Aber mit Selbstoptimierung ist nicht nur das Visuelle gemeint, sondern auch unser Geist. Wir trainieren „Mindfulness“ und vergessen, dass wir uns in erzwungen-entspanntem Meditieren verrennen. Wir lernen, was das Zeug hält, sammeln Zertifikate und EMBAs und vergessen, weshalb. Wir ernähren uns gesund, als wäre es eine Religion. Wir predigen Offenheit, Toleranz und Weltfrieden und ghosten alle, die nicht unserer Meinung sind. Na, bravo. Haben wir ja irgendwie wieder mal gut hingekriegt. Toleranz und Ignoranz widersprechen sich eben.
Wenn wir über Selbstoptimierung sprechen, wird uns aber auch bewusst, was uns alles fehlt, und wir tendieren leicht zur Selbstnegierung. Wir denken, wir sind nicht genug.
Eine Gesellschaft, die sich ständig selbst optimiert, orientiert sich am Superlativ, sucht verstärkt nach Beifall von anderen, Bestätigung und Befriedigung durch Anerkennung von aussen. Wer will schon nicht das nächste Unicorn sein, das nächste Supermodel, der nächste Superstar oder einfach ganz generell im Rampenlicht stehen? Früher wollten die Kids Ärztin oder Feuerwehrmann werden. Heute: Influencer:in. Aber sich darüber zu mockieren hilft uns bekanntlich auch nicht weiter. Also haben wir fünf Leaderinnen – aus unterschiedlichsten Branchen und unterschiedlichster Herkunft – für ein Fotoshooting zusammengetrommelt und ihnen folgende Fragen gestellt:
Wie können wir uns denn optimieren im Sinne eines gesunden und mit sich wohlwollenden, inneren Wachstums?
Welche Role Models kennen wir in unserem Umfeld, die sich selbst annehmen und dennoch beständig wach, neugierig, offen und lernbereit bleiben, ohne sich bei der ganzen Optimiererei komplett zu verlieren?
Ausserdem wollten wir von unseren Leaderinnen hören, ob das, was sie auf den sozialen Medien teilen oder bei öffentlichen Auftritten repräsentieren, 100 Prozent „real“ ist – oder doch ein bisschen aufgehübscht und optimiert? Wird das LinkedIn-Profil doch ein bisschen gepimpt, um mehr Reichweite zu generieren, oder ist der öffentliche Auftritt eher unstrategisch?
Lest die Antworten von: Peggy Grueninger (Global Head Philanthropy Roche), DJ Tanja La Croix, Unternehmerin Frederike Asael, Dr. Gulnaz Partschefeld (Leiterin HSG Events Office und Dozentin Kulturgeschichte Russlands) sowie Dr. Barbara Studer (Lehrbeauftragte der Universität Bern, Fachstelle für Lernen und Gedächtnis).
Peggy Grueninger
Head Donations and Philanthropy. F. Hoffmann La Roche AG
roche.com


Optimizing Myself Means To Be Vulnerable
The idea of self-optimization makes me smile because it takes experience and maturity to know that this is not how you will be successful or credible. For me, optimizing myself means:
Preparing for the meeting or event that I plan to attend. Be vulnerable, admit when I do not know something, be curious and open to learning and experiencing the moment and situation. I optimize by looking my best, staying authentic and being myself all the time and in such a way that others feel they can be themselves with me and I am accessible and relatable. This way I get to meet great minds. And I’m convinced that people see through smoke so inner strength radiates confidence and is attractive.
I am drawn to people who are authentic and relaxed in their skin and of course they must know their topic or admit if they do not know. If they are faking it, they have already lost in my eyes. And I do not find them attractive or interesting. They probably do not like looking in the mirror either.
Admitting to not knowing something usually stimulates others to help and support. At my age there is no need to pimp up anything as experience has shown me that this is not sustainable or helpful long term. I always try to connect with the people I am addressing or talking to. I must admit I am centered, this helps me to manage my emotions
Staying authentic, makes one credible and reliable. Especially because we are flooded with so much fake stuff that people are grateful when they see someone credible and honest, especially young people. I guess it makes them feel less incapable. If you are authentic you will always be an individual. Fake people have something in common – kind of a uniformity around their fakeness.
Of course when I am vulnerable I quite often observe people confusing vulnerability with weakness and it takes strength to show the opposite; It is not always easy or possible. Some you win, others you do not. For me, co-creation means achieving more together than going at it alone and having just my own opinion is a missed opportunity. Creating space for others to contribute and accepting our differences and seeing it as an enrichment has always enriching to conversations and outcomes, I believe.
I am OK. I am not perfect and it is OK, and you are OK, too. As people we need to be OK with ourselves to take away the pressure that the coming generations feel as they see their mothers struggling to be forever young. Being older is an achievement: others did not make it!
Dr. phil. Barbara Studer
Lehrbeauftragte und leitende Psychologin mit Forschungsschwerpunkt Neuropsychologie, Universität Bern,
Gründerin & Leiterin hirncoach GmbH, Musikerin
studertalk.ch


Optimieren im Dienst eigener Sinnhaftigkeit
Selbstoptimierung bedeutet für mich persönliches Wachstum mit optimiertem Einsatz meiner Energie, Eigenschaften und Fähigkeiten, mit denen ich eine Wirkung erzielen kann. Diese Weiterentwicklung soll nicht schnell, sondern kontinuierlich und beständig sein, und die Leitplanken dafür sind meine Werte. Ein wichtiger Wert dabei ist die Grosszügigkeit mir selbst und anderen gegenüber. Sobald wir zu streng mit uns und anderen sind, werden wir hart. Die Welt braucht mehr freundliche, weise und empathische Menschen, nicht harte, intelligente Menschen.
Selbstoptimierung empfinde ich als etwas sehr Natürliches – unser plastisches Gehirn kann und will lebenslang lernen, und das auf allen Ebenen (z. B. Erfahrungen, Persönlichkeit, Gewohnheiten).
Die Selbstoptimierung betreibe ich nicht um ihrer selbst willen, sondern sie steht im Dienst meiner sinnhaften Wirkung nach aussen; denn wenn ich mich selbst akzeptiere und das Beste aus mir mache, erlebe ich mehr Freude und hinterlasse schönere Spuren. Es profitieren die Menschen um mich herum, mein Wirken und meine Reichweite, und nicht zuletzt natürlich auch ich selbst, weil ich erfüllter und zufriedener bin.
Somit löst Selbstoptimierung in mir Lust, nicht Druck aus. Mein Ziel ist nicht höher, schneller, weiter, sondern authentischer, wirksamer, zufriedener.
Persönlich wachsen können wir, indem wir auf uns selbst hören, neugierig und lernbereit bleiben und indem wir uns täglich persönlich „stretchen“ (dehnen), also mutige Schritte tun und nicht einfach in gewohnten Mustern laufen. Das impliziert auch, dass wir uns regelmässig Zeit nehmen fürs Innehalten, Reflektieren, Neue-Intentionen-Setzen. Dazu verbringe ich regelmässig Zeit mit meinen Kindern in der Natur, träume, gehe joggen oder mache Musik. In diesen informationsfreien Leerlaufzeiten kann mein Gehirn Erfahrungen verarbeiten und neue Verknüpfungen schaffen – dies führt zu wertvollen Aha-Momenten, neuen Ideen und Erkenntnissen.
Müssiggang ist somit alles andere als verlorene Zeit.
Ich stelle mir regelmässig Fragen wie „War ich heute in meinen Stärken und meiner Energie? Habe ich nach meinen Werten gelebt? Wo sehe ich Optimierungspotenzial, welche Fähigkeit kann ich weiterentwickeln? Wie habe ich die Leute um mich behandelt, wie haben sie sich mit mir gefühlt?“
Weiterhin versuche ich aufmerksam Rückmeldungen vom Umfeld aufzunehmen und auch aktiv einzuholen, u. a. von einer Mentorin. Speziell die Feedbacks meiner Familie (Ehemann und Kinder) sind wertvoll, da sie sehr direkt, stark und schonungslos sind. Den Spiegel vorgehalten zu bekommen ist manchmal sehr anstrengend und verlangt viel von mir, aber ich kann mich dadurch in kleinen Schritten weiterentwickeln, und das ist eine wundervolle Sache.
Ein erstrebenswertes Beispiel ist für mich Michelle Obama, wie sie durch alle Lebensphasen hinweg – so wie sie das auch in ihrem Buch „Becoming“ beschreibt und mit ihrem Leben demonstriert – bestrebt war und ist, eine bessere Version von ihr selbst zu werden. Abschreckend sind für mich Beispiele von egoistisch selbstoptimierenden Personen, die auf dem Weg ihrer Selbstoptimierung und ihres Erfolgs über (emotionale) Leichen gehen, Beziehungen/Familien vernachlässigen oder gar zerstören. Oder Personen, die sich selbst überfordern mit ihrem Selbstoptimierungswahn und ihre Gesundheit dafür opfern. Oder dann gibt es jene, die wie eine selbstoptimierte lieblose Maschine leben. Wenn man die persönliche Selbstoptimierung über das Wohlergehen anderer, die eigene körperliche oder psychische Gesundheit, die eigene Freundlichkeit oder das Klima/die Natur stellt, überschreitet man aus meiner Sicht eine Grenze, was niemandem dienlich ist.
Mein Ziel ist, mit meiner Kompetenz, meiner Persönlichkeit und meiner Ausstrahlung etwas zu bewegen. Das sind alles Dinge, die nur „in echt“ funktionieren und wo ich wenig künstlich nachhelfen kann. Nun ja, bei der Ausstrahlung kann ich nachhelfen, indem ich mich schminke und schick anziehe. Ich bin bewusst auch immer wieder ungeschminkt und in sportlicher Kleidung unterwegs. Äusserliche Faktoren können das Inhaltliche verstärken, sollen aber nicht dominant sein. Kleine Veränderungen an sich zu machen, damit es einem wohler ist in der Haut (z. B. Zahnspange bei schiefen Zähnen), finde ich völlig okay. Nicht mehr okay finde ich, wenn man Dinge so verändert an sich, dass es die Erscheinung ändert – denn dann bewegt man sich weg statt hin zu sich. Selbstoptimierung soll einen mehr in die eigenen Stärken und Eigenschaften bringen, nicht weg davon, sonst verlieren wir an Authentizität und persönlicher Kraft und Überzeugung.
In der Interaktion mit Menschen versuche ich, echt zu sein, indem ich auch über meine Zweifel oder Patzer rede, über mich selbst lachen kann, die Imperfektion in mir, anderen und Projekten akzeptiere und umarme. Ich versuche keine Superwoman zu spielen und wertschätze gern die Stärken, die ich in anderen entdecke, statt mich selbst zu beweihräuchern.
Die Herausforderung besteht darin, dass ich einerseits mit meiner Visibilität inspirieren und ermutigen möchte, und da gehört eine gewisse Imagepflege ganz klar dazu, aber andererseits nicht mit einem „polierten“ Image Stress, Komplexe oder Versagensgefühle bei anderen auslösen möchte. Zum Beispiel drehe ich regelmässig Videos für Social Media für die Studierenden der Uni Bern. Da möchte ich als Vorbild fungieren und die Inhalte so perfekt wie möglich vermitteln und darstellen, aber gleichzeitig möchte ich den Studierenden zeigen, dass mir auch nicht immer alles gelingt und „struggles“ dazugehören. Darum versuche ich bei Referaten und Konzerten immer Prisen von Selbstironie, Augenzwinkern und Humor beizufügen. Dabei eine gute Balance und eigenen Stil zu erlangen finde ich spannend und bin ich weiterhin am Lernen und Weiterentwickeln.
Ich beobachte, dass viele Leute ihre fundamentalen Stärken, ihre Neurosignatur und ihre Werte nicht genau kennen. Fragen wie diese können uns alle herausfordern, uns selbst noch besser kennenzulernen, mehr Freude zu erleben und einen grösseren Impact zu erzielen:
Was sind meine Stärken? Was brauche ich, damit mein Gehirn in Schwung kommt? Was sind meine Werte? Was soll mein Beitrag sein?
Frederike Asael
Co-Founder und Managing Partner Impact Hub Bern, freischaffende Fotografin
bern.impacthub.net
asael.ch


Optimieren aus Freude
Zu Selbstoptimierung habe ich ein ambivalentes Verhältnis. Sie ist klar Teil meines Lebens und hilft mir im Alltag. Ich sehe dabei aber auch Grenzen und Gefahren. Wichtig für mich sind das „Warum“ und das „Wie“. Mein persönlicher Antrieb ist es, meinen positiven Impact auf die Gesellschaft zu maximieren und dabei möglichst viele mitzunehmen. Wir sind doch alle noch viel mehr, als was wir jetzt sehen, wenn wir in den Spiegel schauen – es steckt so viel Potenzial in uns. Und dieses Potenzial brauchen wir auch! Denn wenn wir eine intakte Welt für unsere Enkelkinder wollen, dann müssen wir umdenken, die Ärmel hochkrempeln und jede Menge tun. Viel in meinem Leben ist auf dieses Ziel ausgerichtet. Das ist für mich keine Belastung, sondern gibt mir eine Menge Antrieb und bringt viel Freude und Aufregendes in mein Leben.
Um meine Vision umzusetzen, bin ich ständig daran, mich und meine Umgebung zu optimieren – Leistungsfähigkeit, Skills oder mentale Gesundheit. Dabei laufe ich Gefahr, eine Art Tunnelblick zu bekommen, bei dem ich mich selbst, meine Umgebung und meine Mitmenschen nicht mehr als das sehe, was sie sind, sondern als das, was sie sein könnten.
Ich frage mich: Ist ein optimiertes Leben nicht ein Synonym für ein braves Leben? Wie viele meiner Optimierungsbestrebungen haben ihre Wurzeln in meiner frühkindlichen Prägung „Arbeite hart und sei fleissig“? Die Welt ist so viel mehr als Arbeit: Sie ist bunt, kreativ, und komplex. Selbstoptimierung birgt die Gefahr, diese Vielschichtigkeit und Tiefe in mir stummzuschalten, das will ich nicht.
Können wir uns kreativ-konstruktiv optimieren?
Da schau ich gern noch mal auf das „Warum“ und das „Wie“. Will ich mich weiterentwickeln, um innerlich zu wachsen und um mein Skillset zu erweitern? Und mache ich das mit Freude? Oder glaube ich, nicht gut genug zu sein, und bin darum nie mit mir zufrieden? Ich kenne beides gut. Heutzutage erkenne ich das Zweitere jedoch viel rascher als früher. Dann schliesse ich die Augen und lasse Dankbarkeit in mich einströmen. Ich bin gut, wie ich bin. Oder aber ich greife zum Telefon und rufe meine Freundin an. Meist lachen wir eine Minute später über dieses altbekannte Gefühl der Unzulänglichkeit, und alles wird leichter. Ausserdem hilft mir die Methode Mindful Self-Compassion enorm. Wir mögen Meister:innen in Empathie für andere sein, aber nicht für uns selbst. Wohlwollend mit mir selbst zu sein ist eine Superkraft, die mich zusätzlich erdet.
Toxisch finde ich, wenn Selbstoptimierung mit dem Wunsch nach Perfektion gleichgesetzt wird. Perfektion ist eine Illusion! Ich habe Mitgefühl mit Menschen, die viel Zeit und Kraft dafür aufwenden, sich perfekt zu zeigen. Wie oft habe ich mit Frauen gesprochen, die in meiner Wahrnehmung wahnsinnig erfolgreich und schön sind, und dabei gemerkt, dass sie sich selbst gar nicht so wahrnehmen. Liebe Frauen, wir sind und können so viel mehr als das, was von aussen sichtbar ist.
Ich spüre oft in mich hinein. Wenn ich das Gefühl habe, den Bezug zu mir zu verlieren oder nicht mehr echt zu sein, ziehe ich mich zurück und erde mich. Ich ziehe die Grenze dort, wo es sich nicht gut anfühlt.
Es ist eines unserer Grundbedürfnisse, gesehen zu werden. Für mich ist die springende Frage dahinter: Aus welchem Motiv heraus möchte ich gesehen werden? Geht es um mein Image, oder geht es um die Sache, die ich vertrete, für die ich einstehe? Da ergibt sich ein natürliches Spannungsverhältnis. Ich versuche es zu entschärfen, indem ich sehr offen mit meinen Ängsten und Unzulänglichkeiten umgehe. Wenn ich über solche Themen aktiv spreche, nehme ich mir selbst den Druck. Und helfe damit – oft unbewusst – anderen. Geht es dir auch so?
Dr. Gulnaz Partschefeld
Leiterin Events Office und Lehrbeauftragte, Universität St.Gallen
www.linkedin.com/in/gulnazpartschefeld


Optimierung als Kreativprozess
Gott hat den Menschen als sein Abbild geschaffen, so steht es zumindest in der Bibel – leider ist dieses Abbild aber nicht perfekt. Entsprechend streben wir alle nach Optimierung, nach einer Projektion des besseren „Ich“. Früher vor allem in der Erziehung und Bildung mit dem Schwerpunkt auf „Optimierung“ (mit nur wenig „Selbst“-Bestimmung), um Eigenschaften und Fähigkeiten aufzubauen, die eine „bessere“ Person für die Gesellschaft schaffen. Heute wird die Optimierung durch die Person selbst gesteuert und initiiert. Es ist ein guter, bewährter Trend, der über lange Zeit unser Leben auf diesem Planeten bestimmt: Entwicklung, Evolution und Fortschritt gehen mit Selbstoptimierung einher.
Dennoch würde ich den Begriff, aufgeteilt in „Selbst“ und „Optimierung“, heute auch kritisch hinterfragen. In meiner Kindheit, in der ehemaligen Sowjetunion, war das ganze staatliche System darauf ausgerichtet, alles zu optimieren, die Produktivität von Maschine und Mensch zu steigern, einen „besseren“ Menschen zu kreieren. Bei der Selbstoptimierung ist die Richtung falsch gegeben, wenn Leistung und Erfolg die Messlatte sind und Menschen je nach Ergebnis in „winner“ und „loser“ aufgeteilt werden. Ebenfalls grosse Bedenken habe ich, wenn die Selbstoptimierung zum Selbstzweck wird, wenn die Arbeit am Körper und Geist einen derart zentralen Platz im Leben einnimmt, dass die ganze Aussenwelt und die Mitmenschen ausgeblendet werden.
Ich betrachte diesen Prozess ganzheitlich: Nicht nur ich allein, sondern auch mein Umfeld wirkt auf ihn ein und steuert mit. Verbessere ich mich, so leiste ich auch einen kleinen Teil zu Optimierung meiner Familie, meiner Freund:innen, meiner Arbeitsumgebung. Für mich bedeutet der Begriff vor allem, dass ich ständig an mir arbeite, danach strebe, effizienter in dem zu werden, mein mir gegebenes Potenzial weiter auszuschöpfen. Es soll daher zu einem „Optimum“ hinführen, d. h. zum bestmöglichen oder vollkommenen Zustand, den ein Mensch erreichen kann.
Können wir uns kreativ, konstruktiv „optimieren“ im Sinne eines inneren Wachstums?
Nun – ist der Optimierungsprozess nicht per se ein kreativer Prozess? Man arbeitet mit Visionen, passt unterschiedliche Zukunftsbilder an sich an – und kann diese auch ändern, wenn sie den inneren Werten nicht mehr entsprechen. Das oben erwähnte „Optimum“ soll mit dem Wachstum auch mitkommen, und es braucht Kreativität, um nicht starr und verbissen auf das Ziel zuzugehen, sondern auch mal eine Abkürzung zu nehmen, flexibel zu sein. Kreativität verstehe ich in diesem Zusammenhang auch als Zielstrebigkeit mit einer guten Prise Unkonventionalität. Pflanzen wachsen in der Regel ja auch nicht in alle Richtungen, sondern streben nach der Sonne. Und die Sonne bewegt sich, wie die Erde auch.
In meinem Umfeld, in der Öffentlichkeit sehe ich Frauen, die schon viel erreicht haben, aber unter grossem Druck stehen – nicht nur von aussen, aus ihrem Umfeld, sondern auch von innen. Die sich selbst immer weiter zwingen, sich in unterschiedlichen Bereichen zu verbessern. Das scheint mir besonders für eine mittlere Alterskohorte zu gelten. Bei jüngeren und älteren Frauen sehe ich hier mehr Gelassenheit. Die einen können auf eine lange Erfahrung zurückgreifen. Sie wissen, welche Wege sich lohnen, dass nicht alles eine „Action“ braucht, wie man effizient an das Ziel kommt, können loslassen. Und dann die jungen Frauen, die am Anfang ihres Lebensweges stehen. Ich denke, wir haben hier eine neue Generation am Start, die weniger empfänglich für äusseren Druck und stärker auf sich selbst bezogen ist. Und gleichzeitig machen diese jungen Frauen auch mit wenig Lebenserfahrung bewundernswerte Karriereschritte, hören auf sich, vertreten ihre Position und ihre Werte.
Nun stellt sich im Zusammenhang mit Optimierung auch die Frage nach der Authentizität, insbesondere jener, die wir im öffentlichen Raum zeigen. Authentizität ist ein schönes Phänomen, welches das Echte verspricht, aber von konstruierter Natur ist. Soziologe John Urry spricht von „fluid identities“ und der „Verspieltheit“ der modernen Gesellschaft. Wir spielen mit mehreren Identitäten, kreieren auf sozialen Netzwerken ganze Welten und Identitäten, setzen uns in Szene. Ich habe in meiner Dissertation den Authentizitätsbegriff untersucht und auch viel darüber nachgedacht, was dieser konkret für mich bedeutet. Ich würde sagen, dass es sich am besten durch dessen Antipoden – Fake, Kopie – erläutern lasst. Was nicht „fake“ ist, ist authentisch. Authentisch bin ich daher in meiner Reaktion, weil ich offen bin und nicht gegen meine inneren Werte handle. Direktheit kann je nach Situation und Kultur unterschiedliche „Lautstärke“ haben, aber Offenheit sehe ich als Zeichen des Respekts gegenüber den Mitmenschen.
Authentisch zu bleiben ist eine Herausforderung. Wir haben alle Stärken und Schwächen, eine fotogene „Arbeitsseite“ und eine Seite mit einem „Kopfkissenabdruck“. Das müssen wir anerkennen, aber natürlich haben wir es in verschiedenen Kontexten in der Hand, in welche Richtung wir uns drehen, was, wem und wie wir von uns zeigen. Das ist für mich kein Fake, sondern das bewusste Ausschöpfen und Nutzen des Potenzials.
Ich würde gern noch mal meinen Gedanken vom Anfang aufgreifen, den der Optimierung als Selbstzweck. Hier sehe ich in den letzten Jahren eine ganze Industrie, die Menschen in diesem Bestreben unterstützt, sie aber auch immer weiter anspornt – mit Self-tracking-Apps, Instagrammability anstelle der Reality, Statistiken und Reaktionen in Social Media usw. Ich spiele auch mit. Und doch scheint mir das ein Irrweg eines eigentlich sinnvollen und durch und durch menschlichen Bestrebens zu sein. Optimierung – ja, aber nicht um jeden Preis, nicht als Selbstzweck und nicht als Geschäftsmodell.
Tanja La Croix
Tanja Wettach, aka DJ Tanja La Croix
DJ, Content Creator, Musikproduzentin
tanjalacroix.com


I’m Not Superwoman
Wie erarbeite ich aus mir heraus ein besseres Ich? Wie optimiere ich meine persönlichen Eigenschaften und meine ureigenen Fähigkeiten? Das ist selbstverständlich ein kontinuierlicher Prozess! Die Grundlage dazu ist sicher das Erkennen meiner Talente, meiner angeborenen Fähigkeiten, um sie ausbauen zu können. Grundsätzlich bin ich ein neugieriger Mensch, nehme die Umgebung wahr und lerne von ihr. Ich schreibe Dinge auf, lese begeistert psychologische Literatur und meditiere, um in der Ruhe Kraft zu schöpfen, denn jeder Tag bringt neue Herausforderungen, die nicht immer mit Hast bewältigt werden können. Es gehört auch eine gehörige Portion Selbstanalyse und Selbstkritik dazu, um die Dinge, die auf einen zukommen, richtig einschätzen zu können. Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch und setze mich oft selbst unter einen enormen, fast schon zwanghaften Druck. Aber ein Zwang zur Selbstoptimierung ist nicht gesund. Ich weiss, eine bedingungslose Erfolgsorientierung schafft kein besseres Ich. Ich muss lernen, meine Potenziale nicht restlos ausschöpfen zu wollen. Es ist okay, auch einmal Fehler zu machen. I’m not Superwoman.
Wie können wir uns kreativ, konstruktiv „optimieren“? Durch Meditation, die Malerei und Wandern in der freien Natur komme ich zur Ruhe und zu einem klaren Kopf. Ich lerne, den Moment zu geniessen und darin glücklich zu sein. Diese Zeit nur für mich gewährt mir einen Blick nach innen und vorwärts: In diesem Zustand kann ich hören, was mein Herz wirklich will und was für mich wirklich wichtig ist. Ich visualisiere meine Träume und Visionen in aller Klarheit. Ohne Ablenkung von äusseren Einflüssen, ohne Störfaktoren. Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen, das Herz jedoch, was wir tun müssen.
Ich denke, dass mein individueller Entwicklungsprozess ganz bestimmt von Rollenmodellen in meinem Umfeld geprägt wird. Aber mittlerweile eher bewusst als unbewusst. Als junger Mensch bewundert man Personen im unmittelbaren Umfeld, beispielsweise die Eltern, und idealisiert sie. Heute betrachte ich Menschen weniger als Vorbild, um sie nachzuahmen, sondern als richtungsweisend für meine eigene Entwicklung. Ich respektiere Leader:innen, die sich ihren Erfolg selbst erarbeitet haben, die Willensstärke und Kampfgeist auszeichnet. Das allein macht diese Menschen in meinen Augen aber noch nicht zu wahren Leader:innen: Sie sollen das eigene Können und die möglichen Folgen von Entscheidungen so einzuschätzen wissen, dass ihre Ziele mit grosser Wahrscheinlichkeit erreicht werden, mit dem Bewusstsein, im Falle des Scheiterns auch die Schuld zu tragen. Mein eigenes Rezept dazu ist eine gesunde Balance von Selbstkritik, Ehrgeiz und Selbstliebe. Und noch ein Gedanke dazu: Ist es nicht unser Herz, statt des Verstandes, das uns leiten soll? Dürfen wir Frauen uns nicht auch einmal auf unsere Intuition verlassen, einmal auch Unterstützung annehmen?
Ich habe zwei schwierige und herausfordernde Jahre hinter mir. Ich war oft allein mit meinen Problemen und hätte mich so gern meiner Community mitgeteilt. Es war hart, mich immer von der guten, positiven Seite zu zeigen. Es hat mich fast dazu gebracht, den Account zu schliessen.
Ich wollte stets meiner Vorbildfunktion gerecht bleiben, Stärke vermitteln und mich nicht verletzlich zeigen. Aber ich war oft den Tränen nahe und stand jeweils immer kurz davor, diese Emotionen mit meiner Community zu teilen. Schliesslich habe ich mich für einen Post entschieden, der klarstellen soll, dass es okay ist, Schwäche zuzulassen und auch öffentlich zu zeigen. Sich in diesen Zeiten sensibel zu zeigen IST keine Schwäche, sondern fordert Mut. Wir haben das Recht, zu zeigen, wie wir fühlen und wer wir im Kern wirklich sind! Dieser Post kam sehr gut an, und ich bekam viel Zuspruch. Die erste Idee eines Postings ist immer die Beste! Vertraue deiner Intuition: Sie lenkt dich, und auf diese Art wirst du auch immer authentisch sein.
Das Image einer Person oder Marke wird bestimmt durch Positionierung, Personalisierung und Inszenierung. Ein Image entsteht vor allem auf der affektiven Ebene, der Gefühlsebene, es reflektiert positive wie negative Assoziationen mit einer Marke oder Person. Und genau da will ich einhaken: Ich will mich nicht nur vor „einen Karren spannen lassen“, mich kategorisieren lassen. Deshalb zeige ich mich auch oft ohne Make-up, bei alltäglichen Herausforderungen, wie auch beim Sport, beim Wandern oder beim Malen. Meine Community darf mich so sehen wie meine eigene Familie. Ich will ich sein dürfen!
Finde dich, sei dir selbst treu, lerne, dich zu verstehen, folge deiner Stimme!
So kannst du das Höchste erreichen.
