sie betritt, in zeitloser Eleganz erscheint, mit ruhiger und bedachter, überlegter Gestik, wachem, aufmerksamem Blick in bewusster Perfektion agierend. Eine Grande Dame. Mit diversen attraktiven Verwaltungsratsmandaten, einer unglaublichen Karriere und hart erarbeitetem Erfolg. Doch sie ist keine dieser „tough cookies“, ohne Sinnlichkeit und Weiblichkeit, obwohl man ihr absolut zutraut, dass sie auch diese Karte spielen kann, wenn es die Umstände erfordern. Trotz der wohl bedachten Perfektion, die Gina an den Tag legt, hat sie dieses schelmische Lächeln, das ab und an über ihr Gesicht huscht, wenn sie sich passioniert und wortgewandt in eine Diskussion begibt. Und genau dieses Strahlen ist es, was eine wahre Denkerin und Visionärin ausmacht und sie dabei so überaus sympathisch erscheinen lässt.

Gina wuchs als drittes von vier Kindern einer französischen Mama und eines süditalienischen Papas in einem Immigrantenstadtteil Chicagos auf. „Alle in meiner Familie, vor allem meine Eltern, haben immer sehr hart gearbeitet. Wenn ich mich zurück entsinne – an den ersten Job bei der Bank – so hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich einfach am Arbeitsplatz sass und dafür den ganzen Tag bezahlt wurde. Wir waren es gewohnt, körperlich zu arbeiten. Und das war für mich fast ein wenig beschämend.“ Arbeit, so wurde Gina Domanig als Kind beigebracht, sei etwas Natürliches, etwas, das jeder ungeachtet von Geschlecht und Herkunft tun sollte, um einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Die Eltern vermittelten ihr aber auch stets das Gefühl, dass sie voll und ganz an ihre Tochter glauben – egal welchen Weg sie mal beruflich oder privat gehen möge. „Dafür bin ich ihnen dankbar und ich kann mich echt glücklich schätzen“, so die erfolgreiche Managerin, und man spürt regelrecht, welche Wärme und tiefe Dankbarkeit in diesen Worten liegt. Den ersten, kindlichen Berufswunsch beiseite legend, gab sich Gina später der Vision oder, wie sie selbst sagt, Illusion hin, Richterin zu werden – um ein Mass an ethischer, wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit in der Welt garantieren zu können. Doch während ihres Studiums an der Uni begann sie sich mit internationaler Finanzwirtschaft auseinanderzusetzen, hatte mit zwischenstaatlichen Organisationen wie der Weltbank oder dem Roten Kreuz zu tun. Und schlussendlich startete ihre Karriere in der Swiss Bank Corporation. „Mein Eltern waren sehr stolz auf mich … ich war die Erste in unserer Familie, die einen akademischen Grad erlangte“, so die US-Amerikanerin weiter. Ihr erster Job führte sie also von Chicago nach New York. Schon damals fühlte sie sich angekommen, sicher und genau am richtigen Fleck. In New York und im damaligen Bankverein lernte sie mit 25 auch ihren späteren (Schweizer) Ehemann Gerry Domanig kennen, der zurück in die Schweiz transferiert werden sollte. „Wir waren jung, unabhängig, kinderlos … wir dachten, das machen wir nun ein paar Jahre, gehen in die Schweiz – und dann wieder zurück nach Amerika.“ Doch dann erhielt Gina ein Jobangebot, welches ihre Perspektiven verändern sollte. Sie arbeitete in der Schweiz erst mal in einem Family Office, in welchem sie in Kontakt zu einer Managerin des Unternehmens Sulzer kam. Und dann ging‘s Schlag auf Schlag. Sie wurde zu Sulzer abgeworben, weil man dort auf der Suche nach jemandem mit fundierten Finanzkenntnissen war. „Right time, right place“, möchte man da sagen. Und ehe sie sich versah, hatte sie nicht nur den Job eben jener Dame, die sie zu Sulzer geholt hatte, sondern sass auch noch im Strategieausschuss und war fortan für die strategische Planung, Fusionen und Übernahmen zuständig. „Bei Sulzer war ich eine Exotin. Eine Frau ohne militärisches Netzwerk in der Schweiz, ohne technologischen Bildungshintergrund … das war in den 1990er-Jahren höchst unüblich. Ich war so exotisch, dass ich fast schon Hofnarren-Status innehatte.“ Gina lacht schallend, während sie von ihrem Einstieg beim weltweit tätigen Industrieriesen Sulzer erzählt. Ihr USP war ihre Aussergewöhnlichkeit, welche ihr also eine Menge Türen und eine Vielzahl an Möglichkeiten öffnete. „Man konnte mich einfach nicht in eine Schublade stecken.“

Fortan begann für Gina Domanig eine wahrlich spannende Reise, denn Sulzer entwickelte sich unter ihr von einem, wie sie es ausdrückt, „schrecklich diversifizierten, unzusammenhängenden Konstrukt“ hin zu einer einheitlichen und strategischen Holdinggesellschaft. Doch für die Amerikanerin war dennoch nicht alles eitel Sonnenschein. Die Dynamik im Unternehmen war gross, die Arbeitsatmosphäre taff, um nicht sogar zu sagen rau: „Man hätte meinen können, der Management-Stil sei vom Militär adaptiert worden. Die Hierarchien waren strukturiert und streng … viele Höflichkeiten wurden da nicht ausgetauscht.“ Gina erzählt ganz freimütig, wie schwer ihr das im Alter von 26 Jahren alles persönlich fiel, und dennoch war ihr intuitiv klar, dass man hier bereit war, sie zu fördern. Zu den grössten Förderern gehörte der damalige Konzernchef Fritz Fahrni: „Als ich bei Sulzer anfing, war ich überzeugt, dass er mich nicht mag. Wenn ich beispielsweise etwas kommentierte, hat er mir vor versammelter Mannschaft auch mal an den Kopf geworfen, das sei Blödsinn, was ich da rede. Wenn ich dann starr und still wurde, hakte er manchmal sogar nach und fragte, ob ich dem nichts mehr hinzuzufügen hätte …“ Gina wirkt nachdenklich.
Ich hab die Leute immer beim Wort genommen. Hat man mich nach meiner Meinung gefragt, hab ich sie immer geäussert, ohne mir ein Blatt vor den Mund zu nehmen – ohne eine Falle dahinter zu vermuten.“ Heute ist die Topmanagerin da abgebrühter – und entspannter. Jetzt sei Fritz Fahrni übrigens der netteste Götti, den sie habe, ergänzt sie beschwichtigend. „Er besuchte mich sogar zu meinem fünfzigsten Geburtstag. Ich hab nie mit ihm darüber gesprochen, aber ich glaube, er vertritt die Ansicht, dass er mich für meine Zukunft zu einer robusten Managerin ausgebildet hat. Er war taff, aber immer fair – und ich glaube, ich hab noch nie mit jemandem gearbeitet, der so integer ist wie er.“ Wer gemeinsam eine intensive Zeit erlebt, fühlt sich verbunden – so offenbar auch in diesem Fall. Sie habe von ihm auch gelernt, dass man nie Abstriche bei seinen eigenen Wertvorstellungen machen dürfe. In Ginas Worten liegt noch immer eine Menge Bewunderung.

Ganze zehn Jahre sollte ihr Engagement für Sulzer dauern. „Dann wurde Sulzer restrukturiert und der damalige Chef Fritz Fahrni verliess das Unternehmen. Mit dem Führungsstil des neuen Managements konnte ich mich schlicht nicht mehr identifizieren. Vielleicht war es auch der Tritt in den Hintern, den ich brauchte, um zu neuen Ufern aufzubrechen und einen weiteren Schritt zu wagen“, lautet ihre nüchterne Analyse. Doch – wohin sollte ihre Karriere sie nun führen? Ein Netzwerk zu Menschen ausserhalb von Sulzer oder ihrer Familie pflegte die ambitionierte Finanzexpertin nicht. Anrufe von Headhuntern hatte sie stets konsequent ignoriert. Ich hake nach. „… Und wieso das?“ – „Ich war einfach beschäftigt. Je weniger Menschen dich kennen, desto weniger Kritik erntest du. Ich wollte nicht auf dem Radar landen oder gar eine Zielscheibe sein.“ „Ich konnte auch nicht wirklich viele Interviews von dir finden“, entgegne ich weiter. Gina zuckt mit den Schultern und lächelt. „Ja, so war ich immer. Ich hab gearbeitet und mich um die Familie gekümmert. Der Rest interessierte mich nicht.“ desto weniger Kritik erntest du. Ich wollte nicht auf dem Radar landen oder gar eine Zielscheibe sein.“ „Ich konnte auch nicht wirklich viele Interviews von dir finden“, entgegne ich weiter. Gina zuckt mit den Schultern und lächelt. „Ja, so war ich immer. Ich hab gearbeitet und mich um die Familie gekümmert. Der Rest interessierte mich nicht.“

Eine zufällige Bekanntschaft mit einem Headhunter sollte Gina eine nächste Lektion in Sachen „Machtspiele und Zielerreichung auf Top-Niveau“ erteilen. Dieser nicht genannt sein wollende Headhunter gab Gina eine Liste von fünf Personen und forderte sie auf, diese anzurufen, und zwar nach einer klaren Methode: „Er sagte mir, ich solle diese fünf Leute anrufen und in den ersten zwei Minuten erzählen, welchen Titel ich habe, wieviel ich verdiene und was ich suche. Ich dachte mir erst, dass das so unmöglich sei und absolut unverschämt. Aber er beharrte darauf. Er meinte, niemand würde mich kennen, also müsste ich bei diesen Anrufen möglichst schnell Aufmerksamkeit generieren. Also – hab ich das gemacht. Innerhalb von drei Wochen hatte ich einen neuen Job.“
Der neue Arbeitgeber hiess SAM, ein auf nachhaltige Investments spezialisiertes Schweizer Unternehmen – ihre Mission: der Aufbau des Venture Capital Geschäfts. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Sohn gerade mal zwei Jahre alt. „Ich hab immer gearbeitet, hatte eine Nanny, auch mein Mann hat eine Karriere – aber es lief bei uns immer alles sehr organisch und fühlte sich für uns alle gut an. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich zu diesem Zeit-punkt einen Führungsjob hatte – da ist das wahrlich einfacher.“
Sechs Jahre später sollte SAM übrigens der Grundstein des Erfolgs ihres eigenen Unternehmens werden – über ein Management Buyout kam es 2006 zur Gründung von Emerald Technology Ventures und Gina übernahm ihr gesamtes Team sowie ein Drittel der Anteile. Ihre Augen leuchten. „Ich bin wirklich sehr glücklich. Glücklich mit den Leuten in meinem Team, mit den Dingen, mit den Werten, die wir vertreten. Cleantech ist die Nische, in der wir uns niedergelassen haben – ich bin zwar keine Stiftung, aber wir leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Innovationen in diesem Bereich.“ Jedes Jahr erhält Emerald an die 1‘000 Businesspläne ambitionierter Jungunternehmer aus dem Cleantech-Sektor. Nur deren drei schaffen es zu guter Letzt. Dass Gina es in einer absoluten Männerdomäne an die Spitze geschafft hat und sich auch dort halten konnte, verdankt sie mit-unter Fritz Fahrnis Schule und dem Umstand, dass sie die ungeschriebenen Gesetze der Macht erlernte. Es ist ja nicht so, dass man in der Teppichetage in einem Haifischbecken schwimmt, aber doch so ähnlich. Es geht um Macht. Geld. Einfluss. Kuscheln und knuddeln ist da nicht. Eher Allianzen bilden, Strategien verfolgen und so ans Ziel kommen. „Ich erkannte früher die Signale nicht, weil ich dachte, dass ich mich im Job mit Kollegen auf Augenhöhe bewege, dass man gleichgesinnt und kollegial agiert. Auch hab ich Informationen stets konsequent geteilt.“ – Ein Fehler, der viele Frauen auf der Karriereleiter ins Straucheln bringt, so ihre warnenden Worte. „Frauen stufen sich selbst herab – dann kommt eine andere Frau, um sie wieder hochzuziehen. Das nennt man eine Freundschaft. Im Business ist das aber ganz anders:
WENN EINE FRAU SICH HERABSTUFT, IST DAS FÜR EINEN MANN IN EINER KONKURRENZSITUATION EINE EINLADUNG, DIR AUF DEN KOPF ZU STEIGEN. WIR FRAUEN MÜSSEN ALSO GEWAPPNET SEIN!“

Frauen müssten die gleiche Sprache sprechen wie Männer, um sich in der Teppichetage und auf dem Weg dorthin zu beweisen. „Wenn du nach Italien fährst, unterhältst du dich dort mit den Leuten auch nicht in Russisch!“ Wenn Frauen sich in Männerdomänen etablieren wollen, und zwar langfristig und nachhaltig, müsse man sich auch entsprechend bewegen können und den richtigen Ton treffen. Diese Learnings fielen Gina ganz offenbar nicht leicht – ganz im Gegenteil. Sie erzählt offen, wie sehr sie das traurig stimmte: „Ich dachte am Anfang meiner Karriere und immer wieder mittendrin, dass ich stets freundlich sein, Freundschaften schliessen müsse. Als ich feststellte, dass mich diese Leute ohne zu zögern auf die Strasse schmeissen würden, wenn es ihrer eigenen Karriere dienlich war, hat mich das furchtbar enttäuscht.“ Heute hat Gina ein feines Gespür für die richtige Strategie, den richtigen Ton im Business entwickelt – mitunter auch, weil sie sich von ihrem Job distanzierte. „Ich musste mir sagen: Hey, das ist Arbeit und nicht deine Familie. Und das ist schwierig, wenn man passioniert ist.“ Grenzen setzen und bei Bedarf auf Abstand gehen, lautet Ginas Erfolgsrezept, das einfacher klingt, als es in Tat und Wahrheit natürlich gelebt werden kann. Aber auch hier hat die versierte Managerin einen Tipp auf Lager: „Nun, wenn ich spüre, dass ich mich bremsen muss, verschränke ich auch mal die Arme und kneife mich in den Unterarm. Einfach, um mich zurückzunehmen und die Sache, die diskutiert wird, nicht zu persönlich zu nehmen.“ Eine Strategie der blauen Flecken – aber notfalls führt sie ganz offenbar zum Erfolg. Denn der Umgangston – und das bestätigen mir Frauen im Topmanagement wiederkehrend – ist rau und schroff, die Gangart auch mal gnadenlos, wenn es hart auf hart kommt. Männer scheinen dies durch-gängig sportlicher zu nehmen. Sometimes you win. Sometimes you lose. So ist das im Leben und erfolgreiche männliche Manager, aber auch Spitzenpolitiker können nach den härtesten Wort-gefechten noch Gemeinsamkeiten finden. Gina hat zu den Hintergründen dazu eine klare Theorie: „Männer denken und agieren sehr hierarchisch. Frauen interessieren sich hingegen wenig dafür. Ich könnte hier mit einer Gruppe von Frauen sitzen, ohne eine Sekunde lang den Gedanken an eine hierarchische Rangordnung zu verschwenden. Männer hingegen machen das ständig. Sie brauchen ein Ranking und müssen sich selbst dort ein-reihen können, um produktiv zu sein. Sie evaluieren, wer über wem steht. Das ist bei Frauen anders. Ich war oft die einzige Frau an Verwaltungsratssitzungen, die meisten von ihnen waren in diesem Gremium schon, bevor ich dazustiess – und genau dieser Punkt hat ihre Hierarchie durcheinandergewirbelt, weil sie nicht wussten, wo sie mich einordnen können. Es wäre wahrscheinlich genauso gewesen, wenn ich ein Mann wäre. Aber Männer wüssten instinktiv, was sie zu tun hätten. Sie sind mit diesen ungeschriebenen Gesetzen vertraut: Wenn man neu zu einer Gruppe stösst, sollte man sich ein Bild davon machen, wer hierarchisch gesehen höhergestellt ist. Für den Fall, dass es nicht klar ist, sollte man der Person, die über einem steht, klare Signale zusenden, die ausdrücken, dass man diese Hierarchiestufen akzeptiert. Wenn jemand indes viel älter oder beispielsweise Vorstandsvorsitzender ist, sind solche Zeichen überflüssig, da hier die Hierarchie auf der Hand liegt. Den jüngeren oder hierarchisch mir unterstellten Teilnehmern muss ich als Ranghöhere also ein Zeichen senden, das ausdrückt, dass sie sich nicht mit mir anlegen sollen. Und dann gibt es noch die Personen dazwischen, die versuchen, dich herauszufordern und an deinem Stuhl zu sägen. Das ist gerade für eine Frau sehr brenzlig, weil wir das oft nicht vorhersehen.“ Fasziniert verfolge ich Ginas detaillierte Analyse und überlege mir, wie ich das in meinen Mandaten und Gremien, in denen ich tätig bin, so erlebt haben könnte, ohne mir der Machtspiele bewusst gewesen zu sein. Gina reisst mich aus meinen Gedanken: „Irgendwann versteht man die Argumente und erkennt, dass ein Machtspiel beginnt. Dabei könnte das jedes erdenkliche Thema sein. Sie diskutieren über den Etat – nutzen das Thema aber vielmehr als Spielball, wobei es nicht um die Sache an sich geht. Häufig versuchen sie durch die Diskussion und das Argumentieren, einen Ranghöheren auf ihre Seite zu bekommen, suchen somit einen Verbündeten mit dem Ziel, dir zu zeigen, dass du in der Hierarchie unter ihnen stehst. Wenn du das bemerkst, musst du schnurstracks zum Gegenschlag ausholen. Du musst das anvisierte Bündnis brechen und dich behaupten.“ Mir fällt Ginas militärisch bis kriegerisch geprägte Wortwahl auf. „Was tust du, damit solches Hickhack gar nicht erst entsteht – oder wie sieht dein Gegenschlag aus?“, will ich wissen. Wenn man sich verdeutliche, dass Männer schlichtweg das Bedürfnis nach einem Hierarchiedenken haben, könne man sich auch persönlich leichter davon distanzieren. Ihre Strategie ist des Weiteren, zu Beginn meist etwas taffer aufzutreten, als sie in Tat und Wahrheit ist: „Lass es mich so ausdrücken: Du kannst den Leuten beibringen, dass sie an deinen Gartenzaun pinkeln können, aber dass du sie, sobald sie in deinen Garten kommen, in den Fuss beissen wirst. Wenn die Leute das wissen, dann hast du eine gewisse Reputation. Dann wissen sie, dass du taff bist und dich selbst verteidigen wirst, und daher ist es weniger wahrscheinlich, dass sich die Leute mit dir anlegen. Nach einer Zeit wirst du dann herausfinden, wer nur dein Angreifer und wer dein ‚Freund’ ist. Aber andersherum funktioniert es nicht. Du kannst nicht erst den netten Nachbarn mimen und dann durch taffes Auftreten glänzen.“ – Ginas deutliche Worte überraschen mich. Meine europäischen Interviewpartner sind meist weitaus weniger direkt und ich bin fasziniert davon, wie diese überaus attraktive Frau den Spagat zwischen „sich selbst“ und „Frau sein“ sowie dem bissigen Hund so nahtlos und absolut glanzvoll hinbekommt.
Lobende Worte gibt’s von der Amerikanerin derweil in ihrem Urteil über die europäischen Spitzenmanager der älteren Gene-ration. Diese seien weitaus mehr „gentlemanlike“ als ihre US-amerikanischen Kollegen, wobei sie zu bedenken gibt: „Wenn Männer gar nicht erst versuchen, die Hierarchiespiele mit dir zu spielen, solltest du dich fragen, ob sie dich überhaupt ernst genug nehmen. Es könnte sein, dass sie dich nicht für voll nehmen und sich daher auch nicht um deinen Platz in der Hierarchie scheren.”
Ich konfrontiere Gina mit meinen Bedenken bezüglich „beissen“, „pinkeln“, „Bündnisse aufbrechen“. Sie blickt mich kopfschüttelnd an. „Weil du das mit weiblichen Augen siehst. Wärst du ein Mann, würde dir das Spass machen!“ Strike. „Aber ich verwende vielleicht 1 % meiner Zeit für solche Spiele. Wenn du mal herausgefunden hast, wie der Hase läuft, ist es einfach. Ist das vom Tisch, kann man sich zurück an die Arbeit machen. Dabei geht’s häufig übrigens nicht mal darum, dass ein Mann dich in der Hierarchie unter sich sehen will – oft geht’s schlicht und ergreifend nur darum zu wissen, wo man sich einordnen kann. Nicht mehr, nicht weniger.“
Ginas Erfahrungen haben sie zwar nicht hart, aber doch argwöhnisch und zurückhaltend werden lassen. Es sei, wie wenn man in der Nacht durch Chicago spaziert oder tagsüber durch Zürichs Strassen. Man müsse sein Verhalten der Situation anpassen, Dinge häufig erst mal observieren, aus dem Hintergrund aus betrachten und sich dessen gewahr werden, dass Männer alleine meist anders seien als in der Gruppe, wo die entsprechen-de Dynamik zu greifen beginne. Womöglich würde sich der einzige Mann in einem reinen Frauengremium ebenso verloren fühlen – denn die ungeschriebenen Gesetze der Macht gibt es auch beim zarten Geschlecht: der Drang nach Ausgeglichenheit, nach Gleichheit. „Das dürfte für Männer wohl ebenfalls verwirrend sein, wenn sie die weiblichen Powergames nicht kennen“, lacht Gina amüsiert über unsere Gedankenspiele.

Ob ihre Erfahrungen wohl dieselben wären, wenn sie Karriere in einer anderen Branche gemacht hätte? – „Absolut!“, ist die erfolgreiche Unternehmerin überzeugt. „Schau, im Banking und in der Finanzwelt haben die Leute meist einen ähnlichen Lebenslauf. Wenn man aber die Weisheit von Teams mal genau-er unter die Lupe nimmt, braucht es Diversität. Je diverser ein Team, desto mehr entsteht gegenseitiger Respekt und diese unproduktiven Spielchen fallen weg. Wenn du also ein homogenes Team hast, ist die Ellenbogenkultur ausgeprägter.“

Nach eben diesem Grundsatz der Diversität bildet Gina Domanig nun in ihrer eigenen Firma Emerald Teams. Jeder bringt einen individuellen Werdegang mit und kann so auf seinem Spezialgebiet glänzen. Bei Emerald gibt es beispielsweise den Nano-technologie-Experten und einen anderen, der auf Wassertechnologie spezialisiert ist. Konkurrenz ist im Grundsatz so deutlich weniger ausgeprägt. Die Teams agieren gemeinschaftlich. So bewegt sich die gewiefte Managerin also zwischen den Extremen: diverse, vertraute Teams bei Emerald und Haifische auf dem internationalen Parkett der Finanzbranche. Doch welche Tipps hat die Fünfzigjährige für uns? – Gina lässt sich nicht lange bitten:
„1. Sei nicht naiv und gutgläubig – bis du sicher bist und verstanden hast, wer hier wer ist und welche Spielchen am Laufen sind.
2. Sei umsichtig und beschädige nicht unwissentlich deine Position – wenn beispielsweise ein Mann dir seine Hilfe anbietet, sei vorsichtig, dass du dich nicht zu sehr exponierst damit.
3. Nimm Dinge nicht persönlich und versuch alles, um vor Männern oder am Arbeitsplatz keinen emotionalen Zusammenbruch zu haben. Wenn du wirklich weinen musst, zieh dich zurück.
4. Arbeite hart und hab Spass daran! Wenn es dir keine Freude bereitet, ändere deine Situation. Frauen haben den Vorteil, sich frei entscheiden zu können – wir müssen nicht denselben sozialen Druck aushalten, wie er Männern in der Karriere oft widerfährt.
ALSO, HABT MUT!“

 

Weiterführende Informationen: www.emerald-ventures.com

 

Veröffentlicht am Juni 11, 2015

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