Die renommierte Schweizer Maskenbildnerin und Unternehmerin Bea Petri hat im November 2008 im Auftrag der Schweizer Entwicklungshilfeorganisation Swisscontact vier Wochen an der Schneiderinnenschule „NAS MODE“ in der Hauptstadt von Burkina Faso, Ouagadougou, verbracht. Ziel war u. a. ein intensiver Know-how-Transfer in den Bereichen Maskentechnik und Kosmetik für Theater, Film- und TV-Produktionen. Denn Burkina Faso gilt als Zentrum des afrikanischen Filmschaffens und Ouagadougou beherbergt alle zwei Jahre das grösste Filmfestival Afrikas namens FESPACO .
Aus diesem Besuch entstand mit der Ansprechperson vor Ort, Safi Ouattara, eine aussergewöhnliche, langjährige Freundschaft zwischen zwei aussergewöhnlichen Frauen. Über alle Grenzen hinweg bewegen die beiden Frauen eine ganze Menge und geben mit „NAS MODE “ jungen Menschen in Burkina Faso eine Perspektive. Die beiden Frauen über ihre Freundschaft, ihre Sorgen und ihre Erfahrungen als Fremde im Land der Freundin.
Safi über ihren ersten Besuch in der Schweiz: „Als ich das erste Mal in Zürich landete, war es Winter. Ich fror, und meine Füsse schmerzten in den engen Schuhen. Du gabst mir eine Kappe und einen dicken, schweren Schal. Dieser verursachte mir Nackenschmerzen! Ich war so fest eingepackt, dass ich mich kaum bewegen konnte. Von der Kälte bekam ich Kopfschmerzen, und ich fühlte mich in der Kleidung eingeengt. Ich bewunderte, mit welcher Leichtigkeit du dich in Mantel, Handschuhen, Kappe und den engen Stiefeln bewegen konntest. Die Strassen waren leer, wenn ich von deiner Wohnung hinunter sah, und ich fragte dich, ob die Menschen in der Schweiz einsam sind.“
Bea über ihre erste Ankunft in Ouagadougou im November 2008: „Es war heiss und staubig, die stickige Luft war fast unerträglich. Aber ich wurde mit grosser Herzlichkeit von dir empfangen. In der Schule, die wir gemeinsam besuchten und in der ich unterrichten sollte, zeigten sich die jungen Frauen zuerst sehr schüchtern, doch nach ein paar Tagen vertrauten sie mir. Ihre Herzlichkeit und Fröhlichkeit waren ansteckend. Und ich war oft müde, die Hitze machte mir zu schaffen und die Fischköpfe konnte ich nicht essen, die man mir anbot. Du machtest dir Sorgen um mich.“
Safi über Begegnungen mit Schweizerinnen und Schweizern: „Deine Freunde, deine Mitarbeiterinnen und die Menschen auf den Strassen begegneten mir vom ersten Besuch an sehr freundschaftlich. Viele sprechen auch meine Sprache, was für mich eine grosse Erleichterung in der Kommunikation ist.“
Bea erinnert sich an ihre ersten Gefühle als Weisse in Afrika: „Nassara” – die Weisse, war eines der ersten Wörter, das ich in Afrika hörte. Wenn ich unterwegs war, so riefen mir die Menschen „nassara, nassara” nach. Kleine Kinder ausserhalb der Stadt ängstigten sich vor mir und rannten schreiend davon. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Nur das Handeln mit den Verkäufern ist weiterhin anstrengend, weil in den Augen der Burkinabé alle Weissen reich sind, und sie die Preise ins Unrealistische erhöhen.“
Safi über ihre jährlichen Aufenthalte in der Schweiz und darüber, was sie davon mit nach Hause nimmt: „Wenn ich bei dir bin, überfällt mich immer eine grosse Erschöpfung – die Eindrücke sind überwältigend. Doch die Wochen in der Schweiz sind nicht zuletzt deshalb so wertvoll geworden, weil ich weiss, dass diese Zeit ein riesengrosses Geschenk für mich ist: „que Dieu te benisse.” Ich gewinne mit dem Aufenthalt zu guter Letzt Kraft und Energie und kann das mittlerweile grosse und anspruchsvolle Unternehmen „NAS MODE ” mit viel Elan neu und ideenreich anpacken. Ich lerne viel von dir, das ich mit nach Hause in mein Land mitnehme.“
Bea reagiert auf Safis Sorgen über ihr Wohlbefinden in Burkina Faso: „Regelmässig verliere ich ein paar Kilo Gewicht in Afrika. Die täglichen Malariatabletten ermüden mich. Meine Motivation wird aber durch die Herzlichkeit und Dankbarkeit der Schülerinnen und Lehrerschaft bereichert und das gibt mir Kraft. Zudem habe ich die afrikanische Mentalität kennengelernt und fühle mich wohl mit dir! Bei jedem Besuch überraschst du mich mit Fortschritten. Ich bin sehr stolz auf dich!“
Safi beschreibt, um was sie uns am meisten beneidet: „Manchmal bin ich eifersüchtig auf eure Gesundheitspolitik. Ihr bekommt gute Medikamente, habt viele Ärzte und Spitäler. Ihr habt Krankenkassen und ihr bleibt verschont von Malaria und anderen schlimmen Krankheiten, die bei uns oft nicht heilbar sind. Auf 30’000 Einwohner in Burkina Faso kommt nur ein einziger Arzt.“
Beas grösste Mühen mit der afrikanischen Realität: „Der Aberglaube und die damit verbundenen, zum teil grauenvollen Rituale treiben mich um. Beschneidungen, Vertreibungen von Frauen aus den Dörfern als Hexen, die Armut, die Korruption, die Ungerechtigkeit, die Krankheiten … das ist für mich nicht leicht mitanzusehen.“
Safi über die Notwendigkeit von Hilfsorganisationen in Burkina Faso: „Ohne sie geht nichts mehr. Wir sind in all den vielen Jahren von ihnen abhängig geworden. Wir wollen uns entwickeln und weiterkommen. Dafür brauchen wir die Unterstützung von aussen. Unser Land ist arm, die Politik korrupt. Wir haben fast keine Bodenschätze, der Analphabetismus beträgt immer noch 70 %. Die jungen Menschen in Westafrika brauchen eine Zukunftsperspektive, sie wollen Berufe lernen, selbstständig werden und ein Leben in Würde für sich und ihre Familien schaffen. Die vielen Strassenkinder brauchen ein Dach über dem Kopf, die Aufklärung muss in den Schulen Pflichtprogramm werden. Und wir brauchen genügend zu essen und Wasser, das hat für die gesamte arme Bevölkerung oberste Priorität.“