«Leading FeMales in Film» stellt in einem Rahmenprogramm des ZFF seit vier Jahren regelmässig inspirierende Frauen in den Mittelpunkt, welche über ihren Werdegang berichten und die unterschiedlichen Herausforderungen in der Filmbranche aufzeigen. Der Event wird in Zusammenarbeit mit der Müller-Möhl Foundation von Carolina Müller-Möhl, eine Lady mit Drive aus unserem Netzwerk, auf die Beine gestellt. Die Idee: Filmschaffende Frauen, die immer noch und in jedem Land in jeder Filmindustrie stark in der Minderzahl sind, mit ihren vielfältigen Perspektiven zu Wort kommen zu lassen.
Fortschritt im Schneckentempo
Der grosse Zunftsaal in der Zunft zur Zimmerleuten war bis auf den letzten Platz besetzt, eingeladen waren vor allem filmschaffende Frauen und Frauen (und Männer) aus der Branche und den Medien. Carolina Müller-Möhl, eingangs von ZFF-Präsident Christian Jungen als «Mover and Shaker» angekündigt (mit Recht!) hielt höchstpersönlich eine Ansprache zur Situation der Frauen in der Filmindustrie. Sie bezog sich auf DEN Moment der Sichtbarkeit für Frauen, als 2018 während der Filmfestspiele in Cannes die Jury-Präsidentin Cate Blanchet mit 81 weiteren Frauen auf dem roten Teppich für Chancengleichheit und gleiche Bezahlung in der Filmindustrie einen Appell startete. 82 Frauen, so viele Filme von Frauen sind seit Beginn der Filmfestspiele in Cannes 1946 eingereicht worden, in der gleichen Zeit waren es 1688 Beiträge von männlichen Kollegen. Ein historischer Moment, aber auch heute, 6 Jahre später, sind wir noch nicht besonders viel weiter, mahnte Carolina Müller-Möhl an. Von den Top-250-Filmen der Charts sind nur 22 Prozent von Frauen produziert. Ein zu langsamer Fortschritt.
Schmerzhafte Erfahrungen
Zum von Olivia Kinghorst moderierten Talk eingeladen waren an diesem Tag drei filmschaffende Frauen mit sehr unterschiedlichen Biografien und Motivationen, alle drei haben Filme am ZFF laufen (wenn Sie die verpasst haben: alle drei werden früher oder später in die Kinos kommen). Lina Vdovîi war ursprünglich Journalistin, die Moldawierin lernte ihr Handwerk in Rumänien. Ihr Interesse galt schon immer den marginalisierten Menschen, irgendwann entschied sie sich, es sei besser, einer Story dokumentarisch zu folgen, als sie «nur» niederzuschreiben. Am ZFF zeigt sie ihren ersten Spielfilm TATA, ein autobiografischer emotionaler Film, in dem sich Lina mit den Gründen für die Gewalt in ihrer Familie auseinandersetzt. Ein Tabuthema, grenzübergreifend in fast allen Ländern, Lina appelliert mit dem Film an Frauen, die Scham zu überwinden.
Schwierige Themen
Maria Brendle hat das Filmen praktisch mit der Muttermilch aufgesogen, der Grossvater war nie ohne seine Super-8-Kamera anzutreffen. Ihr Anliegen ist es, schwierige Themen zu den Menschen zu bringen. Man kann sich hör- und sichtbar machen, davon ist Maria überzeugt. Sie bezeichnet Film sogar als friedliche Waffe, um Storys zu den Menschen zu bringen. Am ZFF zeigt sie einen ganz besonderen Film, FRIEDAS FALL, der sich mit dem Schicksal einer Frau auseinandersetzt, die 1904 im Alter von 25 Jahren ihren fünf Jahre alten Sohn tötet. Auch von Maria ist das ihr Spielfilmdebut.
Krisen sichtbar machen
Die dritte junge Filmschaffende ist Waad Al-Kateab, eine gefeierte syrische Filmemacherin. Für sie ist das Filmen ein Befreiungsschlag, sie sprach sogar von einer Wahl zwischen Leben und Tod. Als Aktivistin sieht sie es als ihre Aufgabe an, die Frauen zu zeigen, bis 2011 war in Syrien nur erlaubt zu sehen, was die Regierung vorgeschrieben hat. Die Revolution hat zwar mit dem gebrochen, einfacher ist es trotzdem nicht für Frauen wie Waad. Sie zeigt, was hinter den Schlagzeilen wirklich passiert, will das Bewusstsein für die humanitäre Krise in Syrien schärfen. Am ZFF zeigt sie DEATH WITHOUT MERCY, ein Film, der die verheerenden Folgen des Erdbebens von 2023 in der Türkei und Syrien thematisiert.
Typisch amerikanisch
Anschliessend betrat ein Überraschungsgast die Bühne, Valentina Castellani-Quinn, letzte Partnerin des 2011 verstorbenen Francesco Quinn, Sohn von Schauspieler Anthony Quinn. Valentina berichtete aus ihrer Sicht von den Verhältnissen in Hollywood, warum sie die Quinn Studios Entertainment gegründet hat und was für abenteuerliche Filme sie schon produziert hat. Im Gegensatz zu Carolina Müller-Möhl idealisierte Valentina die Verhältnisse und hat das Gefühl, in Hollywood sei heute alles schöner und besser. Carolina Müller-Möhl, die der Diskussion aus dem Publikum folgte, widersprach heftig, die Zahlen sprächen eine andere Sprache, eine Aufforderung zu einem Diskurs, dem Valentina leider nicht nachkam.
Networking live
Am Ende gab es noch kurz die Chance, Fragen an die vier Filmfrauen zu stellen, aber die intensivsten Gespräche ergaben sich grad im Anschluss beim Stehlunch. Frauen sichtbar zu machen – das verbindet das Ladies-Drive-Universum mit dem ZFF und der Carolina Müller-Möhl Foundation. Die Plattform «Leading FeMales in Film» ist dafür sicher ein weiteres probates Medium.