Das Interview bildet Teile unserer Holistic Health Podcast-Folge mit Roman Brunner ab.
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Über 30 Jahre im internationalen Topmanagement – und doch beginnt Roman Brunner heute ein Gespräch selten mit Zahlen, sondern mit Fragen über Sinn, Vertrauen und Mut. Der Schweizer Unternehmer leitete unter anderem europäische Geschäftsbereiche beim Fortune-500-Unternehmen Comdisco Inc. und später als CEO der QuoVadis Group sowie als Managing Director EMEA bei DigiCert die Geschicke globaler Cybersecurity-Marken. In einer Welt, die auf Kontrolle, Härte und Perfektion programmiert ist, spricht der Schweizer Serienunternehmer über das Gegenteil: über Verletzlichkeit als Stärke und die Notwendigkeit, als Mann im Business die Maske abzusetzen. Als aktives Mitglied der YPO (Young Presidents’ Organization, www.ypo.org) begleitet er heute Führungskräfte durch diese Gratwanderung – zwischen äusserem Erfolg und innerer Wahrhaftigkeit.
In unserem ungewöhnlichen Gespräch erzählt Roman Brunner, wie er in der Cyberwelt gelernt hat, Vertrauen zu gestalten, wo sonst nur Firewalls stehen – und weshalb authentische Führung für ihn kein Ideal, sondern tägliche Arbeit an sich selbst bedeutet. Er hält Verletzlichkeit und eine Firmenkultur, in der dies sinnvoll gelebt werden darf, für enorm wichtig. Worte, die man von einem Top Executive ehrlicherweise eher selten zu hören bekommt.
Ladies Drive: Du hattest eine extrem erfolgreiche und internationale Corporate-Karriere. Würdest du dich denn als Alphamann bezeichnen?
Roman Brunner: Das ist eine hervorragende Frage. Die erwartete Antwort wäre sehr wahrscheinlich Ja. Aber ich habe mich in den letzten 15 Jahren durch eine massive Transformation bewegt. Ich habe verstanden – und das ist auch ein grosses Thema heute –, dass meine Maske, mit der ich mich über längere Zeit bewegt habe, vor allem in den ersten 15 Jahren meiner Karriere sehr viel mit dem Alphamann zu tun hatte. Das war auch schlicht die Erwartungshaltung in der high-performing Businessgesellschaft – und ist es heute oft noch. Das hat sich nicht wirklich verändert. Getreu dem Motto: starke Führung, starkes Unternehmen. In den USA war das ganz extrem. Und durch meine YPO-Aktivitäten damals, Anfang der 2000er-Jahre, habe ich mit meiner inneren Transformation begonnen. Ein grosser Teil davon war, mehr in Richtung man selbst sein zu gehen und die Verbindungen zu den Menschen, die mir am nächsten stehen, authentischer zu leben.
Wie schaust du auf dich zurück, Roman – vor dieser, wie du so schön sagst, Transformation, als Alphamann in einem amerikanischen Fortune-500-Unternehmen?
Grundsätzlich war ich in erster Linie fremdgesteuert. Karriere, Opportunities – man wird befördert, man ist erfolgreich, man zeigt Stärke. Und wenn ich heute auf das zurückblicke, sage ich: Das war eine notwendige Phase, um mich über diese Zeit, wenn du so willst, weiterzuentwickeln. Und der Punkt ist eigentlich: Irgendwann kommt ein sogenannter Compelling Event, bei dem du dich fragst: Wie fühle ich mich mit mir selbst, und stehe ich dazu – oder möchte ich eine Veränderung anstreben?
Das heisst, der Erfolg fühlt sich dann ein bisschen leer an …?
Absolut. Was sich vor allem leer anfühlt, ist, wenn man mit sich selbst ist. Ich war sehr viel unterwegs – in Flugzeugen, Hotels, teilweise zwei Wochen von zu Hause weg. Und das fühlt sich dann über die Zeit relativ leer an.
Und einsam. Wieso hattest du das Gefühl, dass du ein Alpha-Tierchen sein musst, dass du gar keine Chance hast, anders zu agieren?
Das hat zwei Gründe. Der eine ist meine Kindheit, das Elternhaus – wie bin ich aufgewachsen, wie habe ich meine Eltern erlebt, wie hat sich mein Vater in der Ehe mit meiner Mutter verhalten? Mein Vater war Kleinunternehmer, und mein Bild der Welt, also wie man Business betreibt und am Markt präsent ist, war sehr stark durch ihn geprägt. Der zweite Grund lag in einer Phase, in der ich zwischen 30 und 40 steckte. In dieser Zeit erlebte ich eine sehr prägende Phase. Ich persönlich war als Mensch eher unsicher darüber, wer ich eigentlich bin. Das Einzige, was für mich klar war, war, dass ich Karriere machen und nach aussen hin als erfolgreich wahrgenommen werden wollte. Mit anderen Worten: Ich war – wie ich am Anfang gesagt habe – verhältnismässig stark fremdgesteuert.
Das heisst, du hast das gar nicht so richtig hinterfragt? Weil das einfach rundherum so gelebt wird? Also hinterfragt man es auch nicht, weil das „normal“ ist?
Ganz genau. Das war in meinem Umfeld sehr normal. Man muss wissen: Die 90er-Jahre, Anfang der 2000er-Jahre – das war für mich die Zeit, in der alles möglich war. Der Himmel war die Grenze. Los geht’s! Es ging um: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Amerika hat den Takt gesetzt, der Markt für Technologie ist explodiert. Es war einfach eine unglaubliche Zeit. Und wenn ich heute zurückblicke – was wirklich passierte; wenn ich versuche, mich in meinen Erinnerungen voller Achtsamkeit dieser Zeit anzunähern –, ist das für mich heute alles wie im Nebel.
Und man sagt so schön, man hat dem Leben beigewohnt, aber es nicht aktiv gelebt. Und hatte dann Erfolg, und das macht es dann leichter. Und schon bist du da drin in diesem Hamsterrad, oder?
Ja, es ist natürlich auch schön bequem in der Komfortzone. Man fühlt sich wohl in diesem Speed – lebendig, gebraucht. Und wenn du da noch Erfolg hast und Geld verdienst damit, dann scheint alles okay.
Und was war dein Aha-Moment, als du gesagt hast: Was mache ich da eigentlich?
Ich bin Mitglied der YPO, Young Presidents’ Organization. Einer der Ansätze dieser Organisation ist, dass man sogenannte Trusted Peer Groups hat – also sieben, acht andere Unternehmer oder CEOs. Man trifft sich dann regelmässig mit dieser Gruppe über Jahre, etwa zehnmal im Jahr. Da gab es ein Seminar, in dem wir uns fragen mussten: Wer bin ich? Wir hatten rund 250 verschiedene Bilder im Raum verteilt, und der Seminarleiter sagte zu uns: „Schaut euch die Fotos an und nehmt jene zu euch, die euch emotional berühren. Danach redet ihr vor der ganzen Gruppe darüber, warum euch genau diese Dinge berühren.“
Ich habe dann meine Fotos genommen – eines davon zeigte eine Maske, das andere kleine Kinder mit ihrem Papa am Strand, lachend, glücklich. Als ich vor der Gruppe sprach, war ich bei der Maske noch relativ gefasst und sagte: Eigentlich spielt sich mein Leben hinter einer Maske ab. Doch beim Foto mit den Kindern habe ich meine Fassung mehr oder weniger verloren, war emotional so berührt, dass ich meine Emotionen kaum noch in Worte fassen konnte. Ich hatte die Maske auf der einen Seite – und auf der anderen Seite das tiefe Bedürfnis, mit meinen Kindern, mit meiner Frau verbunden zu sein, ohne irgendwelche Bedingungen. Und das war der Anfang. Das war der Triggerpunkt.
Bevor wir weitergehen, noch schnell eine kleine Frage zur allgemeinen Situation da draussen in der Welt. Man hat ja das Gefühl, dass diese Alphamänner und ganz starken Führungspersonen wieder ein bisschen häufiger geworden sind?
Absolut, ja. Ich bin aktuell in YPO-Foren aktiv, also in einer Trusted Peer Group, in der ich selbst ein Teil bin. Aber ich moderiere auch andere Foren. Das sind immer Leute, die derzeit in High-Ranking-Positions sind. Und ich spüre extrem stark – unverändert wie vor 25 Jahren –, wie sehr die Menschen mit einer Maske herumlaufen. Das Ego treibt dieses Maskengehabe. Fakt ist: Sobald Investoren an Bord sind, ist alles sehr stark kapitalistisch getrieben. Die Firma wächst nicht nur vernünftig zehn Prozent, sondern sie soll noch stärker wachsen. Und die Profitabilität muss gleichzeitig gehalten werden. Der Druck ist einfach da.

Und man muss ein bisschen Killerinstinkt haben?
Man muss Killerinstinkte haben. Aber ich glaube, was den Druck bei den CEOs von heute beschleunigt, ist die Tatsache, dass eine tiefe Angst vorhanden ist – die Angst, entlarvt zu werden oder dass Scham hochkommt. Der innere Kritiker sagt dann: „Hast du gesehen? Du hast das doch nicht hingekriegt.“ Oder: „Ich habe schon gedacht, dass der das nicht kann.“ Man kreiert ein Selbstbild, das man mit dem Fremdbild in Einklang bringen muss – und das kostet jede Menge Energie. Diese Angst, dieser Druck, der da existiert … Davon hängt die Kompensation ab: die Performance des Investments, vielleicht die des CEOs und so weiter. Für mich war entscheidend, die Fähigkeit zu entwickeln, mit mir selbst ins Reine zu kommen und die Verbindung mit anderen Menschen zu pflegen. Wirklich tiefe Beziehungen einzugehen – dazu braucht es eben Vulnerability. Ich muss es wagen, mich authentisch zu offenbaren. Es geht nicht darum, jedem alles zu erzählen, jedes Detail, sondern situativ, sich verletzlich und authentisch zu zeigen. Dabei geht es nicht um eine Transaktion mit Erwartungen, quasi: Ich sage dir was, du sagst mir was. Sondern darum, in eine tiefe Verbindung zu anderen Menschen zu investieren.
Wenn man keine tiefen Beziehungen mit anderen aufbauen kann, betrachtet man sein Umfeld irgendwann in einer eher parasitären Art und Weise …
Klar. Und man darf Menschen manipulieren – for the good thing –, also am Schluss willst du ja erfolgreich sein, und dafür darfst du andere auch manipulieren. Das ist ein probates Mittel sozusagen. Und das macht mich immer ein bisschen traurig, wenn ich das sehe und beobachte in der Welt.
Ist der Roman in der Version von heute gesünder und glücklicher als vorher? Dankbarer?
Die Reife in Verbindung mit vielleicht etwas Weisheit macht einen in erster Linie einfach dankbarer. Heute verpasse ich es nicht mehr, meine Dankbarkeit auszudrücken – in verschiedenen Situationen, sei es während des Tages oder am Ende eines jeden Tages. Ich verpasse es auch nicht, wenn ich abends im Bett liege, bevor ich einschlafe.
Du hast ein Dankbarkeitsritual? Was visualisierst du?
Ich bin sehr stark von positiver Energie getrieben – die trägt mich. Und was ich mir vorstelle, ist, dass die Aktivitäten oder mein Verhalten in der Gesellschaft, mit meiner Familie und mit Freunden von positiver Energie durchflutet sind. Und dass ich bereit bin, positive Energie durch die Interaktionen mit anderen auch zu empfangen und anzunehmen. Ich visualisiere zudem eine Distanz zu jenen Menschen, mit denen ich keine Beziehung haben möchte – weil toxische Ansätze da sind oder vielleicht meine Intuition mir sagt: Pass auf! Du hast vorhin das Parasitäre erwähnt. Wenn ich spüre, das ist jemand, der mich nur benutzt, visualisiere ich das ebenso. Und das ist etwas, was viele Menschen vielleicht intellektuell verstehen, aber es zu leben, ist schwierig.
Der Punkt ist eigentlich der, dass man dieses Bewusstsein haben darf zu sagen: Ich bin genug. Also meine Würde – so, wie ich bin. Auf Englisch sagt man: I’m worthy. Diese Kombination aus Würdigkeit und Herzlichkeit ist wichtig. Wenn ich selber zu mir sagen kann: I love you and I’m worthy the way I am, das ist ein unglaublicher Schritt in Richtung einer tiefen, ehrlichen Dankbarkeit. So habe ich das zumindest erlebt.
Aber diese Maske aufrechtzuerhalten – das ist eigentlich kein Geschlechterthema. Das betrifft Frauen genauso. Die haben ja auch häufig eine Maske an, verhalten sich so, wie die Gesellschaft oder die Hollywoodfilme oder was auch immer uns da vorgetragen haben, wie es sein soll. Das kostet unfassbar viel Energie und raubt dir langfristig die Gesundheit. Mit deiner Transformation – wie hat sich dein Umfeld verändert?
Durch den Umstand, dass ich mich in dieser YPO-Sphäre seit über 20 Jahren bewege, habe ich das grosse Glück, dass ich in einer Trusted Peer Group bin – mittlerweile seit 15 Jahren –, in der wir uns gegenseitig unterstützen. Das hat für mich den Effekt, dass mein Radius von Menschen, bei denen ich mich wirklich öffne und vulnerabel sein kann, wo man sich gegenseitig unterstützt in jeder Beziehung, im Vergleich zu anderen Menschen, mit denen ich lose Kontakte pflege, massiv reduziert ist. Mein Netzwerk ist kleiner, aber feiner geworden, wenn man es so ausdrücken möchte. Gleichzeitig bin ich offener geworden. Ich denke mir immer: Freunde kommen dann in dein Leben, wenn du sie brauchst. Ich glaube, man trifft immer genau jene Menschen, die man zu einem spezifischen Zeitpunkt treffen soll. Grundsätzlich hat diese ganze Geschichte dazu beigetragen, dass ich in die Beziehungen, die ich habe, mit vollem Einsatz investiere. Und das ist ein Geben und Nehmen – also keine transactional relationship, sondern eine authentische Beziehung, um das Wort wieder einmal zu benutzen.
Und vielleicht noch ein Wort zum Thema Gesundheit: Das Investment an Energie, diese Maske den ganzen Tag, 24/7, zu tragen, ist unglaublich. Und das führt nicht selten zu Burn-out, Depressionen, Beziehungsproblemen, Scheidungen. Überleg mal: Du investierst 90 Prozent deiner Zeit darin, zu schauspielern. Das ist selten wirklich gesund über eine längere Zeit. Ich sehe erfolgreiche Männer, die finanziell unabhängig scheinen, eine tolle Frau und Kinder haben – und doch weit davon entfernt sind, ihr persönliches Glück gefunden zu haben. Das ist meist eine direkte Konsequenz des Stresses, der daher rührt, dass man all diese Frustrationen internalisiert, herunterschluckt – und nicht hinterfragt.
In der Schweiz zeigen die aktuellen Daten, dass um die 80 Prozent der Selbstmorde von Männern begangen werden. Und es ist ein Tabu, über diesen Druck im Job, über dieses Maskentragen und das Definieren über Funktion und Status in unserer Gesellschaft zu sprechen. Deshalb vielen Dank, dass du hier so offen bist. Darf ich noch etwas anderes fragen, bitte? Ihr habt viele Jahre auf Bermuda gelebt … Wie kam es denn dazu?
In den 1980er-Jahren habe ich mal sechs Monate auf den Bermudas verbracht – für einen Englischaufenthalt in Verbindung mit einer Stage in der Hotellerie. Das ist mein anderes Leben, meine frühere Karriere gewesen, bevor ich in den späten 1980ern in die IT umgestiegen bin. Und ich habe mich damals einfach in diese Insel verliebt. Als meine Frau und ich uns getroffen haben, war eines der ersten Dinge: Irgendwann werden wir auf den Bermudas leben und eine Familie gründen. Und das haben wir dann gemacht. Das war natürlich nicht nur romance, weil die Insel toll ist, sondern es stand auch im Zusammenhang mit unternehmerischen Aktivitäten. Wir waren damals in den USA und immer wieder auch beruflich auf Bermuda. Ich habe mich dann von der Firma gelöst und auf Bermuda neu orientiert – mit dem klaren Ziel, dort eine Firma zu kaufen oder zu gründen und etwas Neues global aufzubauen. Das habe ich dann auch gemacht. Wir waren insgesamt elf Jahre unseres Lebens dort. Als wir zurück in die Schweiz kamen, hatte das verschiedene Gründe – unter anderem wollten wir, dass unsere Kinder in der Schweiz zur Schule gehen können. Aber es war eine wunderschöne Zeit. Das war der Anfang meiner inneren Reise. Ich habe mich jahrelang wirklich darauf fokussiert, so viel Zeit wie möglich mit den Kindern und der Familie zu verbringen.
Dann lass uns noch ein bisschen über die Vulnerabilität in der Gesellschaft sprechen. Wieso denkst du, dass Verletzlichkeit in der Businesswelt noch immer als Zeichen von Schwäche angesehen wird?
Wir haben ja vorhin schon diskutiert, dass in der Gesellschaft eine gewisse Härte und eine bestimmte Art, wie Business gemacht und Geschäfte geleitet werden, einfach vorausgesetzt werden. Wenn eine starke Führungsperson eine Kultur schaffen kann, in der Vulnerability oder – auf Neudeutsch – Employee Wellbeing als kritischer Eckpunkt der Kultur gesehen wird, in der die Kommunikation stimmt und in der eine gewisse Verletzlichkeit vorgelebt wird … Denn jeder ist ein Mensch. Auch ein CEO ist ein Mensch, und der kann Emotionen haben und diese auch mal zeigen. Wie ich vorhin gesagt habe: Das ist situativ, und es ist immer eine Frage des Kontexts. Aber ich finde es extrem sympathisch, wenn CEOs oder Führungspersönlichkeiten in einer Vorstellungsrunde auch mal ein Bild ihrer Familie und ihrer Hunde zeigen und sagen: „These are my three children that I love more than anything else in the world.“ Aussagen wie „Mein Haus, mein Boot, mein Hund, meine Frau“ – das sind ja nur Statussymbole. Nun ist es aber so, dass ein Unternehmen da ist, um Profit zu erwirtschaften – im Rahmen unserer kapitalistischen Wirtschaftswelt. Gleichzeitig kann man diesen Profit auf unterschiedlichste Art und Weise bewerkstelligen.
Schlussendlich ist die Führungsetage das Vorbild für die Kultur. Dass Verletzlichkeit und Freundlichkeit als Schwäche gelten, ist womöglich auch eine Generationenfrage. In meiner Boomer-Generation sieht man das häufig so, dass man alternativlos tough sein muss im Business. Als ich damals noch CEO in den USA war, haben meine Kinder mich ab und zu gefragt, als sie kleiner waren: „How many people did you fire today?“ – „Wie viele Leute hast du heute rausgeschmissen?“ Das ist zwar oberflächlich betrachtet lustig, aber eigentlich traurig, weil das Image, das ich offensichtlich nach Hause getragen habe, war: „He’s the tough guy that gets rid of people.“ Supersympathisch, oder? Heute unterstütze ich andere Führungskräfte, eben durch diese innere Transformation zu navigieren, weil ich aus eigener Erfahrung weiss, wie das funktioniert. Und ich spüre sehr stark, dass es in der Gesellschaft ein riesengrosses Bedürfnis dafür gibt.
Ich bin selbst jemand, der sehr ambitioniert war. Ich komme aus der Leichtathletik, ich war gewohnt, mit anderen in einen Wettbewerb zu treten – auch mit mir selber, was dann sehr toxisch sein kann, wenn du im Wettbewerb mit dir selbst bist. Was ich damit sagen will: Ich weiss, wovon du sprichst. Auch ich habe mich stark transformiert und eine weichere Seite zugelassen, die ich zuvor weggedrückt hatte. Ich glaube, das ist vielleicht ein schönes Fazit unseres Gesprächs: dass man weder supertough noch supersoft sein muss, sondern diese Verletzlichkeit wie auf einem Klavier zwischen Dur und Moll spielen darf.
Ganz genau. Das Bewusstsein und die Achtsamkeit in sich zu tragen, bewusst zu leben – ich glaube, darum geht es. Und das kreiert unheimlich viel Entspannung, wenn man dieses Bewusstsein entwickelt hat: Entspannung im Umgang mit Stresssituationen und aufgebauten Frustrationen zum Beispiel. Es hilft enorm, das Grundrauschen aus der Businesswelt ein bisschen zu beruhigen. Und interessanterweise, wenn man in diesem Flow ist, spürt man auch, dass das Umfeld und die Menschen, mit denen man sich regelmässig trifft, sich dieser neuen Entspanntheit anpassen. Die innere Transformation wirkt wie eine Katharsis – eine Reinigung, auch für das eigene Umfeld.
Hast du für uns zum Abschluss vielleicht ein paar Tipps, wie man es schaffen kann, diese Maske ein bisschen häufiger abzulegen und mehr Vulnerabilität – privat und im Business – zuzulassen?
Man braucht auf dieser inneren Reise einen Gesprächspartner, einen Mentor – wie immer man das nennen will –, mit dem man sich austauschen kann. Zweitens wäre es zentral, bewusst Dankbarkeit zu leben – sich also nicht immer darauf zu konzentrieren, was man noch nicht erreicht oder geschafft hat.
Das heisst, aus der Fülle zu leben, nicht im Mangel?
Richtig. Sonst machen sich häufig viele Ängste breit, weil man so verunsichert wird, ob man das überhaupt schaffen kann. Investiert in euer direktes Umfeld. Und beginnt, achtsam zu sein. Sucht euch ein Mantra, visualisiert es bei einem Spaziergang, erschafft euch kleine, machbare Rituale. So kann man sich eine gewisse Disziplin aneignen, die einem einen anderen Rhythmus geben kann. Und mit dem Wechsel des Rhythmus bringt man automatisch andere, bewusster gelebte Intentionen in sein Leben. Ich bin das beste Beispiel, dass das funktioniert – wenn man es wirklich will.





