Wir sind zum Interview in der Bar des Luxushotels Park Hyatt Zürich verabredet – und ich komme fast eine halbe Stunde zu spät, habe keine Handynummer, über welche ich Delphine Favier, der neuen Chefin von Montblanc Schweiz, hätte Bescheid geben können. Entsprechend hochtourig und nervös lande ich in der Hyatt Bar. Doch ich sehe eine Frau, die entspannter nicht sein könnte und ihren Blackberry bearbeitet, aufblickt und mich herzlich anlächelt. Ich atme auf. In meinen früheren Mandaten mit der Uhrenbranche habe ich die pünktlichsten Menschen auf diesem Planeten kennengelernt, und so war ich erleichtert, mit Delphine Favier jemanden getroffen zu haben, der dies etwas lockerer sieht. Die 43-Jährige sieht aus, als wäre sie eben dem Cover eines High Fashion Magazins entstiegen.
Französische Elegance gepaart mit weichen Gesten, wachen Augen und einem umwerfenden Outfit. Delphine trägt einen seidig glänzenden Overall in charmanten Brauntönen, welchen ich neugierig bestaune. „Cooler Business-Look“. – „Ach, ist nicht so richtig Business, oder?“ – „Nun, es ist an uns hier die Benchmark zu setzen, was geht und was nicht …“ – „Sie haben Recht.“ Die ehemalige Cartier Managerin lächelt freundlich.
Die neue Managing Director von Montblanc studierte ursprünglich mal Literatur und Mathematik, liess dann aber einen Bachelor in Marketing International sowie einen MBA der Lynn University in Florida im Bereich International Business and Management folgen. Nur ein Jahr nach ihrem MBA war sie bereits auf dem Chefsessel – und Manager des multisport clothing departments bei Decathlon in Frankreich. Dabei schaffte sie es innerhalb eines Jahres, ein Umsatzplus von 15 % zu erreichen. 1997 stiess sie in der Folge als Sales Representative zu Cartier Accessoires und Yves Saint Laurent. Sie betreute insgesamt 80 Wiederverkäufer und entwickelte diverse neue Produkteinheiten für beide Marken. Und auch hier sprach ihr Erfolg Bände: ein Umsatzwachstum von 58 % innerhalb von nur zwei Jahren – das bedeutete gleichzeitig, dass sie die weltweit drittbeste Verkäuferin des Unternehmens war.
Die logische Konsequenz: ihr Aufstieg innerhalb des Unternehmens Cartier. Ihre letzte Station vor dem Wechsel zu Montblanc: Commercial Director und Mitglied des Executive Comittees bei Cartier Switzerland. Ende letzten Jahres dann der nächste Karriereschritt an die Spitze von Montblanc Suisse SA .
Ihre neue Position macht ihr offensichtlich sehr viel Spass: „Ich bin begeistert. Die Wirtschaft macht zwar gerade viele Veränderungen durch – aber ich bin sehr aufgeregt, ein neues Unternehmen entdecken zu können. Und die ersten hundert Tage? Ich habe sie nicht mal gezählt.“ Delphine Favier ist anzusehen, dass ihr ihre Karrierereise Freude bereitet. Montblanc unterzieht sich seit der Berufung des neuen weltweiten CEO s Jérôme Lambert, der von Jaeger-LeCoultre zum Unternehmen stiess, einem strategischen sowie organisatorischen Change-Prozess, welcher auch in einer Produktoffensive gipfeln soll. Innerhalb von nur sechs Monaten hat Montblanc zwei neue Produktlinien in sein Uhren-Portfolio hineingenommen. Der Mutterkonzern Richemont, so hört man, soll insbesondere mit dem ins Straucheln geratenen Geschäft in Europa nicht glücklich sein. Nun soll es eine neue Managergeneration richten. Und dazu gehört auch Delphine Favier. „Jérôme Lambert hat eine unglaubliche Energie und Kreativität“, verrät uns die Französin. „Er hat eine hohe Pace, hört man“, entgegne ich ihr. Sie lacht. „Ja, sehr! Da muss man mithalten können. Aber das ist der Rhythmus meines neuen Lebens hier – ich mag es!“
Mit Delphine Favier hat der neue Montblanc CEO sich ja eine wahre Hochleistungssportlerin für das Geschäft in der Schweiz an die Seite geholt. Und sie kennt das Luxusgeschäft, den Drang nach Exklusivität und hoher Qualität aus ihrer Zeit bei Cartier nur zu gut. Nur sei Montblanc eine noch globalere Marke als Cartier. Bei Cartier denke man zuerst an Schmuck – bei Montblanc an Schreibwaren, Uhren, Lederwaren, Schmuck, Accessoires in schlichtem, elegantem Look. Das ist und bleibt indes auch die Kernstrategie der Marke: Männer-Accessoires aus Leder zu kreieren. Zeitlos und hochwertig.
Doch welchen Stellenwert werden die künftig immer zahlreicher werdenden Businessfrauen bei Montblanc einnehmen? – „Wir haben natürlich auch was für Frauen in petto – wir müssen diese Zielgruppe, die wichtig ist, bedienen, denn sie birgt viel Potenzial für uns, und wir bedienten die Frauen, insbesondere Businessfrauen, bislang mit Schmuck und Kleinlederwaren. Aber wir sind natürlich kein Fashionbrand. Der Fokus bleibt strategisch auf den Männern.“ Montblanc soll every day luxury für die neue Businessmänner-Generation sein – so verstehe ich es. Ein lebenslanger Begleiter, sei es ein Portemonnaie oder ein Schreibgerät. „Wir planen etwas für Frauen im Uhrenbereich – aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen, ausser, dass es reizvoll wird“, fügt Delphine Favier vergnügt an.
Die Unternehmenskultur bei Montblanc und die Schnelligkeit des Geschäfts haben im Vergleich zur „grossen, netten Lady Cartier“, wie es Delphine ausdrückt, eine andere Dimension. „Montblanc ist nicht so gross – die Entscheidungen werden daher schneller gefällt und der CEO ist in erreichbarer Nähe, ich erhalte Antworten umgehend und das schätze ich sehr.“ Die neue Managing Director hat sich mit ihrer neuen beruflichen Herausforderung viel aufgeladen, auch an Druck. „Ich kann nun ja schlecht sagen, der Druck sei riesig, aber er ist da. Das ist o.k.
So laufen die Dinge im Business. Wir alle sind gewohnt, Druck aushalten zu müssen“, analysiert die Französin wohl überlegt. Auf der einen Seite habe man den Druck, auf der anderen Seite Strategie und Aktionspläne. Und irgendwo dazwischen sei die Mitte. Ruhe und Erholung. Kraft holt sich die smarte Businesslady beim Sport – vor allem beim Tennis. Dank ihres sportlichen Talents schaffte sie es an der Uni ins Tennisteam, was ihr schlussendlich dazu verhalf, über ein Stipendium in den USA studieren zu können. „Sport ist mir sehr wichtig. Das beeinflusst mich auch heute noch sehr.“ Ich hake nach. „Inwiefern beeinflusst es Sie?“ – „Bezüglich des Wettkampfes. Ich mag das. Es macht mir Spass. Ich liebe es zu gewinnen. Ausserdem gibt es sehr gute Werte im Sport. Sport lehrt dich auch, wie man verliert. Das sage ich auch meinen Kindern immer wieder: Um oft zu gewinnen, musst du zuerst verloren haben.“
Delphine Favier gehört für uns, so wie beispielsweise auch Fogal CEO Franziska Gsell, zur neuen, beneidenswert smarten und weiblichen neuen Leadergeneration. Einer Generation, die gelernt hat, absolut geerdet die Karriereleiter hinaufzusteigen. Die beide Seiten der Medaille kennengelernt hat und so jeden Erfolg zu schätzen weiss, denn niemandem fällt Erfolg wie ein Stern vom Himmel in den Schoss. Auch die zweifache Mutter hat im Übrigen ihre Karriere, so wie wir es von vielen anderen erfolgreichen Unternehmerinnen und Managerinnen hören, nicht geplant.
„Ich wusste im Studium, dass ich ins Business will. Aber ich plante nichts. Ich würde meinen, so seit meinem dreissigsten Lebensjahr hatte ich mir ein klares Ziel gesetzt.“ Auch ihre Familienkarriere war nicht wirklich akribisch geplant. Mit 32 kam das erste Kind und vier Jahre später das zweite.
Wir fragen uns, wie Delphine Favier zu Hause und im Business führt. Sie lacht erst mal schallend. „Ich glaube, sehr strikt, aber auf eine liebenswürdige Art.“ Die 43-Jährige ist eine Perfektionistin – sie mag es nicht, wenn Dinge nicht richtig gemacht werden. Es gibt Zeiten, wo man Spass haben kann und soll bei der Arbeit – und Zeiten, wo man arbeiten und Ziele erreichen muss, so ihr Motto.
Und zu den erklärten Zielen von Delphine Favier gehört es, Montblanc – so wie sie das aus ihrer Karriere gewohnt ist – mit Umsatzzuwächsen zu beglücken, das Team auszubauen und die Marke hierzulande möglichst unumgänglich werden zu lassen. Zu Delphines Talenten gehört der konstruktive Umgang mit Menschen – und ihr unerschütterlicher Glaube an das Gute, welches in jedem schlummert und welches man nur erwecken müsse, um es ans Tageslicht zu befördern. Genau dies ist ihr grösster Motivator, ihr Antrieb. „Ich sage meinen Leuten auch immer, sie sollen sich trauen, nicht zu gehorchen. Manchmal muss ich sie dazu ermuntern, aber immer häufiger tun sie es auch selbst und haben grösste Freude daran“, erzählt mir Delphine freudestrahlend und fügt flugs an: „Das Team ist immer smarter als eine einzelne Person.“ Schwarmintelligenz nennt man das dann wohl, oder: die Weisheit von vielen. Dies als Chef zugeben zu können, zeugt von Stärke. Bestärkt fühlt sich die Französin auch von der neuen Generation Y und generell jungen Teammitgliedern, die auch mehr Offenheit zeigen. Man fühle sich jung, umgeben von Mitarbeitern jüngerer Generationen, so ihr Urteil, und sie betont, dass die Anreize, die man für junge Menschen als Unternehmen schaffen müsse, eine grosse Herausforderung darstellen dürften für heutige Leader.
Die Leistungserwartung an sich selbst ist in der Generation der heute 40-oder 50-Jährigen definitiv eine andere als jene der Milleniumsjahrgänge. Da hat uns die jüngere Generation wohl etwas voraus in puncto Seelenhygiene. Spannend dürfte es – auch für Montblanc – sein, unter Mitwirkung der Generation Y neue Produkte zu entwickeln, denn man muss sich durchaus die Frage stellen, ob die Leader von morgen noch dieselben Statussymbole ersehnen wie jene von heute.
Das garantierte Business-Erfolgsrezept hat Delphine Favier wohl nicht – aber sie weiss, dass sie nur dann ein guter, inspirierender und starker Leader ist, wenn sie mit sich selbst im Reinen ist. Und in Balance: „Man muss in sein eigenes Glück investieren, so wie in andere Dinge auch. Und man braucht Stille und Erholung. Ich kann mein Glück nicht nur an einem einzigen Ding festmachen.“
Weiterführende Informationen: www.montblanc.com