Barbara Mauch-Maier ist eine charmante Erscheinung. Mit warmem, weichem Blick, zart-eleganter Gestik und angenehmem Timbre in der Stimme. Ihre Ausdrucksweise ist gepflegt, präzise – aber niemals unterkühlt. Ganz im Gegenteil. Die gebürtige Deutsche verantwortete als Direktorin zuvor bereits bei Daimler Financial Services in Berlin den Bereich Finance & Controlling Europe. In der Tat hat die smarte Managerin innerhalb des Unternehmens Daimler eine lange und beachtliche Karriere hingelegt. Die aktuellste Berufung führte sie also im Herbst 2011 in die Limmatstadt. „Vermutlich ist es ein Vorteil, dass ich eine Frau bin“, erzählt sie uns im Interview, als wir über deutsche Zuwanderer in der Schweiz sprechen. „Man hat mir aber auch klar gesagt, ich soll in der Schweiz erstmal drei Monate zusehen und alles beobachten.“ Das hat sie offenbar beherzigt – und fühlt sich als deutsche Führungskraft in der Schweiz pudelwohl.
Ladies Drive: Barbara, kannst du dich noch erinnern, was du als Kind werden wolltest?
Barbara Mauch-Maier: Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Soll ich dir das sagen? (lacht).
Bitte.
Zunächst wollte ich Ärztin werden. Humanmedizinerin. Und zwischendurch Tiermedizinerin. Dann mal Buchhändlerin. Sprachen haben mich immer begeistert, und ich hab auch mal ein Jahr Chinesisch studiert. Aber es erschien mir dann bald zu wenig bodenständig.
Kam es dir abgehoben vor?
Ich konnte nicht richtig festmachen, wie ich später damit Geld verdienen werde (lacht).
Ist dir finanzielle Unabhängigkeit wichtig …?
Ja. Doch, doch. Mein Vater war Maschinenbauer und ebenfalls Geschäftsführer. Er war es auch, der mich schlussendlich in Richtung BWL beeinflusste. BWL gefiel mir allerdings zu Anfang nicht – weil ich so fürchterlich viel auswendig lernen musste. Aber im Nachgang hat es dann doch sehr viel Spass gemacht. Unternehmensführung, Rechnungswesen fand ich total spannend. Möglichkeiten zu finden, wie man ein Geschäft aufbauen kann – und was die wichtigsten Aspekte im Geschäft sind.
Haben dich deine Eltern entsprechend beruflich beeinflusst?
Meine Mutter ist Lehrerin. Mein Vater wie gesagt Maschinenbauer, sehr stark technikorientiert. Sie kamen beide aus relativ kleinen Verhältnissen, insbesondere mein Vater, der aus einer Bauernfamilie stammte – und als einziges Kind studieren durfte. Ich hatte immer relativ wenig Geld zur Verfügung. Man hat nicht über Geld gesprochen, aber es war schon so, dass es hintergründig ein wichtiges Thema war, damit die Familie überleben kann.
Wenn du so zurückblickst, was prägt einen am meisten in seinem Leben?
Mich haben beruflich sehr stark die Leute geprägt, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Insbesondere meine Chefs, aber auch die Teams. Daimler war mein erster Arbeitgeber nach dem Studium … und wenn ich so zurückblicke, kann ich schon sagen, dass es vor allem meine Chefs waren, die mich geprägt haben – und mir auch ’ne Menge zugetraut haben.
Haben dich deine Chefs geprägt, weil die gut waren oder schlecht?
Weil sie gut waren! Ich habe natürlich auch gesehen, dass sie Menschen sind und nicht alles gut können. Aber anderen etwas zutrauen, im Unternehmen gesehen zu werden. Das hat mir persönlich viel gegeben.
Du hast ja einen Doppelnamen. Steht das für einen gewissen Grad an persönlicher Emanzipation?
Ja, das steht schon ein Stück weit für Emanzipation. Ich finde meinen Mädchennamen Mauch auch aussergewöhnlich, den gibt es nicht so oft. Den wollte ich einfach ganz gerne behalten, um meine Identität nicht ganz zu verlieren. Und das Maier habe ich hinzugenommen, damit ich auch meinem Mann gegenüber solidarisch bin.
Du bist ja sowieso eine sehr emanzipierte Business-Mama, oder?
Ja, mein Mann ist zu Hause. Wir haben zwei Kinder, unser Sohn ist 16, unsere Tochter ist letzten Samstag 13 geworden, sie geht hier in Zürich auf die Mittelschule und findet es ganz toll (lacht).
Findet deine Tochter es toll, dass sie zuhause ein bisschen eine verkehrte Welt hat?
Wir reden ab und zu darüber, was sie denn werden will und sie hat kürzlich gesagt: Du Mama, ich will das werden, was du bist.
Das ist doch ein schönes Kompliment, oder?
Ja, habe ich auch so empfunden (lacht). Ich habe noch nicht ganz rausgefunden, warum sie das möchte. Das ist ganz spannend, mal gucken, ob ich noch dahinterkomme.
Offensichtlich strahlst du zuhause etwas aus, was ihr gefällt. Du sprichst entsprechend wohlwollend über deinen Job.
Ja, das denke ich auch. Sie fragt mich immer, wenn ich allein unterwegs bin: „Mama, hast du keine Angst?“. Dann sage ich: „Nein, ich habe nie Angst“ (lacht). Und das ist vielleicht so ein Punkt, wo sie sagt, das imponiert ihr.
Darf ich fragen, wie du deine Mutterrolle definierst? Du arbeitest, hast einen CEO-Posten, dein Mann ist zu Hause. Bemerkst du auch hin und wieder, dass du in einem unkonventionellen Rollenmodell lebst?
Es fällt mir eher dann auf, wenn wir mit Freunden unterwegs sind, die das Modell eben andersrum haben. Dass dann die Mutter sich mit meinem Mann über die häuslichen Dinge unterhält. Und ich unterhalte mich mit dem Mann über Berufliches und Autos. Es fällt mir in dem Sinne nicht negativ auf, aber es fällt mir auf. Als Mutter versuche ich, mir so viel Zeit für meine Kinder zu nehmen, dass ich tatsächlich auch die Mutter bin. Und ich denke, ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meinen Kindern. Ich habe, als sie klein waren, auch immer dafür gesorgt, dass ich abends wenigstens noch eine Geschichte vorlesen konnte. Gute Nacht sagen sowieso. Aber ich habe immer darauf geachtet, intensive Zeit mit meinen Kindern zu verleben.
Wenn du jetzt anderen Business-Mamas etwas raten könntest, was wäre das?
Das schlechte Gewissen ist gar nicht gut und auch nicht notwendig. Wenn man so seinem Gefühl folgt, sich fragt, welche Balance man sich selbst wünscht, dann macht man es auch richtig. Ich denke indes, es ist wichtig, genug Zeit auch zuhause zu verbringen. Und im Zweifel sich auch bestimmte Rituale zu schaffen, damit man diese Zeit dann auch ganz klar zur Verfügung hat.
Wie schaust du, dass du dann nicht zu kurz kommst? Die aktuelle Diskussion um Burnout ist ja doch aktueller und grösser denn je.
Das kann ich dir so genau nicht sagen. Ich glaube, ich bin innerlich recht ausgeglichen. Komme auch nicht so schnell in richtigen Stress. Ich gucke schon auch immer auf mich, was tut mir gut. Aber es ist schon so – im Büro bin ich ganz streng durchgetaktet und wenn ich Gas geben kann, fühle ich mich gut. Aber jeder Tag ist durchgeplant, da ist nicht so viel Spontanität möglich.
Hast du immer Vollzeit gearbeitet?
Ja, immer.
War eine Teilzeit-Anstellung nie ein Thema, sodass dein Mann und du euch die Kinderbetreuung hättet teilen können?
Nein, war nie ein Thema. Wir haben, bevor die Kinder kamen, mal darüber gesprochen, wie wäre das, wenn. Aber wir sagten, wir möchten nicht, dass unsere Kinder von Dritten aufgezogen werden. Also, ich habe mal formuliert, ich würde ganz gerne weiterarbeiten und mein Mann sagte von sich aus, ja, dann bleibe er zu Hause (lacht).
Hat aber auch gut gepasst.
Hat gut gepasst, ja.
Inwiefern ist dir das wichtig, dass du eine Vorbildfunktion im Unternehmen hast, das du führst?
Leadership ist für mich ein ganz entscheidendes Thema, wie stehe ich als Mensch auch für das Unternehmen. Wir haben uns mit Leadership bei den Financial Services bei Daimler sehr intensiv beschäftigt.
Das heisst?
Wir sind sehr stark von den USA geprägt. Wo man sich über die Themen Werte und Leadership auch bereits früher Gedanken gemacht hat als in Europa. Leadership heisst für mich, ich gehe voran, ich bin diejenige, die das Unternehmen und seine Werte verkörpert, aber ich tue das natürlich nicht alleine. Ich habe mein Team. Und es ist ein ständiger Austausch darüber, wo es hingehen soll und wie wir Ziele erreichen.
Das heisst, du versuchst gut zuzuhören?
Richtig. Ich habe eine Coaching-Ausbildung angefangen letztes Jahr. Und da reflektiert man noch einmal ganz anders, wie man ein Team führt, und es eröffnen sich noch mal andere Perspektiven. Das harte Führen, was ich eher gelernt habe – mit klaren Zielen, klaren Deadlines und klaren Ansagen, hat sich für mich deutlich verändert. Weil ich gesehen habe, dass man auch führen kann, ohne dass man als Person derart beständig und präsent eingreift. Man lässt mehr Ideen und Meinungsbildung von unten zu. Leadership heisst eben auch, Leute dorthin zu führen, selbst Ideen zu entwickeln, Veränderungsprozesse anzustossen.
Bist du gerne Chef?
Ja (lacht). Ich bin sehr gerne Chef.
Wieso, was ist das Schöne daran?
Das Schöne daran ist, ich kann Dinge bewegen. Ich kann meine Idee, die ich habe, umsetzen. Das Schöne am Chefsein ist für mich auch, dass ich es mit meinem Team machen kann. Ich sehe mich nicht als Chef, der alleine agiert.
Wie einfach oder wie schwierig ist es, als Deutsche in der
Schweiz Chef zu sein?
(lacht).
Ja, du bist eine Frau UND Deutsche. Eigentlich bist du ein bisschen arm … Bin ich das?
(Lacht). Ich hatte gute Berater, sagen wir es so. Als ich herkam, bin ich richtig gut aufgenommen worden. Mir ist gesagt worden: Jetzt kommst du erst mal runter und schaust dir an, wie das hier alles so funktioniert. Nach drei Monaten darfst du dir überlegen, was du jetzt sagst (lacht). Vielleicht passte es auch ganz gut, dass ich Deutsche und Frau bin. Weil die Deutschen, was ich so höre, hier den Ruf haben, sehr dominant zu sein und sehr direkt zu sagen, was sie wollen. Ist vielleicht auch irgendwie eine männliche Eigenschaft. Insofern ist das für mich als Frau auch von Vorteil, dass ich nicht ganz so offensiv rüberkomme.
Würdest du dein Team in Deutschland anders führen als hier in der Schweiz?
Ja, ich würde das Team in Deutschland schon anders führen.
Härter?
Ja. Oder einfach mit weniger Aufmerksamkeit. Weil ich denke, dass es das Umfeld dort nicht derart erfordert.
Brauchen die Schweizer mehr Pflege?
Ja, persönlich auf die Menschen einzugehen, richtig zuhören, das ist in der Schweiz sehr wichtig. Auch zwischen den Zeilen zu lesen, muss man hier beherrschen.
Aber wie empfindest du selbst diese kulturellen Unterschiede?
Sehr angenehm. Es hat eben genau diese menschliche Komponente, die zählt, die vielleicht in Deutschland nicht so sehr ins Gewicht fällt.
Und gibt es für dich männliche und weibliche Leadership?
Ja, wenn man so in diesen Klischees unterwegs ist. Ich glaube, es gibt schon Unterschiede, die aber auch sehr viel mit Charakter und Persönlichkeit zu tun haben.
Zu sehr in Vorurteilen möchten wir jetzt auch nicht baden in diesem Interview. Das führt uns zu unserem letzten Themenblock. Was ist schlimmer, die Automobilbranche oder pubertierende Kinder zu Hause?
Ganz klar die Automobilbranche (lacht).
Man sagt ja immer, die Automobilbranche sei die nächste grosse Blase. Ist das so?
Ich denke, dass wir in der Automobilbranche durch den Aufbau von Produktionskapazitäten und die Stückzahlen, die wir absetzen wollen, in Europa im Moment in eine ähnliche Richtung laufen wie vor kurzer Zeit in den USA.
Welchen täglichen Themen und Herausforderungen, auch strategischer Natur, stehst du in deinem Job gegenüber?
Wir sind als Financial Services diejenigen, die den Fahrzeugabsatz unterstützen. Und über interessante Leasing- und Finanzierungsangebote unseren Kunden die Möglichkeiten geben, massgeschneidert ein Fahrzeug auf Raten zu leasen oder zu kaufen. Über guten Service geben wir dem Kunden während der Vertragsdauer ein gutes Gefühl für die Marke. Und unterstützen damit den Absatz langfristig.
Wo siehst du generell die grössten Herausforderungen in der Automobilbranche?
Ich denke, die grösste Herausforderung liegt in der Entwicklung sparsamer, beziehungsweise umweltverträglicher Motoren. Die Investitionen sind da sehr hoch. Diese sollten uns nicht daran hindern, Innovationen voranzutreiben, aber neue Ideen müssen schlussendlich auch finanzierbar sein.
Wird sich der Markt in Zukunft bereinigen?
Kann ich schlecht sagen. Die Automobilindustrie ist für die meisten Staaten eine sehr wichtige Industrie, nicht nur wegen der Arbeitsplätze. Dies macht strukturelle Anpassungen nicht einfach. Deswegen bin ich unsicher, ob da tatsächlich mittelfristig eine Konzentration stattfinden wird.
Du bist jetzt schon sehr lange beim Daimler Konzern. Darf man sagen, dass du stolz bist, für Daimler, für Mercedes-Benz zu arbeiten?
Ja, bin ich. Ich finde Mercedes-Benz ist eine tolle Marke. Ein tolles Produkt. Und wenn man schaut, welche Entwicklung der Konzern in den letzten 20 Jahren hinter sich gebracht hat, ist das schon beachtlich. Ich denke, da ist weltweit eine gute Führungsmannschaft unterwegs.
Wieso gibt es aber nicht mehr Frauen in der Führung bei Mercedes-Benz? Du bist ja doch ein seltenes Pflänzchen.
Ja, das ist richtig. Es ist natürlich ein ingenieurlastiger Konzern. Da ist es schon allein von der Herkunft der Mitarbeiter, also ihrer Ausbildung, ein Thema, dass es zu wenig Frauen gibt, weil Frauen in den Ingenieursberufen in der Vergangenheit einfach nicht so vertreten waren.
Wird Gender-Diversity zu wenig vorangetrieben in der Automobilbranche?
Daimler hat ein grosses Diversity-Programm, gerade für den Bereich Gender. Wo Frauen wirklich auch unterstützt werden, wo es Mentorings gibt, auch übers Unternehmen hinweg. Ich glaube, dass man es sich wirklich zum Ziel gesetzt hat, die Frauen stärker zu unterstützen. Das ist aber nicht über eine Quote möglich, sondern vielmehr über die Heranführung der Frauen an der Basis. Das braucht seine Zeit. Von daher bin ich zuversichtlich, dass da noch mehr Frauen kommen werden (lacht). Wir haben ja auch eine Frau als Compliance Vorstand, Dr. Christine Hohmann-Dennhardt. Sie tut viel – und das Bild der Frau im Vorstand ändert sich auch dank ihrer Arbeit.
Das is’ ja auch schon mal was.
Es ist eine Entwicklung, die nicht künstlich vorangetrieben wird, sondern die sich organisch, aber mit viel Energie entwickelt.
Zum Beispiel …?
Ja, wir haben jetzt in den Financial Services
eine Geschäftsführerin in Österreich, in Indien, Mexiko. Es gibt
verschiedene Länder, wo wir jetzt auch auf Geschäftsführungsebene
eine Frau haben.
Wie viele Mitarbeiter hast du und wie viele sind Frauen davon?
Ich habe 75 Mitarbeiter. Dabei sind es gut 50-60 % Frauen. Und in der Geschäftsleitung sind wir zwei Frauen und ein Mann. Da haben wir einen Überhang (lacht).
Was sagt das Headquarter in Stuttgart zu dieser Entwicklung bei dir?
Die finden das ganz toll. Es ist auch schon als Paradebeispiel erwähnt worden.
Als Best Practice?
Ja. Und hier im Management-Team haben wir auch noch zwei weitere Frauen.
Das heisst eigentlich: Veränderung kommt von oben …?
Ja. Liegt irgendwo nahe. Ich denke schon, dass es was ausmacht,
ich arbeite am liebsten in gemischten Teams, die haben Energie.
Und es funktioniert.
Noch eine Frage, in puncto Zukunft. Zwar eine blöde Journalistenfrage, aber für den Abschluss der Gespräche immer ganz schön. Wo siehst du dich in zehn Jahren …? Oh … wie alt bist du dann eigentlich … schon wieder so ’ne uncharmante Frage …
Dann bin ich 56 (lacht).
Wo siehst du dich mit 56?
Ich habe verschiedene Szenarien, was das sein könnte (lacht).
Lässt du uns teilhaben?
Ursprünglich wollte ich mit 50 immer aussteigen (lacht) Das ist ja nicht mehr so weit weg und mein Job macht mir viel Spass. Aber es mangelt mir nie an Ideen, was ich alles sonst noch so tun könnte. Mit 56 könnte ich mir auch noch eine stärkere Coachingaktivität vorstellen. Wir haben auch schon darüber philosophiert, auf einem Bauernhof zu leben, aber das ist nicht so realistisch, da bin ich vielleicht zu faul dafür (lacht).
Was würdest du anderen ambitionierten Business-Frauen und Frauen mit Drive raten?
Wenn der Business-Drive und der Spass daran da sind, sollten sie diesen Spass unbedingt ausleben, dem nachgehen und sich entsprechend einbringen. Aber immer sie selbst bleiben. Das, was ich persönlich möchte, sollte ich schon genau wissen und nicht ausser Acht lassen. Ich kann sie nur ermutigen, da voll reinzugehen … «
Weiterführende Informationen: www.mercedes-benz.ch