Ladies Drive: Elin, wie kam es zur Lancierung Ihres Projektes in Norwegen?
Elin Hurvenes: Es nahm alles seinen Anfang in Oslo – 2002, an einem regnerischen Morgen im Februar. Unser Minister für „Traded Industry“ hatte der Presse zukommen lassen, dass er die Anzahl von Frauen in den Verwaltungsräten der börsenkotierten Unternehmen erhöhen wolle. 2002 waren es 6 %. Er wolle damit die Old-Boys-Netzwerke aufbrechen. Und er wünschte sich, dass Norwegen den vollen Talentpool nutzte und nicht systematisch immer nur eine Hälfte betrachtete. Wenn ich heute Leute treffe, sagen sie mir: Ach, ihr habt’s gut in Norwegen. Aber: Die Wahrheit ist, es war nicht willkommen. Niemand wollte es! Ich kenne nicht mal zwei Leute, die sagten: Ja, das ist neu und innovativ, es ist ungewöhnlich, aber es könnte funktionieren! Die Geschichte dahinter ist recht lustig. Der Minister, der die Ankündigung machte, hatte entschieden, sich zur Ruhe zu setzen. Nun wollte er noch etwas Grosses, ein Vermächtnis hinterlassen. Er dachte lang darüber nach, was er tun könnte. So rief er eines Abends einfach einen Journalisten von der Zeitung zu sich und erzählte von seiner Idee mit der Frauenquote. Am nächsten Tag war das eine der Top-Schlagzeilen in der Zeitung. So rief ihn gleich frühmorgens der norwegische Premierminister an, den er schlicht „vergessen“ hatte zu informieren. Der war über die Sache nicht sehr erfreut. Aber was konnte er tun? Zu den Medien gehen und sagen: Ähm, das ist doch keine so gute Idee? Nein! Und plötzlich war das auch überall und weltweit in den Medien präsent. Das war auch meine Inspiration, das „Professional Boards Forum“ zu starten. Denn überall zitierte man daraufhin in den Medien Verwaltungsratspräsidenten, die meinten, dass dies nie und nimmer funktionieren werde, da Frauen nicht interessiert seien. Mir war klar: Frauen haben Interesse – aber keine Erfahrung. Also setzte ich mich mit Papier und Stift hin und schrieb eine Liste mit Frauen, die so erfahren waren, dass sie ein Gewinn für jedes Board sein könnten. Das war meine Idee.
Und Ihr „Professional Boards Forum“ war von Anfang an ein Erfolg?
Ja. Bis zum heutigen Tag bekamen 150 bis 200 Frauen direkt oder indirekt darüber Verwaltungsratsmandate, indem sie an unseren Events teilnahmen.
Wie gross ist Ihr Pool jetzt?
Global? Viele tausend Frauen!
Und wie laufen diese Events ab?
Wir laden 50 Frauen ein. Frauen, die bereits Verwaltungsrätinnen sind oder in naher oder ferner Zukunft ein Mandat innehaben wollen. Diese 50 Frauen suche ich sehr sorgfältig zusammen, weil ich einen hohen Grad an Diversität erreichen möchte. Frauen haben verschiedene Backgrounds, kommen aus verschiedenen Industrien, sind unterschiedlich alt, stehen auf verschiedenen Stufen ihrer Karriere. Das Event simuliert ein Board Meeting. Die Diskussion würde sehr langweilig ablaufen, wenn wir nur 25 Investmentbanker oder 25 Leiterinnen einer Rechtsabteilung hätten. Wir investieren also viel Zeit darin, eine gute, interessante und diversifizierte Gruppe zusammenzustellen. Und ich will auch nicht, dass die Frauen sich untereinander alle schon kennen, weil sie aus der gleichen Industrie kommen. Vor allem möchte ich nicht, dass sie denken: Das sind alles meine Konkurrentinnen.
Das ist ein wichtiger Punkt …
Es geht nicht um den Wettbewerb, sondern darum, Leute kennenzulernen. Auch möchte ich einen guten Mix aus Vorstandsvorsitzenden. Es gibt immer einen Board Case, also ein simuliertes Board Meeting. Was man sicher vermeiden sollte, ist, dass Frauen in die Situation kommen, sich selbst beweihräuchern zu müssen. Sie sollen schlicht ihr Potenzial zeigen können. Und die Chairmen kommen gerne, weil sie interessiert daran sind, was in den Köpfen der Frauen vorgeht. Dies tun wir mittlerweile nicht nur in Norwegen, sondern auch in England, Holland und nun auch hier in der Schweiz. PWC stellt den Case für uns zusammen. Ich gebe ihnen die Idee und das Gerüst, und sie liefern mir die Fakten dazu. Dies ist ähnlich wie ein Harvard Business Case, aber für Non-Executives. Nach so einem Tag sieht man gut, welche Frauen sich in die Diskussion einbringen, wie schnell sie Problemlösungen anbieten, wie gut sie mit Fremden arbeiten können. Meist sind es daher strategische, finanzielle oder Governance-Issues, die wir in diesem Case diskutieren. Wenn man in Finanzen nicht so fit ist, kann man dafür im Bereich Marketing brillieren. Und das funktioniert! Ich kann mich an meinen ersten Event erinnern – oh, war ich nervös! Denn ich hatte die Crème de la Crème der Oslo Business Community eingeladen. Ich hatte Angst, sie würden nicht auftauchen. Aber alle sind gekommen. So fragte ich mich, ob sie von den Frauen beeindruckt sein werden. Wir haben diskutiert, argumentiert und gelacht. Es war so eine gute Atmosphäre. Und wir konnten einige Frauen in die Medien bringen, unter anderem auch in unsere nationalen Abendnachrichten. Direkt nach diesem ersten Meeting konnten wir schon erste Erfolge feiern – die Medien spielten also auch hier eine gewichtige Rolle.
Durch Medien werden Menschen eben häufig erst sichtbar.
Entscheidend für die Quote in Norwegen war das unbarmherzige Nachfragen und Bohren der Medien. Die Journalisten konfrontierten zahlreiche Firmen mit Fragen wie: Sind Sie nicht interessiert, Frauen zu wählen? Konnten Sie keine fi nden? Für einige Chairmen war dies sehr peinlich! Es gab fast täglich Schlagzeilen hierzu – und so gab es schnell kein Zurück mehr für die politische Elite.
Welche Karriere hatten Sie eigentlich gemacht, bevor Sie Unternehmerin wurden?
Ich machte meinen ersten Abschluss in Urban Planning, das waren drei Jahre in Oxford. Dann kam ich zurück nach Norwegen und arbeitete erst mal auf diesem Gebiet. Ich realisierte indes schnell: Das ist nichts für mich, da sieht man keine Resultate! Also zog ich zurück nach London und arbeitete als Beraterin, immer noch auf demselben Sektor. Als meine Tochter zur Welt kam, wollte ich nicht mehr zwölf Stunden pro Tag als Beraterin arbeiten, so machte ich einen MBA an der London Business School. Als ich fertig war, war ich geschieden. Ich ging zurück nach Norwegen und gründete meine eigene Beratungsfirma im Bereich Headhunting, Management und Consulting.
Sie haben erzählt, Sie sind in Norwegen, England, Holland und der Schweiz aktiv mit Ihren Events – wo noch?
Ich arbeite derzeit an Hongkong. 2008 hatten wir in Norwegen bereits die 40-%-Zielsetzung erreicht und ich dachte mir: Es ist ein gutes Konzept, es funktioniert. Doch will ich das weiterführen? Wir hatten das Ziel erreicht und ich fühlte, dass der Markt ausgeschöpft war. Ich dachte, entweder mache ich etwas Neues oder ich mache es international. So kam ich mit einem Business Partner vor Ort auf den Markt in UK. Die grössten Firmen an der Börse hatten nur 8 % Frauen in ihren Verwaltungsratsgremien. Aber es gab keine Diskussion über die Quote. Das war überhaupt nicht auf der Business Agenda! Auch die Medien interessierten sich damals nicht für das Thema. Ich fand nur einen miserablen Artikel in The Guardian aus dem Jahr 2008! Über ein Interview, welches ich kurze Zeit später der New York Times gab, geriet ich lustigerweise an einen Schweden, der eine Mentoring-Firma führte. Ich traf ihn in London. Er sagte, er kenne ein paar Chairmen, die er mir vorstellen möchte. Und ich muss sagen, es war in der Folge in UK einfacher als in Norwegen, weil unseren Chairmen eine Quote aufgedrückt wurde, die sie nicht wollten. Und so starteten wir mit den Events in UK, später auch in Holland.
Was hat Sie in die Schweiz geführt?
Ich sprach mit Armin Meier von Boyden. Er hatte einen Artikel über das Forum gelesen. Er meinte, das sei genau das, was es in der Schweiz brauche. Etwas Positives, das eine Wirkung erzeugen könne. Man spreche in der Schweiz schon lange über Diversity, aber leider nicht mit dem erwünschten Erfolg. Ich war erst ein bisschen zurückhaltend, mit einem Headhunter zu arbeiten. Doch schon nach meinem ersten Besuch machte es „klick“. In der Schweiz gibt es ja auch eine Vielzahl globaler Headquarter sowie eine starke internationale Business Community. Momentan planen wir also unseren ersten Event hier am 5. Februar 2014. Die SwissRe sowie PWC sind bereits als Sponsoren mit an Bord.
Sie möchten ein weibliches Netzwerk in der Schweiz gründen?
Ja. Wir haben schon einige spannende Gespräche geführt – mit möglichen Kandidatinnen wie auch Chairmen. Ich bin einfach überzeugt: Frauen nehmen ein bisschen den Wettbewerb und die Aggressionen raus, die man vielleicht in einem gesetzteren, rein männlichen Boardroom findet. Frauen sind sehr gut darin, schwierige und unbequeme Fragen zu stellen. Sie wollen dem Problem wirklich auf den Grund gehen. Sie haben keine Angst, dumme Fragen zu stellen. Frauen wollen alles verstehen, deshalb fragen sie. Und das nicht auf eine bedrohliche Art, sondern offen und neugierig.
Arbeiten Sie an einer Long List für den Event im Februar?
Ja. Aber wir sind offen für neue Kontakte.
An wen können sich Frauen wenden, die dies lesen und Interesse haben, dabei zu sein?
An Armin Meier von Boyden – oder an mich direkt. Wir haben noch keine Schweizer Website, aber auf der UK-Seite findet man die Kontaktdetails und eine Menge interessanter Informationen.
Welche Informationen benötigen Sie denn für Ihre Auswahl?
Ein CV und ein Board Mission Statement von einer halben Seite. Hier brauche ich Informationen über die Grösse und Art des Boards, welches man sucht. Z. B. jenes eines Familienunternehmens. Ich möchte auch hören, was sie motiviert. Ein Trick, der beim Formulieren hilft: Man kann sich das Board seiner Träume vorstellen, und was der Chairman in der Ankündigung vor den Medien sagen würde. Sie sollen aber bitte nicht schreiben, dass sie hard-working sind, resultatorientiert, ehrgeizig. Das ist selbstverständlich! Sie wären nicht dort, wenn sie diese Eigenschaften nicht in ihrer DNA hätten.
In wie vielen VRs sind Sie selber?
Ich diente in zwei Boards in Norwegen, beides Start-ups, weil ich der Meinung war, dort den meisten Mehrwert zu bieten. Aber im Moment habe ich keine Zeit mehr für solche Engagements.
Was ist Ihre Mission? Und sagen Sie nicht, Sie seien „energetic“ …
(Lacht) Ich mag es, etwas zu erreichen. Ich mag Projekte. Ich mag Herausforderungen. Deshalb hab ich mich auch entschieden, in die Schweiz zu kommen. Ich mag es, Dinge anzupacken, die vorher noch nicht getan wurden. Das ist einer meiner „Driver“.
Und was gibt Ihnen diese Arbeit?
Energie. Es gibt mir viel Energie, wenn ich Leute treffe, die erfolgreich waren, immer sehr hart arbeiteten, um das zu erreichen, was sie erreicht haben. Und ich treffe Leute, die so erfolgreich, so clever sind, aber dennoch immer Zeit finden, anderen zu helfen. Das empfinde ich als grosse Inspiration. Ich wurde vor nicht allzu langer Zeit gefragt, ob Chairmen etwas gemeinsam haben. Dabei gibt es gemäss meiner Erfahrung vor allem eine Eigenschaft, die sie alle eint: Wissbegierigkeit! Sie sind neugierig. Und darum sind sie auch erfolgreich. Sie haben so viele Informationen, Wissen und Verständnis für Dinge, die weit über ihr eigentliches Fachgebiet hinaus reichen. Und all diese Informationen machen sie ein klein wenig weiser.
Die Hoffnung, die ich habe, ist, dass die Frauen, die jetzt an die Spitze der Unternehmen kommen, der jüngeren Generation die Hand reichen …
Genau. Das Wissen und die Erfahrung weitergeben. Als erfolgreiche Frau musst du den Frauen, die dir folgen, helfen. Männer helfen schließlich auch anderen Männern. Wenn wir uns nicht helfen, hilft uns niemand. Männer helfen Männern und Frauen hilft niemand. Wir müssen erkennen, dass wir Frauen eine Menge voneinander lernen können.
Und es braucht vermutlich eine Menge passender Vorbilder…
Ich liebe die Idee von Vorbildern. Aber es ist nutzlos, wenn diese Vorbilder unerreichbar sind. Frauen brauchen erreichbare Vorbilder. Daran arbeiten sie – und auch ich und viele andere Frauen ebenso. Wir haben schon jetzt mehr Power, als wir vermutlich glauben.
Weiterführende Informationen: www.boardsforum.co.uk